Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

als daß sie mich ungestört ruhen läßt. Mit der Kinderspielzeug und Kinderspiel.

selben Gleichgültigkeit würde ich die Kunde vernehmen, daß ich aufs Schaffot geführt werde. Die Frau ängstigt sich. Es sei doch eine eigene Sache, einen Verbrecher im Hause zu haben, von dem man nicht wisse, was er verbrochen habe. Ein solcher Mensch könne ja in der Nacht das größte Unglück anrichten. Sie spricht leise, und dennoch höre ich jeden Laut. Man hätte mich, sagt sie, nicht bei einer Wittwe einquartieren sollen. Wenn ihr Mann noch am Leben wäre, würde sie sich nicht fürchten, so aber sei ihr ein derartiger Gast nicht gleichgültig. Die Soldaten sprechen ihr Trost zu; ich sei durchaus nicht gefährlich, und außerdem würde ich streng bewacht. Wenn sie es wünsche, so könne man mir ja über Nacht Hände und Füße zusammenbinden. Sie erwidert, daß sie das zwar nicht wünsche, denn um ihretwillen solle ich nicht gequält werden; wenn ich aber ein Verbrecher sei, so müsse ich doch von Rechts wegen gebunden werden. Ohnedies habe sie einen schlechten Schlaf, da sie viel von Zahnschmerzen geplagt werde; diese Nacht aber werde sie garnicht schlafen können. Sie entfernt sich mit dem Bemerken, daß sie das Abendessen bereiten wolle.

Einige Soldaten kommen in die Scheune und ordnen das Lager. Sie glauben, ich schlafe, und sie schonen meine Ruhe. Die Angst der Bäuerin bereitet ihnen Vergnügen; sie machen sich lustig über die Frau und meinen, es müßte ein Hauptspaß sein, sie in der Nacht zu erschrecken. Einer beugt sich über mich und betrachtet mich; dann sagt er: mich zu binden, wäre Unsinn, aber ein Strick zum Auf­hängen würde für mich das Beste sein. Ich will den Mann anreden, finde jedoch weder den Muth, noch die Kraft, meine Ruhe zu unterbrechen, sei es auch nur durch eine Bewegung mit den Lippen. Der Geist aber behält seine lichtvolle Klarheit, seine mächtige Regsamkeit und fühlt sich, während sein Körper elend auf dem Stroh liegt, zu den stärksten Thaten befähigt. Er wendet sich von seiner Um­gebung ab, durchmißt in Sekundenflügen das Weltall und alle Tiefen der Menschenherzen, und wo er haften bleibt zu näherem Schauen, erscheinen ihm die Dinge und die alten Gedanken in so neuem, nie empfundenem Lichte, daß Ursache, Werden und Wesen keine Geheimnisse mehr sind, und wie eine weltumstürzende Erkenntniß überkommt ihn zum ersten Male die Ahnung, daß alles Leben nur ein zweck­loses Spiel sei, das nur ein unwissender Narr ernst nehmen könne- ein tändelndes, nichtssagendes Spiel in der Hand einer unfaßbaren, unergründ= lichen Kraft, die weder Geist noch Gott, noch Natur, noch sonstwie heißt, sondern unnennbar ist. Auf die schwache Seele wirkt die Gewalt dieser Ahnung zermalmend. Sie sieht sich niedergedrückt und los­getrennt von allen ihren Himmeln, die sie kühn ver­leugnen wollte und zu entbehren glaubte, und in denen doch insgeheim ihre tiefste Sehnsucht wurzelte. Sie sieht verloren die märchenhafte ewige Friedens­heimath, von der sich so lieblich träumen, so süß in Empfindungen schwelgen, so rührend schön dichten ließ nach dem zauberhaften Tone der Verszeile: Die Heimath der Seele ist droben im Licht" sie sieht sich ganz auf sich selbst angewiesen, ganz dem blinden Trubel roher Geschickesmächte und dem falten, erbarmungslosen Ewigvernichter Tod preis­gegeben, und im Banne des furchtbaren Gedankens vom Ewigverstoßensein sucht und schreit sie vergebens nach Rettung. Da tritt vor sie hin in milder Hoheit, so wie er immer war, der alte Freund, der Heiland; um seine blassen Lippen spielt ein leiser Hohn; doch die großen, allwissenden Augen brennen in klarem Liebesfeuer. Er berührt seguend meine Stirn, und langsam entschwinden die Bilder der Finsterniß, die der seltsamt erleuchtete Geist mit Grausen entdeckt hat... Goldiges, buntes, himm­lisches Flirren... süße Ruhe... nicht denken, nur schauen... schauen und genießen die liebe Gegenwart des Heilandes... O, so friedlich, so stille..

"

Nicht Pfeif'n rauchen in der Scheuer!" " Ka Furcht, i fumm nit' nein!"

-

Wie von fernher flingts in meinen Traum... ( Fortsetzung solgt.)

Von Dorothee Goebeler.

er Spieltrieb, die Lust, Geist und Glieder zu beschäftigen, ist allen mit seelischen Em­pfindungen begabten Geschöpfen eigen, und je höher entwickelt die geistigen Fähigkeiten des Einzelindividuums sind, desto reizvoller, durchdachter gestaltet sich sein Spiel. Bei den Menschen er= wacht der Spieltrieb, naturgemäß seiner langsameren Entwickelung, später als beim Thier. Tritt er bei diesem indessen fast ausschließlich als eine Be­thätigung von Kraftüberschuß zu Tage, so zeigt er sich bei dem Herrn der Schöpfung" zunächst als Nachahmungssucht.

"

-

-

Sobald das Kind erst einigermaßen Herr seiner Sinne ist, beginnt es die in seinen Gesichtskreis tretenden Erscheinungen zu imitiren. Der Jenenser Pichologe Preyer schildert einen Fall solcher Nach­ahmungssucht, die er bei seinem eigenen Kindchen be­obachtete, in äußerst anmuthender Weise. Er schreibt: So betrachtete das Kind einmal es war noch nicht ganz zwei Jahre alt ein Rothschwänzchen volle zwei Minuten lang und ahmte dann nicht schlecht fünf bis sechs Mal das Piepen desselben nach. Nach drei Tagen wiederholte sich das Spiel. Wieder wurde das Piepen des Vogels reproduzirt, und Nach­mittags nahm das Kind eine roh aus Holz geschnitzte Kuh von der Größe des Rothschwänzchens, ließ die selbe in seiner Hand auf dem Tische hin und her hüpfen, und zwar auf den Füßen, und piepte nun so, wie es beim Anblick des Vogels im Garten gethan."

Wer Gelegenheit hat, sich mit kleinen Kindern zu beschäftigen, wird solche Fälle von spielender Nachahmungssucht oft beobachten können, auf ihr beruht am legten Ende alles Kinderspiel, wie ja denn auch das Spielzeug nichts Anderes als eine Nach­ahmung der Geräthe des wirklichen Lebens ist.

Für den Menschen selbst ist das Spiel der Jugend von großer Bedeutung. Die schönsten Erinnerungen unseres Lebens knüpfen sich an die Tage der Kinder­spiele. Beklagenswerth Der, dessen Jugend nie die Sonne des Spiels gelächelt! Es liegt ein Schatten über seinem Leben; ein Schatten, den selbst das glücklichste Mannesalter nicht wieder hinwegzuscheuchen vermag.

Was das Kinderspiel in unser Herz gepflanzt, bleibt für das ganze Leben darin haiten. Die Freund­scha t, beim Spiel geschlossen, kann zwar durch die Wechselsälle des Schicksals zerrissen werden, immer aber bleibt die Erinnerung an gemeinsam durchlebte Jugendlust ein Schmied, der auch die zerrissensten Freundschaftsketten augenblicklich wieder zusammen reihen kann.

Das Spiel ist als Zeitvertreib den Kindern aller Völker eigen, und es ist merkwürdig, welche Aehn­lichkeit zwischen den Spielen und dem Spielzeug aller Länder und aller Zeiten besteht.

Nehmen wir nur einmal den liebsten Zeitvertreib unserer Mädchen, die Puppe und die Puppenwiege, unserer Mädchen, die Puppe und die Puppenwiege, beide sind über die ganze Erde verbreitet.

Schon die Kinder der alten Griechen spielten mit Puppen, deren Köpfe, aus Holz oder Thonerde hergestellt, bunt bemalt und mit natürlichen Haaren versehen waren. Unter den Merkwürdigkeiten des Junotempels zu Olympia befand sich auch ein kleines, mit Elfenbeinschnißereien verziertes Puppenbett, das ein Spielzeug der Hippodamia gewesen sein soll. Trat die Griechin in das Jungfrauenalter, so opferte fie all ihre Puppen der Aphrodite. Die Dichterin Die Dichterin Sappho schildert ihr eigenes Puppenopfer in einem allerliebsten Gedicht, darin sie fleht, die Göttin möge ihre findischen Geschenke freundlich annehmen, vor Allem die Puppen und auch

"

Die rothen Kopftüchlein der Puppen Verachte nicht, die hab ich, Sappho ,

Geschenkt Dir als nicht unwerthes Geschenk." Auch bei den Egyptern kannte man die Puppe schon in vorchristlicher Zeit. Champollion Figeac fand in einem egyptischen Grabe eine Holzpuppe mit beweglichen Armen, deren Köpfchen noch die Spuren, natürlicher Locken trug, und eine Puppe aus Elfen­bein, einen Schmied darstellend.

391

Ebenso fat man in den Gräbern der alten. Peruaner Puppen und Puppenwiegen; an einer Stelle war die Puppe sogar als regelrechtes Wickelfind herausgeputzt.

Ob die Kinder der Germanen schon mit Puppen spielten, ist nicht mehr genau festzustellen, jeden alls war das Döckchen" aber bereits sehr früh in Deutsch­ land bekannt. Vielleicht haben es die Römer ein­geführt. Im zehnten Jahrhundert bildeten die ge­pusten ,, Docken" das Lieblingsspielzeug der deutschen Mädchen. Die Heldenlieder des dreizehnten Jahr­hunderts schildern mehr ach die Freude der Kinder an ihren Puppen. Im Germanischen Museum zu Nürnberg bewahrt man eine Sammlung kleiner Thon­püppchen in der Tracht des vierzehnten Jahrhunderts, die in Nürnberg unter dem Straßenpflaster gefunden worden sind. Am Brusttheile hat jedes eine Ver­tiefung zur Aufnahme des Pathenpfennigs.

Auch die Kinder der Naturvölker spielen mit Puppen. Die Eskimo- Mädchen erhalten aus Wal­roßzähnen geschnißte Figürchen, die mit Fellen be­kleidet sind. Originelle Puppen verfertigen sich die Kinder der Ostjaken. Sie schnigen dieselben sel st aus Holz und bilden den Kopf aus einem Enten­schnabel. Das Pelzkleidchen imitirt die landesübliche Frauentracht. Auch aus Schwanenschnäbeln werden Puppen geschniẞt.

Die Negerfinder in Zanzibar haben Puppen aus Palmstroh; die kleinen Töchter der Schwarzen in Zentral- Afrika stellen sich die ihren aus alten Flaschen her, schmücken dieselben mit Perlen und tragen ste dann, wie die Negermutter ihr Kindchen, quer über den Rücken gebunden.

Eine ähnliche Verbreitung hatten und haben noch heute die anderen Spielsachen. Die Kinderklapper soll von einem Griechen Archylos erfunden sein, sie war sowohl den Römern wie den germanischen Völkern bekannt. Die Kinder der alten Römer erhielten sie am Tage der Namengebung und trugen sie an einem Schnürchen um den Hals. Die ger­manische Kinderklapper bestand aus zwei birnen­förmigen, aneinander gebackenen Thonhohlkugeln, in denen sich kleine Steinchen befanden. Daß die Schnißbildchen der Pferde, Schweine und Hunde dem alten Europa ebenfalls zum Spielzeug dienten, be= weisen zahlreiche Gräberfunde.

Die Spielwaaren der Chinesen und Japaner entsprechen vielfach den unserigen, manche findet man im himmlischen Reiche sogar in noch großartigerer Ausführung wieder, so z. B. den Papierdrachen und den Kreisel. Das Steckenpferd und die am Stäbchen sich drehende Windmühle sind gleichfalls chinesischer Herkunft, waren in Deutschland aber, wie aus alten Bildern ersichtlich, schon im sechzehnten Jahrhundert bekannt.

Das Murmelspiel dient auch den Kindern der Polynesier als Zeitvertreib, ebenso ist das Ball­schlagen ziemlich über die ganze Welt verbreitet. Perser, Türken und Araber vergnügten sich schon im Mittelalter mit dem Schlagball", von ihnen sollen die Ritter des deutschen Hauses zu Jerusalem den Sport erlernt und dann nach dem Abendland überbracht haben.

Ebenfalls dem Orient gehört unser guter, alter Hampelmann; als 3appelpuppe" belustigt er schon seit Jahrhunderten die Kinder der Eingeborenen von Südindien.

Originelles Spielzeug verfertigt sich die Jugend der Naturvölker.

Die Betschuanen- Knaben verstehen es ausgezeich net, kleine irdene Figuren von Rindern und anderen Thieren herzustellen. Bei den Berabra- Kindern sah der Afrikareisende Hartmann Nachahmungen der Gespensterheuschrecke, die aus je einem gestreckten Reisigstück und zwei Taubenfedern gebildet wurden. Wenn diese Sprengsel, vom Winde getrieben, über den Grasboden hüpften, sahen sie ihrem Urbild täuschend ähnlich. Die Wafamba- Negerfinder in Ost- Afrika unterhalten sich am liebsten mit Zeck­und Versteckspiel. Die Knaben amüsiren sich damit, einen Sorghumhalm in der Asche zu erhizen und ihn dann auf einen Stein zu schlagen, wo er mit lautem Knall zerplaẞt.

Ein außerordentlich spiellustiges Völkchen sind