Die Senkerin des Robespierre .

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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Nach geschichtlichen Quellen. Von Heinrich Lee. ( Schluß.) er Juli brach an. Tallien vermuthete Therezia noch im Gefängniß des Carmes. Als er am Morgen des vierten Thermidor nach Hause kam, fand er auf seinem Schreibtisch einen Dolch. Niemand wußte, wie er dahin gekommen war. Tallien erinnerte sich, den Dolch schon einmal in den Händen Therezias gesehen zu haben, und steckte ihn in die Tasche. Darauf begab er sich nach dem Stadthaus. Vor der Thür des Stadthauses stauden Nobespierre und David. Drei Karren mit Ver­urtheilten fuhren vorüber, in einer Entfernung da hinter ein vierter, nur mit Frauen. Therezia war nicht darunter. Es war, als wollte Tallien an Beiden vorbei, aber er blieb stehen und reichte Robes­Ein heißer Tag," sagte er. pierre die Hand. 11 Robespierre nahm die Hand, aber er drückte sie nicht. " Sehr heiß," sagte er, und fächelte sich mit dem Taschentuch. Robespierre ," sagte Tallien plöslich und bewegt, bewillige mir eine Gnade!" Eine Gnade? Jch, Nobespierre?" erwiderte der Diftator erstaunt, ich bin ein gewöhnlicher Bürger und ver­theidige die Sache der Republik ." Eine schlechte Sache," entgegnete Tallien und zeigte auf die vor­überfahrenden Karren, wenn man alle Tage dem Volfe ein solches Schauspiel giebt!" Wer giebt dieses Schauspiel?" Robespierre stampfte mit dem Juße auf. Ich nicht," sagte Tallien . Etwa ich?" fragte Nobespierre. Wie, etwa Robespierre ?" fragte David. Das sage ich nicht," entgeguete Tallien, aber Jemand ist es." Das Gericht des Volkes." Nicht das Gericht und nicht das Volk. Die verfluchte Maschine arbeitet von selbst und wir werden Alle unter sie gerathen, wenn Du dem Blut­vergießen nicht Einhalt gebietest!" Das sagt Tallien ," sprach Robespierre und betrachtete ihn, seinen Ge­hülfen bei den Septembermorden, von oben bis unten. Ich bin nicht gekommen, mit Dir zu zanken," sagte Tallien, ich bin gekommen..." Tallien stockte. Ich bin gekommen," fuhr er fort, um Dich dringend zu bitten, keine Frauen mehr vor das Re­volutionstribunal zu stellen." Vielleicht hat Tallien Recht," sagte David, es sieht aus, als fürchten wir uns vor den Frauen. Sind wir nicht Römer?" Robespierre lächelte ummerklich. Ich verstehe Dich nicht," erwiderte er, daß Du weibisch bist, wußte ich, aber nicht, daß Du verrückt bist." Verrückt? Warum? Weil ich meine, daß es eine scheußliche Verrücktheit ist, alle Tage fünfundzwanzig Frauen auf die Guillotine zu schicken."" Warum hat man am zweiten September die Frauen niedergemeßelt?" Warum?" Tallien bohrte seine Augen in die des Diktators und des Anstifters, Du kennst den Grund." Ich kenne nur das Gesez," erwiderte Robespierre und erg: iff den Arm Davids, um zu gehen. Tallien Nun gut," sprach er, so trat ihm in den Weg. Nun gut," sprach er, so fordere ich Dich auf im Namen des Gesezes, gieb mir die Freiheit, der Bürgerin." Abermals stockte Tallien und wagte den Namen der Geliebten nicht auszusprechen, der Bürgerin Beauharnais ," vollendete er, sie ist gefangen ohne gefeßlichen Grund." Niemand ist gefangen ohne gesetzlichen Grund," antwortete Robespierre , ich bin nicht Justizminister, ich kenne nicht Deine Bürgerin Vor dem letzten Worte machte Beauharnais ." Robespierre eine Pause und er sprach es mit Spott. Tallien verzweifelte noch nicht. Schmeichelnd sagte er: Ich kenne arme Frauen, die nach nichts Auderem getrachtet haben, als nur darnach, geliebt zu werden, und die doch auf das Schaffot geschleppt werden soilen, blos weil der Henker Arbeit braucht. Komm mit mir in die Gefängnisse; als Mitglied des Kon­vents hat Du die Pflicht, die Wahrheit zu sehen. Komm!" Du hast Recht," erwiderte Robespierre , ,, nur hab ich jetzt keine Zeit. Ich muß nach Cha renton. Aber ich verspreche Dir, das Karmeliter= floster mit Dir nächstens zu besuchen. Dort ist doch die Bürgerin Beauharnais, wenn ich mich recht erinnere?"" Du gehst. Aber wenn Du erst morgen zurückkommst, wie Viele werden inzwischen das Schaffot besteigen!" fuirschte Tallien . Bin ich der Herr

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ihres Schicksals?"" Ja, Du bist der Herr. Du hast den Konvent und die Comités in der Hand! Nimm Dich in Acht! Man wird von Dir sagen, Du thust Böses, wo Du Gutes fönntest thun." Ich habe wirklich keine Stunde Ruhe. Meinst Du, ich gehe nach Charenton, um zu fischen? Ich habe nicht Zeit, mein Fenster zu öffnen und nach dem Wetter zu sehen. Und was die Frauen betrifft, glaube mir, Du kannst sie nicht. Sie sind alle die Feindinnen der Republik , denn sie lieben den Prunk des Königthums. Ich sage Dir, eine Frau wird die Republik noch stürzen." Robespierre wollte gehen. " Ist das Dein letztes Wort?" schrie Tallien . Robes­ pierre antwortete nicht mehr, er heftete auf Tallien einen eisigen und schneidenden Blick und zog David mit. Tallien sah ihm nach, dann zog er aus seiner Tasche den Dolch und küßte die Klinge. Gut," murmelte er, eine Frau wird die Republik stürzen."

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Zwei Parteien im Konvent waren gegen Robes­ pierre von einem glühenden Hasse erfüllt. Die Einen, die Freunde Dantons , die der Rachedurst gegen seinen Mörder erfüllte. Die Anderen, die Blutdürftigsten der Versammlung, an der Spizze Billaud- Varennes, Collot d'Herbois , Vadier, Amar, die den Diktator in ihm sahen, der keinen Anderen an seiner Seite duldete. Robespierre kannte seine Gegner. Er hatte Hebert und Danton zermalmt und bereitete sich vor auf einen neuen Schlag.

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auf sie zu. Vor dieser Statue habe ich das Recht, die Wahrheit zu sagen," sprach er zu Robespierre , ,, wir haben den Schrecken eingeseßt und wir machen uns jetzt gegenseitig Furcht. Wir sind wie die Kinder. Laßt uns Männer sein." Robespierre erwiderte falt: Laßt uns Männer sein, sagen Sie. Ich hindere die Kinder nicht, Männer zu werden. Ich mache Niemandem Furcht und ich fürchte Niemand."" Wie," rief Tallien ungestüm, rief Tallien ungestüm, Du machst Niemand m Furcht? Aber ist Dein Wohlfahrtsausschuß nicht das Schaffot selbst? Wie, Du hast keine Furcht? Und doch schreckt Dich die Guillotine, denn Du hast sie nach dem Thronplatz geschafft!" Die Anwohner des Eintrachtsplazes wurden voll Efel über das tägliche blutige Schauspiel und die Guillotine war nach der Vorstadt Saint Antoine übergesiedelt. Ich bin überzeugt," sagte begütigend der Bruder Nobes­pierres, der sich gleichfalls in der Gesellschaft befand, ,, wenn Jeder dem öffentlichen Wohle seine Leiden­schaften opfern wollte, daß sich dann alle wahren Republikaner mit einem Händedruck zusammenschließen Gut," rief Tallien, ich bringe dieses würden." Opfer. Vor dieser Statue schwöre ich jeden Groll in meinem Herzen ab. Nur die Liebe für die Republik soll darin leben. Wenn meine Reden meine Freunde oder meine Feinde jemals verlegt haben, so bin ich der Erste, der sie verurtheilt. Die Brüderlichkeit allein sei unser Gesetz!" Eisiges Schweigen ant­wortete ihm. Saint Just gab dem Gespräch eine Wendung. Man wollte endlich auseinandergehen, da sagte Barras:" Sehen wir uns einmal ins Gesicht. Die Jakcbiner erzählen sich, daß Robespierre mit eigener Hand eine Liste aller Derer angefertigt hat, die aus dem Konvent verschwinden müßten." Ja," erwiderte Robespierre , ich habe eine solche Liste geschrieben, getrieben von meiner Liebe für die Re­ publik . Denn ich meine, daß die Republik durch die schlechten Republikaner zu Grunde gehen würde." Alle blickten Robespierre , verwundert über seine un­gewohnte Aufrichtigkeit, an." Dann werden also die schlechten Republifaner zu Grunde gehen?" fragte Tallien . Nein," rief David, sie werden wieder gute Republikaner werden." So zerreiße diese Liste," sagte Fréron , hier vor dieser Statue, vor der wir schwören wollen, die Guillotine zu stürzen." Ich verlange ja nicht, daß alle Die, die ich aus dem Konvent entfernt sehen möchte, sterben sollen. Ich bin nicht das Revolutionstribunal," entgeguete Nobespierre.

Am siebenten Thermidor erhielt Tallien von Therezia einen Brief. Therezia war wieder nach der Force zurückgebracht. Die Frau des Schließers in der Force beförderte die Korrespondenz. Von Therezia tam auch der Dolch. Sie hatte ihn aus Spanien mitgebracht, trug ihn im Augenblick ihrer Verhaftung, da sie sich gerade auf eine kleine Reise begeben wollte, bei sich, und wußte ihn den Augen ihrer Feinde zu verbergen. Der Brief Therezias lautete: Laforce, den 7. Thermidor. Die Bürgerin Fontenay an den Bürger Tallien . Rue de la Peile 17. Ein Polizist war hier. Er fam, um mir mitzu- Tallien . Er kam, um mir mitzu­theilen, daß ich morgen vor das Revolutionstribunal, das heißt, auf das Schaffot kommen werde. Das stimmt freilich zu dem Traume, den ich in der ver­gangenen Nacht hatte, nur wenig: Robespierre war nicht mehr und die Gefängnisse öffneten sich. Doch wegen Ihrer erbärmlichen Feigheit wird sich bald Niemand mehr in Frankreich finden, der meinen Traum verwirklicht." Tallien erwiderte sofort darauf: Seien Sie so vorsichtig, wie ich muthig sein werde, und seien Sie ruhig."

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Am Nachmittage begab sich Tallien nach den Champs Elysées und speiste dort mit Barras, Fréron, jabeau und noch einigen anderen Freunden Dantons in einem Gartenlokal. Sie saßen vor der Thür. Der Zufall fügte es, daß auch Robespierre in der Gesellschaft von David, Saint- Just und dem Kom­Sie ponisten Mehul in dieser Wirthschaft speiste. saßen in der Stube. Die Begleiter Talliens scherzten. Tallien selbst war stumm, in der Tasche hatte er Therezias Brief. Fréron tadelte die Küche und meinte, Tallien müßte wie sein Vater ein sach­verständiges Urtheil darüber haben. Nimm Dich in Acht," sagte Tallien , Nobespierre denkt daran, in Acht," sagte Tallien , Nobespierre denkt daran, Dich in die Küche der Unterwelt zu befördern." Eine Weile später trat Collot d'Herbois in den Garten und setzte sich. Barras ging auf ihn zu und fragte ihn: Hast Du Nobespierre gesehen?" Nein," erwiderte Collot, ich habe mit der Tyrannei nichts zu thun."" Gut," sagte Barras, rücken wir unsere Tische zusammen."" Ihr seid nicht meine Freunde."" Wir sinds. Wir müssen gemeinschaftlich unsere Köpfe vor dem Tyrannen schüßen." Collot stand auf und setzte sich an den Tisch der neuen Bundesgenossen. Um neun Uhr Abends brach man auf, um auf dem linken Seineufer noch eine Tasse auf, um auf dem linken Seineufer noch eine Tasse Kaffee zu trinken. Auf dem Eintrachtsplatze, auf dem drei Monate vorher Danton und Camille Des­ moulins verblutet waren, vor der Statue der Freiheit moulins verblutet waren, vor der Statue der Freiheit blieb man stehen. Auch Nobespierre und seine Freunde machten sich auf. Sie gingen denselben Weg. Auf dem Eintrachtsplay begegneten sich beide Gesellschaften. Barras sah die Kommenden zuerst und ging sofort

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Wie viel rechnen Sie im Berg zu den schlechten Republikanern?" fragte Collot . Fragen Sie," antwortete Robespierre , wie viel ich zu den guten rechne." Mit diesen Worten griff er in seinen Rockschooß, holte ein Papier hervor und breitete es bei dem Scheine einer Laterne vor den Augen seiner Freunde und Feinde aus. Der erste Name in dem Verzeichniß war der Name Tallien . Darunter standen unter anderen die Namen Barras, Fréron, Yssabeau und ein C., was vielleicht Collot d'Herbois bedeutete. Ich danke Dir für Deine Offenheit," sagte Tallien , gewiß, Du hast uns nur diese Liste gezeigt, weil Du unsere Namen davon streichen willst. Du meinst, unsere Ziele gehen auseinander und Einigkeit macht start. So nenne uns Dein Programm." Nobes­pierre sprach von Jean Jaques Rousseau und erging sich in einer seiner Neden über die Tugend. Am Ende jagte er: Ich will vier Namen von dieser Liste streichen, aber Ihr müßt mir Eure Mitwirfung zur Verfolgung der Uebrigen versprechen." Gr er­flärte seine Gründe gegen diese Uebrigen. Talliens Freunde fanden plößlich kaum noch ein Wort der Vertheidigung für die Feinde Robespierres. Da rief Tallien : Du hast die Bürgerin Fontenay verhaften lassen, ja Du! Der Befehl ist von Dir unter zeichnet. Gieb mir ihre Freiheit!"" Niemals," er­widerte Robespierre , denn die Bürgerin Fontenay hat Dich verdorben. Für sie hast Du die Republik verrathen. Sie hat Dich gegängelt wie ein Kind, Deine Veränderung in Bordeaux ist ihr Werk." " Delila, die Simson die Haare abschneidet!" rief David. Die Bürgerin Fontenay ist mein Weib;" sprach Tallien mit erholener Stimme, mich hast Du in ihr treffen w llen, mich! Ich will ihre Frei­Gieb ihr die Freiheit, heit, noch heute Abend!" gieb sie ihr, Robespierre !" baten die Freunde Talliens.

David.

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