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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
unter günstigen Umständen erzogen, seine Anlagen, sein erfinderisches Genie hätten ihn eine Zierde seines Zeitalters, sein Muth zu einem Helden werden lassen."
Nach Fezers Tod und Picards Flucht blieb die Bande versprengt. Dreiundsiebzig geriethen in Gefangenschaft, davon erlitten zweiunddreißig die Todesstrafe, achtunddreißig wurden zu schweren Kerferstrafen verurtheilt, einer endete durch Selbstmord, zwei durch Krankheit.
Die Hinrichtung eines Standbildes.
ine der merkwürdigsten Staatsbegebenheiten, die das sechzehnte Jahrhundert zum glänzendsten der Welt gemacht haben, dünkt mir die Gründung der niederländischen Freiheit. Wenn die schimmernden Thaten der Ruhmsucht und einer verderblichen Herrschbegierde auf unsere Bewunderung Anspruch machen, wie viel mehr eine Begebenheit, wo die bedrängte Menschheit um ihre edelsten Rechte ringt, wo mit der guten Sache ungewöhnliche Kräfte sich raaren und die Hülfsmittel entschlossener Verzweiflung über die furchtbaren Künste der Tyrannei in ungleichem Wettkampf siegen. Groß und be= ruhigend ist der Gedanke, daß gegen die trotzigen Anmaßungen der Fürstengewalt endlich noch eine Hülfe vorhanden ist, daß ihre berechnetsten Pläne an der menschlichen Freiheit zu Schanden werden, daß ein herzhafter Widerstand auch den gestreckten Arm eines Despoten beugen, heldenmüthige Beharrung seine schrecklichen Hülfsquellen erschöpfen faun."
Mit dieser treffenden allgemeinen Charakteristik leitet Schiller seine Geschichte des Abfalls der Nieder lande ein, die wir mit all dem Jammer und Elend eines gefnechteten Volfes, mit allen Grausamkeiten eines despotischen Unterdrückers uns ins Gedächtniß rufen müssen, wollen wir ganz den Inhalt eines Bildes verstehen, wie es der Maler Th. Verlat vor uns aufrollt. Es ist eine Szene eben jenes Jahrzehnte langen, blutigen niederländischen Volksdramas, wie sie sich in den Mauern der, vor der spanischen Herrschaft reichen, blühenden Handelsstadt Antwerpen im Jahre 1577 zutrug.
Im Sommer des Vorjahres, kurz nach dem Tode des fremden Oberstatthalters Requesens y Zuñiga waren unter den spanischen Truppen, denen man trop langer Mühen und Entbehrungen den Sold verweigerte, Meutereien ausgebrochen, die die niedersten Justinkte und Leidenschaften der rohen Soldateska entfesseln sollten.
Plündernd, mordend, vor keiner Greuelthat zurückschreckend, zogen die Empörer von Ort zu Ort, bis ihnen schließlich noch Antwerpen als begehrenswertheste, reichste Beute übrig blieb.
Hier aber kannten die Raubgier, die Zerstörungswuth der Spanier feine Grenzen.
Nach einem regelrechten Straßenkampf oder richtiger Morden, dem gegen zehntausend Einwohner zum Opfer fielen, begann eine Plünderung, wie sie wohl keine zweite Stadt jemals erlebt hat.
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Nachdem die spanische Furie" drei volle Tage ihr schreckliches Werk verrichtet hatte, war Antwerpen , , das vorher noch immer eine Welt von Glanz und Reichthum enthielt, zum Schlachthaus geworden, von dieser Stunde an war ihre Handelsblüthe auf immer gefickt." Damit waren natürlich die Erbitterung, der Haß der Niederländer auf dem Siedepunkt angelangt und Alles harrte sehnsüchtig nur auf den Augenblick, in dem die Gefühle des ge= quälten, nach Rache dürstenden Volkes sich in Thaten Luft machen könnten.
Und dieser Augenblick brachte den Bürgern Antwerpens das Jahr 1577.
Don Juan d'Austria, der Nachfolger des Requesens y Zuñiga, hatte aus den anarchistischen Zuständen, in denen sich die Niederlande befanden, keinen anderen Ausweg gewußt, als in dem sogenannten
ewigen Edikt" dem Volke allerhand Zugeständnisse zu machen und ihm vor Allem die Entfernung der spanischen Truppen zuzusichern.
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So sehr er dies freilich auch hinterdrein bereute denn trotz aller Versuche war es ihm nicht gelungen, die Sympathien der Niederländer zu ge= winnen, so sehr erneute und stärkte dieser Schritt bei der Bevölkerung die Hoffnung und das Vertrauen in die eigene Straft.
Don Juan, der nur auf dem Schlachtfelde sich sicher und dem Gegner gewachsen fühlte, war auf den Schleichwegen der Politik nicht zu Hause; er merkte, daß man ihn scharf beobachtete, das Volk vor ihm und den Ränken der Spanier warnte, und seine Position auf diese Weise immer unhaltbarer wurde.
Dazu kam, daß das Ansehen Wilhelms von Oranien, dem Volk und Adel anhingen, mehr und mehr wuchs und dadurch sich die Verhältnisse für den Statthalter noch ungünstiger gestalteten.
Als dieser nun gar einen letzten Versuch machte, durch die plötzliche Besezung des Schlosses von Namur wenigstens einen festen Stüßpunkt wiederzugewinnen, konnte es der Oranier, indem er auf die neuen kriegerischen Absichten der Sanier hinwies, ruhig wagen, sowohl die Genter als auch die Einwohner Antwerpens zur Schleifung der spani schen Festungswerke zu ermuntern.
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Mit welchem Jubel, welch fanatischer Begeisterung man aber dieser Aufforderung besonders in Ant werpen nachkam, das ist es, was Th. Verlat besser als es Worte vermögen in seinem Bilde zur lebendigen Darstellung bringt. Tausend und Abertausend machten sich auf, um die nach der Stadtseite gelegene Front jener Zwingburg niederzureißen, die sie zur eigenen Knechtung vor Jahren unter dem Bluthund Alba selbst hatten errichten müssen.
Und nachdem die Mauern der Citadelle, diese Wahrzeichen der erlittenen Schmach, des tiefsten Elends gefallen waren, zog man zur eisernen Statue des Tyrannen selbst.
Zur Zeit des furchtbarsten Schreckens, da er nach der blutigen Schlacht von Jemmingen als ruhmgekrönter Sieger heimkehrte, hatte man sie ihm errichtet als dem„ Wiederhersteller der Religion und Gerechtigkeit, der der Hydra der Rebellion den Kopf zertreten hatte."
Welche Empfindungen bittersten Hasses, grenzenloser Wuth mußten beim Anblick dieses Bildes, finster, starr, wie der eiserne Toledaner selbst, zu elementarem Ausbruch kommen.
Als hätte man den Lebenden selbst vor sich und könnte ihn, für die Foltern, die Bluturtheile ohne Zahl Vergeltung übend, langsam zu Tode martern, so richtete sich der Groll der Menge gegen die leb= lose Eisenpuppe, die man unter Verwünschungen durch die Straßen schleifte, um schließlich eine Art Hinrichtung an ihr vorzunehmen.
Aber was hatte das niederländische Volk auch unter der Herrschaft dieses blinden Werkzeuges eines rachsichtigen, despotischen Königs, dieses fanatischen Sohnes seiner Kirche zu erleiden.
Und acht lange Jahre währte dieses Regiment des Schreckens, dessen Geschichte mit dem Blute von Tausend und Abertausenden geschrieben ist.
Eine Zeit der Entrechtung, der Knechtung war ihr freilich unter der Regentschaft Margarethas von Parma schon vorausgegangen.
Philipp, der die verbrieften Rechte und Freiheiten der Niederländer mißachtete, verlangte von ihnen den unbedingten Kadavergehorsam, wie er ihn in seinem Spanien gewohnt war, und vor Allem wollte er die Kalvinisten, die besonders in den nördlichen Provinzen zahlreich vertreten waren, mit Stumpf und Stiel ausrotten. Denn lieber," sagte er,„ will ich die letzte Nuthe meines Bodens verlieren, als über Kezer herrschen."
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Und doch trotz aller Unterdrückung, trotz aller Drangsale und Verfolgungen war das Volk damals wenigstens noch kräftig genug, um in Worten und Thaten gegen seine Behandlung zu protestiren, seinent Zorne, seiner Erregung Luft zu machen.
Das änderte sich mit einem Schlage, als Alba mit einem Heere von zehntausend Mann plößlich den Boden der Niederlande beirat.
Noch wußte man nicht einmal, wie weit seine Vollmachten reichten, ob Margaretha gehen würde oder bleiben, und doch bemächtigte sich Aller das Gefühl, als ob man einer dunklen, schrecklichen Zukunft entgegengehe.
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Es war," so sagt Motley, als wäre der Himmel mit einem schwarzen Flor überzogen und hinge so tief herunter, daß man sich bücken müsse, um nicht darau zu stoßen. In den gesammten Niederlanden war nur ein Gefühl des kalten und hoffnungslosen Entsetzens.
Die, welche noch eine Möglichkeit zu entrinnen sahen, flüchteten in Eile über die Grenze. Alle fremden Kaufleute verließen die großen Märkte. Die Städte wurden so still, als wenn die Pest in allen Gassen hanste."
Und diese trübe Ahnung, die alles Volf ergriffen, wurde nur zu sehr furchtbare Wahrheit.
Der erste Aft des blutig- terroristischen Systems, das Alba einführte, war die Gefangennahme und Hinrichtung der Grafen Egmont und Horn.
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Aber es gab bald mehr Arbeit für den neu errichteten„ Rath der Unruhen" ,, Blutrath", wie ihn das Volk nannte, der von nun an als oberste Instanz Recht" zu sprechen hatte.
Achtzehnhundert zum Schaffot Verurtheilte waren das Ergebniß nur einiger wenigen Monate. Tausende folgten diesen Ersten nach. Und Hand in Hand mit diesen Massenmorden erfolgte eine wahre Plünderung des Volkes.
Ein beispielloses System der Besteuerung preẞte der Masse den letzten Groschen aus; als weitere Einnahmequellen dienten die zahllosen Kezerprozesse, bei denen Spizel der niedrigsten Sorte, damals ,, Siebenstüberleute" geheißen, Handlangerdienſte leisteten.
Und zu diesen unaufhörlichen Greueln des blutigen Friedens die Greuel des Krieges.
Die grauenvolle Einnahme der Stadt Narden, der noch entsetzlichere Fall Haarlems sind nur einige Stationen des Leidensweges, den das Volk der Niederländer sein Henker zu gehen zwang.
Und doch, obschon auch damals, als die Bürger Antwerpens, noch unter Flüchen des Schreckens unter Alba gedenkend, die leblose, starre Statue des Eisernen zertrümmerten, ihn gleichsam in effigie( im Bilde) hinrichteten, die Erlösungsstunde des geknechteten Volkes noch nicht erschienen war, fommen mußte sie, so wahr gegen die trozigen Anmaßungen der Fürstengewalt endlich doch noch eine Hülfe vorhanden, ihre berechnetsten Pläne an der menschlichen Freiheit zu Schanden werden, ein herzhafter Widerstand auch den gestreckten Arm des Despoten beugen kann."
1568 noch ein gefuechtetes Opfer des Despotismus, eines fanatischen Priesterthums, entrechtet und ausgesogen, standen die Niederlande ein Jahrhundert später als stolze Republik, als Hort der Freiheit, Gesittung und Kultur an der Spize des gesammten Europa .
Aus dem Papierkorb der Zeit.
Leuchten von Pflanzen. Elisabeth Linné , die Tochter des großen Naturforschers, bemerkte einst plöglich an den feuergelben Blüthen der Kapuzinerkresse( Tropaeolum majus) ein plögliches Aufleuchten. Der Landsmann des schwedischen Naturforschers, Haggreen, bemerkte an der Ringelblume( calendula officinalis), der Feuerlilie ( Lilium belbiferum) und der Sammt oder Todtenblume( Tagetes patula) dieselbe Erscheinung( 1788). Er erklärte sie als eine elektrische, die sich in den Monaten Juli und August nach Sonnenuntergang bei flarer und trockener Luft einstelle. Goethe beobachtete sie an den Blüthen des Schlafmohns. An der Blüthe des Mohns ( Papaver orientalis) beobachtete sie E. Fries, Professor der Botanik in Upsala. Er holte mehr und mehr Lente als Zeugen, bis 150, von denen nur 3 oder 4 furzsichtige Personen das„ Bligen" aus den Mohnblüthen nicht wahrnahmen.
Dr. A. Nestler in der Umschau".
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