Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
und schrie aus Leibeskräften den anderen Brigadier zu, der draußen Wache hielt. Aber vergeblich: dieser hörte nichts oder wollte nichts hören. Schinder hannes gelang es, sich zu befreien; er sprang durchs Fenster und ließ seinen Kameraden Benzel im Stich, der ins Gefängniß nach Kirn abgeführt wurde. Die oft zu Tage getretene Feigheit des gefürchteten Näubers zeigte sich hier auf das Schlagendste. Er floh und überließ seinen Kameraden, dem er die Freiheit dankte, dem Schidsal, trotzdem er in der Scheuer seine geladene Flinte hatte.
Le nemer als die Straßenräubereien und wohl auch einträglicher waren die nächtlichen Ueberfälle in den Häusern der Juden, in einzelstehenden Höfen und Mühlen. Den ersten derartigen Versuch machte er zu Hottenbach bei Wolff Wiener. Schinderhannes, an der Spize der Räuber, pochte an der Thür und rief: Hannes ist da und will Dich abfangen"... Sie mißhandelten die Bewohner des Hauses und Alles, was an Waaren und Geld fortzubringen war, ward zur Beute.
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Sein Quartier hatte er damals auf dem Kallenfelserhof, der auf einem steilen Felsen lag, aufgeschlagen; an derselben Stelle, wo ehemals die Ritter des Mittelalters ihren Raub zusammen schleppten, hausten jezt Schinderhannes und seine Gesellen. Hier waren drei Schneider thätig, um den Räuberhauptmann und seine Frau aus dem Erträguiß des Hottenbacher Naubes neu zu kleiden. Von dieser sicheren Stelle aus verhöhnte er oft in sehr drastischer Weise die unten vorüberreitenden Gendarmen. Burschen aus der Umgegend besuchten die Räuber und spielten Karten mit ihnen und ver schafften ihnen Munition aus Kiru; ja noch mehr, er arrangirte Bälle und die schönen Mädchen aus der Umgegend tanzten mit den Räubern.
In Meddersheim hielt er sich eine Woche lang auf und beorderte die in dieser Gegend wohnenden reichen Juden zu sich; sie sollten sich verantworten. An der Thür der Häuser stand eine bewaffnete Schildwache, oben auf der Treppe stand eine zweite, die den Juden in das Audienz- Zimmer des Räubers brachte. Nachdem sie sich durch flingende Münze mit ihm ausgesöhnt, wurden sie zurückgeführt, wie sie gefommen waren.
Immer fecker wurden die Raubzüge der Bande im Hunsrücken, an dem Rhein , der Nahe und Mosel. Den Gendarmen lieferten sie förmliche Gefechte. Oftmals allerdings geriethen einige in Gefangenschaft, doch nie mußten sie lange die Freiheit entbehren, nach einigen Tagen waren sie gewöhnlich entschlüpft.
Wer sich vor Naub und Brand schützen wollte, der fand sich auf gütlichem Wege mit der Bande ab. Ich theile in Folgendem einen der Briefe mit, wie sie Schinderhaunes schrieb, bevor er einen Ueberfall wagle:
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„ Jakob Schweizer wir ersuchen euch um zwanzig Karolin, und wir verhoffen unser Anspruch wird uns nicht abgeschlagen werden den uns ist bekannt, daß ihr uns damit helfen thut und müst, darauf wollen wir euch aber bekannt machen wenn es nicht aus gutem Willen geschagt, daß wir Instrumenten brauchen, die euch und euren Kindern nicht lieb sein werden. Wir wollen euch zu wissen thun, daß ihr eine halbe Viertelstunde Zeit dazu gebranchen derft und nicht mehr, denn bei uns ist keine Zeit zum Vorrath ist darauf besinnt euch furz und gut, denn wir mögen vor diesen keine Gewalt und Grobheiten brauchen, und wir euch auch gewarnt haben, daß ihr kein Wittel gebraucht wie euer Nachbar, darauf erfogt nicht gutes bei uns, dann wir leben ohne Furcht, und wie es eurem Nachbarn ergehen wird, das wollen wir euch nicht wünschen, wenn ihr nicht wist, wer euer Nachbar ist, das sind Hr. Raumbacher, weiter weiß ich euch nicht zu schreiben als beobachtet diese par Zeilen als dann bleiben wir gute Freunde
tt Johannes durch den Wald."
im Sohnwald
Auch Schutzkarte, wie Jm зten Jahre meiner Regirung die nebenstehende, gab er gegen entsprechende Bezahlung.
+++ Johannes durch den Wald.
So sehr sich auch der indessen zum GeneralCommissair in den De artements ernannt JeanbonSt. André bemühte, dem Räuberunwesen ein Ende zu bereiten, war es doch nur einem Zufall zu danken, daß endlich Schinderhannes der Behörde in die Hände fiel.
Im Jahre 1803 ließ er sich unter dem Namen Jakob Schweikers von einem kaiserlichen Werber engagiren. Er schien zu hoffen, in den kriegerischen Armeen, die damals Europa durchzogen, verschwinden zu können, und der Plan wäre ihm vielleicht auch geglückt, wenn er sich an soldatische Ordnung hätte gewöhnen können. Doch er desertirte, wurde eingefangen und gebunden nach Runkel gebracht.
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Den 10. Juni wurde er nebst anderen Rekruten unter Begleitung furtrierischen Militärs nach Wies baden gebracht. Gedankenvoll blickte er unter sich, sprach nur wenig. sprach nur wenig. Nur als der Handelsmann Verhofer ihm starr ins Gesicht sah, wurde er unwillig und fragte: Herr, bin ich Ihm etwas schuldig, daß Er mir so ins Gesicht schant? Große Furcht hatte er, an ein französisches Gericht abgeliefert zu werden, da er den größten Theil seiner Gränelthaten auf dem linken Sheinufer, damals französischem Gebiet, ausgeführt hatte. Als er von Wiesbaden weggeschafft wurde, rief er im tiefsten Schmerze: " Oh weh! nun bin ich verloren!" Er wurde zuerst nach Frankfurt transportirt, wo er seinen wahren Namen gestand, dann an die zuständige Kriminalbehörde in Mainz abgeliefert. Kaum war er in Haft, so verrieth er alle seine Kameraden und Helfers helfer, was eine Menge Verhaftungen von Leuten aus allerlei Ständen veranlaßte.
Die öffentlichen Prozeßverhandlungen dauerten siebenundzwanzig Tage. Das Urtheil lautete über Schinderhannes und neunzehn seiner Komplicen auf Todesstrafe, achtzehn wurden theils mit Rettenstrafe", theils mit Zuchthaus bestraft, zwanzig freigesprochen.
Am 21. November 1803, gegen ein Uhr Nachmittags, wurden die zum Tode verurtheilten auf fünf Wagen, von Geistlichen begleitet, nach dem Richtplaze gebracht. Als der Zug bei der Guillotine angekommen war, sprang Schinderhannes von Wagen und bestieg das schreckliche Gerüst. Er wandte sich zum Publikum und sprach:„ Ich habe den Tod verdient, aber zehn von meinen Kameraden nicht!"
Der Anblick der sechsundzwanzig Särge und das von dem Blute ihres Anführers gefärbte Beil hatte alle anderen Verurtheilten erstarrt, einzelne Räuber mußten hinaufgetragen werden.
An dem Orte der Hinrichtung fanden sie auch ihre ewige Ruhestatt; eine Reihe hoher Pap elu bezeichnet die Stelle, wo der gefürchtete Räuber und seine Gesellen begraben sind.
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Bum letzten Mal.
Skizze von Theodor Kabelih.
un war sie wieder unterwegs. Auf dem Rücken die Kiepe aus abgeschälten Weidenruthen. ruthen. Die Daumen beider Hände unter die Tragbänder geschoben, daß sie weniger fuiffen an den Schultern. So schritt sie dahin auf dem Wege zur Stadt.
Sie kannte ihn sehr gut, diesen Weg. Seit drei Jahren machte sie ihn alle Woche einmal, jeden Sonnabend. Die Kiepe auf dem Rücken, die Daumen unter die Tragbänder geschoben, ging sie zur Stadt. Obs Winter war, ob Sommer, ob Regen fiel oder Schuee Schuee sie ging zur Stadt.
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Oben aus der Kiepe gudte die Last ein Stückchen hervor. Ein Brot wars. Ein gut ausgebackenes Landbrot. Glatt in altes Leinen genäht, stand es schief in der Kiepe. So trug sie's zur Stadt, zur Post. Ihr Sohn sollte es haben.
Den Weg kannte sie sehr genau. Drei Stunden war er lang. Wer keine Kiepe trug, wurde rascher damit fertig. Aber ohne Kiepe gings bei ihr nicht.
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Des Brotes halber. Es mußte zur Post. Icde Woche. Und dazu brauchte sie drei Stunden, trotzdem sie eben erst Fünfzig war. Freilich! Der Bruchschaden machte ihr auch Beschwer beim Gehen.
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An den Weg hatte sie sich nun schon gewöhnt in den drei Jahren. Jui Sommer war der Sand manchmal ein bischen tief. Auch etwas heiß au den Füßen. Auf den Lehmstrecken gings besser, wenns auch staubte. Im Frühjahr und Herbst weichte freilich der Lehm auf. Ganz tief trat sie hinein. Wenn die Schuhe nicht darin stecken blieben, hängte sich der Lehm daran fest, daß die Beine ganz schwer wurden. Dann wars wieder auf dem Sande besser zu gehen. Nur im Winter, wenn Schnee lag, ging sichs schlecht auf dem ganzen Wege. Aber das dauerte immer blos ein paar Monate. Die Hoffnung auf den Frühling half darüber hinweg, über den Winter und über den Schnee. Im Frühling sangen die Lerchen. Die Saaten wurden grüner von Woche zu Woche. Und dann gings aus Wachsen! O, wie das Alles rasch in die Höhe kam! Die Saaten und die Fichten! Sie wußte noch ganz genau, wie viel die Fichten zugenommen hatten in den drei Jahren.
Nun war sie wieder unterwegs mit dem Brote in der Kiepe. Ihr Sohn sollte es haben, ihr Einziger noch.
Er war der Jüngste. Von Sechsen war er nachgeblieben. Seit drei Jahren war er auf dem Seminar in der fernen Stadt. Lehrer wollte er werden. werden. Sein todter Vater war auch Lehrer ge= wesen. Jeden Sonntag bekam er sein Brot. Jeden Sonnabend trug sie's zur Post.
Auch ein Brieflein war mit eingenäht in das alte Leinen. Darin standen liebe Worte. Worte, die nur das Mutterherz findet, das seine einzige Freude und Hoffnung in der Ferne weiß. Und in dem Brief lagen auch ein paar Groschen Geld. Junge Leute brauchen doch manchmal was außer dem Brot. Auch ihr Sohn. Ihr Friß. Und sie gabs ihm so gern, was sie sich abgespart hatte am Munde.
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Viel wars nicht. Sie hätte gern mehr gegeben. Viel mehr! Aber wenn Einer außer seinen zweihundertfünfzig Mark Wittweupension nichts weiter hat als zwei müde Beine und einen Bruchschaden am Leibe, giebt sichs schwer ach zu schwer! Sie mußte doch auch leben! Und Friß in Kleidung erhalten mußte sie auch! Eine Freistelle hatte cr ja, weil er so fleißig war und sich nichts zu Schulden kommen ließ. Sein Vater war Lehrer gewesen. Das half wohl mit zu der Freistelle. Aber schwer wars doch mit zweihundertfünfzig Mark im ganzen Jahr!
Sie machte es möglich. Sie war ja schon alt. Ihr verschlugs nichts, wenn sie kein Fleisch aẞ. Friz mußte ein paar Groschen haben. Er durf e nicht gar zu sehr hinter den Anderen zurückstehen, weil er blos eine Mutter hatte, die für ihn sorgte. Und er war so dankbar für jede Kleinigkeit. Immer war er zufrieden. Auch wenn sie nur wenig schickte. Deshalb trug sie auch das Brot zur Post. Jede Woche. So viel trugs nicht aus, daß er das thenere Bäckerbrot kaufen fonnte. Er war ja jung. Es schmeckte ihm so gut. Nein, so viel Brot konnte sie mit dem besten Willen nicht bezahlen. Sie but es ihm selber. Sie trugs ihm selbst zur Poſt. Jede Woche. Drei Jahre lang schon.
Nun war sie wieder unterwegs. Zum letzten Mal. Seit Ostern hatte sie die Wochen gezählt den ganzen Sommer hindurch. Nun noch so oft! Nun blos noch so oft!
Heute wars das lezte Mal. Das Examen hatte schon angefangen. Friz bestand es gewiß. Er hatte gar feine Angst gehabt, als er bei ihr war in den Sommerferien. Ein gutes Zeugniß brachte er auch mit. Das hatte er ihr fest versprochen beim Abschied.
Ein gutes Zeugniß ist viel werth. Wenn Einer ein gutes Zeugniß hat, bekommt er auch eine gute Stelle. Friß würde es an beiden nicht fehlen.
In acht Tagen sollte er bei ihr sein. Dann war das E amen vorbei. Dann brauchte sie nicht mehr zur Poft mit der Siepe und mit dem Brote. In acht Tagen kam er und holte sie ab nach der