Die reue Welt

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Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

C

Natur, du kannst mich nicht vernichten, Weil es dich selbst vernichten heißt, Du kannst auf kein Atom verzichten,

Pas einmal mit im Weltall kreist.

Lehtes Gebet.

Von Friedrich Hebbel .

Du mußt sie alle wieder wecken, Die Wesen, die sich, groß und klein, In deinem dunklen School verstecken Und fräumen, mun nicht mehr zu sein.

Ich will nicht in die Luft zerfließen, Ich will, auf langen Schlaf entbrannt, Gestorben, mich im Stein verschließen, Im härtesten, im Diamant.

Db der in einer Krone gaukle,

Db er bei heller Kerzen Licht Auf einer Mädchenbruft sich schaukle, Ich schlafe tief, ich fühl es nicht.

Auf der Walze.

Aus den Papieren eines Fechtbruders. Von F. Riebeck.

Vierundzwanzigstes Stapitel. ( Fortsetzung.) Der Sonnenschmied.

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Is wir fortzogen aus der Heimath, meine zwei Gefährten und ich, im frischen, werdenden Früh ing wie wars doch anders als jetzt! 3war erschauerie und ängstigte sich die noch nicht flügge Seele vor den düsteren Nebeln der Ungewiß­heit, die drohend die Zukunft, die Ferne verhüllten; wohl ahute sie Gefahren und Drangfal und Kämpfe und Nöthen und Bitternisse; doch über all dem Zagen und Bangen flammte die kraftzengende junge Sonne, und den neugierigen Sehnsuchtsaugen war es, als sähen sie hinter all der Düsterniß den weißen Duft schimmer einer märchenschönen Welt sich breiten einer Welt des Glückes....

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Nun waren die jubelfrohen Farben des Sommers im Erlöschen; die Sonne schien bereits erschöpft zu sein von der großen Jahresarbeit; lieblich verklärte ihr Morgenlicht die Birken- und Erlengehölze am Wege, doch das war nicht mehr jene Sonne, die frühlingstrunkene Minnesänger das volltönende Neim­wort Wonne" jauchzen läßt; das war jene Sonne, die in der Seele eine seltsam- süße Trauer, die Phantasie der sanften Todesahnungen, der Scheide wehmuth erweckt. Drüben der hohe Tannenwald hatte sich trotz des Morgenglanzes in mitternächtiges

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1897

Natur, ich will dich nicht beschwören: Verändre deinen ew'gen Lauf! Ich weiß, du kannst mich nicht erhören, Dur wecke mich am lehten auf!

Er wird bei tausend Heftestängen

Als Mittelpunkt im Strahlenkranz Vielleicht, wie nie ein anderer, glänzen, Doch keiner ahnt, woher der Glanz. Erst wenn ich mich erwachend dehme, Sag' ich dem Träger till ins Dhr, Dali einst ein Mensch zerrann zur Thräne Und die zum Edelstein gefror.

Schwarz geleidet; er fam mir vor wie ein finsterer Nebell, der, sich selbst genug, voll Dünfel und Un­dan barkeit die Gnaden der erschlafften Königin ver­schmäht und ihr trozig die düstere Verrätherstiru bietet. Die weite Thalwiese war über und über mit weißen Blüthenstanden bedeckt.

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Als ich diese Wiese zum ersten Male sah, im Frühling, da glühte und frohlockte sie im goldenen Farbenrausche der Hoffnung da war sie über­zogen von den saftstroßzenden Sternen des Löwen­zahus; und als ich sie dann wiedersah, im Früh sommer, da wogten die Gräfer und Kräuter in hoher, verheißender, schwellender leppigkeit, und darüber herrschte die Farbe der Freiheit, das lebensvolle, prunkende Noth. Und jetzt dahin die Hoffnung und die Freiheit! Dahin die reiche, wellig fluttende Sommerpracht! Aus bleichendem Nasen erheben Aus bleichendem Rasen erheben sich die dunklen Stauden mit den grauweißen Blü.hen­flächen grauweiß wie ein Leichenlinnen, wie die Lilien der Bourbonen .... Weißes Mariengarn segelt durch die stille Luft; ich emppfinde die klebrigen Fädchen im Gesicht und an den Händen; weiße Duft­schleier verhüllten die Ferne....

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Der Himmel ist nie so ruhig, als an solchen sonnigen Herbsttagen, und wer seinen Frieden mit der Welt gesd lossen hat und nicht gezwungen ist, wie ein Naubthier seine Nahrung zu erfämpfen, für den muß es eine Seligkeit sein, unter solchem Himmel zu wandern. Zufrieden mit seinem Loose, giebt er sich ganz den Negungen seiner Seele hin, ergötzt sich sinnend, ohne Leidenschaft, an den schönen Bildern

der Vergangenheit, schreitet ohne Todesbaugen durch den milden Tag und trinkt dessen Licht und ist ohne Wunsch und Begehren.

Aber wer keine Heimath hat und feinen Besitz, und wessen Seele friedlos istach, der soll nicht wandern an solchen Tagen, die mit verborgenem Zauber alle Erinnerungen wachrufen! Ihn martert jeder Gedanke an die Vergangenheit; er zuckt in Cnal beim Gedanken an die Grabhügel seiner Wünsche und Pläne; ihn ängstigen finstere Vorahnungen; er grollt und hadert mit der Welt; ihn erdrückt schier das entsetzliche Gefühl des Verlassenfeins und der Armuth.

Ich glaube, daß ich geweint habe, als ich von der Anhöhe den letzten Scheideblick auf Thalungen warf; doch ich schämte mich bald meiner Weichlich­feit, suchte männliche Entschlüsse zu fassen und stimmte ein Wanderlied an; der Sehnsuchtston des Liedés aber weckte neue Traurigkeit im Herzen....

Aus dieser Traurigkeit rettete mich ein merk würdiger Gesell, der im Chauffeegraben lag und mir, als ich vorbeigehen wollte, fragend zurief: Kunde?" ,, Kenn!" erwiderte ich, an die Lehren meines Fechtschulmeisters denkend.

Wo tippelst Tu hin?"

"

"

Nach Görliz!"

"

Religion?"

Tischler."

Ich bin Sonnenschmied."

"

Die Bedeutung dieses Wortes war mir fremd: ich vermuthete aber, es bedente so viel, wie das