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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
wurde ein jugendlicher, blonder Mädchenkopf sichtbar. Es war das Stubenmädchen, das an ihre Herrin wegen einer häuslichen Angelegenheit eine Frage zu richten hatte.
,, Gnädige Frau- ich bitte," sagte sie bescheiden. Die Hausfrau wandte sich an ihre Freundin: Du verzeihst- einen Augenblick!" Dann rief sie das Mädchen heran. Als dieses sich nach rascher Erledigung der Sache wieder zurückgezogen hatte, entschuldigte sich Frau v. Hilldorf mit einem leichten Seufzer: Sie ist noch so ungeschickt, weiß sich garnicht zu helfen. Bei jeder Kleinigkeit kommt sie zu mir, sich Nath zu holen. Es ist eine rechte Plage mit ihr."
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" Ja, sie ist noch sehr jung, fast noch ein halbes Kind," antwortete Frau v. Werder. Da läßt sich denken, daß sie in ihren Dienstleistungen noch wenig Gewandtheit besitzt.... Aber hübsch ist sie, fast noch schöner als ihre Vorgängerin."
Frau v. Hilldorf lächelte.
Die Andere blickte sie prüfend an, dann nach furzem Schweigen fragte sie halblaut, mit vertraulichem Tone:
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, Sag doch, Liebe, findest Du es denn nicht bedenklich, immer so bildhübsche Mädchen im Hause zu haben, wenn man einen erwachsenen Sohn hat? Mein Oskar ist sicherlich nicht schlimmer als andere junge Leute seines Alters. Aber ich würde es für ein gefährliches Wagniß halten, unter den Domestiken so hübsche Mädels zu haben. Gelegenheit macht Diebe."
Frau v. Hilldorf antwortete nicht gleich. Sie hielt den Blick gesenkt und zupfte mit nervösen Fingern am Saume ihres Taschentuches.
Endlich erwiderte sie ebenso leise: „ Ich glaube, daß dieses gefährliche Wagniß viel weniger gefährlicher ist, als dessen Unterlassung."
Frau v. Werder blickte sie betroffen an. " Weniger gefährlich?" wiederholte sie langsam und nachdenklich.„ Verzeihe, aber ich verstehe nicht, wie Du das meinst."
Frau v. Hilldorf hustete gezwungen. Dann, mit einem halben Lächeln: ,, Wirklich, ich hätte nicht gedacht, daß Du noch so schrecklich naiv sein könntest. „ Ich
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naiv!" lachte die Andere.
, Gewiß! Du scheinst zu glauben, daß es in unserer Macht liege, gewisse Dinge zu verhindern. Aber das können wir nicht. Niemand kann gegen den Strom schwimmen. Wir Frauen können die Männer nicht ändern, wir Mütter können unsere Söhne nicht anders machen, als die Männer eben find."
,, Du meinst, die Jugend müsse sich austoben?" frug Frau v. Werder.
Frau v. Hilldorf zuckte die Achseln.
Wie mans nimmt. Die männliche Jugend wird sich immer austoben, weil sie dies als ihr Recht in Anspruch nimmt. Die meisten Mitter schließen die Augen dazu und lassen die Dinge gehen, wie sie eben gehen wollen. Das halte ich für ent= schieden unrecht. Wir müssen trachten, dieses Austoben, das wir nicht zu verhindern vermögen, so wenig gefährlich zu machen, als möglich."
" Ja, gewiß, das ist auch meine Meinung," bestätigte Frau v. Werder, obgleich sie noch immer nicht begriff, wohin ihre Freundin eigentlich zielte.
Plößlich verstand sie, und unter der ihre Wangen bedeckenden zarten Puderschicht stieg eine leichte Röthe auf.
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Thorheiten außer dem Hause," ergänzte Frau v. Hill dorf. dorf. Und dann, vor Allem, diese Mädchen sind gesund, und das ist die Hauptsache. Die Gesund heit unserer Söhne ist aber ein Gut, über das wir nicht sorgsam genug wachen können. Ueber dieses Gut zu wachen, ist eine Aufgabe, die unsere Mutter pflicht uns auferlegt."
Frau v. Werder blickte verwirrt zu Boden. Gin Gedanke war in vagen Umrissen durch ihr Gehirn gehuscht. Es fiel ihr ein, daß diese gesunden Mädchen ja auch Mütter haben, und was diese wohl empfinder würden, wenn sie wüßten...
In diesem Augenblick ertönte die telegraphische Klingel der Eingangsthür und eine Minute später trat ein neuer Besuch in den Salon.
Frau v. Werder erhob sich, um zu gehen. Si fühlte sich jetzt nicht in der Stimmung, an eine alltäglichen Unterhaltung theilzunehmen.
Als sie im Vorzimmer vor dem Spiegel ihrer Schleier ordnete, hörte sie aus einem Nebengemacht die voll und wohltönende Stimme des jugendlicher Sohnes ihrer Freundin in fröhlichem Lachen heraus schallen. Dann ging die Thür auf und das hübsche kleine Stubenmädchen glitt wie ein Schatten an ih vorüber in das Mädchenzimmer.
Frau v. Werder konnte mit dem Arrangemen ihres Schleiers nicht zu Stande kommen. Ihr Hand zitterte so sehr, daß sie sich mit der langer Hutnadel wiederholt in die Kopfhaut stach.
Als ihr aber zwei Stunden später, während si nach Erledigung verschiedener Toiletteneinfäufe di Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstieg, ihre Unter redung mit Frau v. Hilldorf wieder einfiel, jag sie sich, daß ihre Freundin doch in der That eir sehr fluge Frau und daß es einer reiflichen Ueber legung werth ſei, ob sie nicht auch den Versu bewahrt vor anderen, vor schlimmeren machen sollte, ihr Beispiel zu befolgen.
, Du meinst, unter zwei Uebeln müsse man das kleinere wählen. Ein Magnet im Hause... Sie stockte.
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Humoreske.( Zu unserem Bilde.) In der halbthierischen Gestalt des bocksfüßigen Pan mit dem gehörnten Kopfe und den langen abstehenden Ohren verehrten die alten Griechen einen Gott der Hirten und Jäger, der in den Wäldern und Bergschluchten, besonders Arkadiens, zu Hause war und, voll toller, lustiger Streiche, von früh bis spät sein weites, grünes Reich durchstreifte.
Bald späht er, ein kühner Kletterer, von hoher Felsen= sprosse nach den Heerden aus, bald schreckt er in der großen unheimlichen Stille des Mittags den einsam seines Weges ziehenden Wanderer- oder aber er lockt durch die süßen Weisen seiner Hirtenflöte die Bergnymphen hervor aus ihren waldigen Verstecken, um sich, nach irgend einer Schönen lüstern, bald selber in den fröhlich- bunten Chor zu mischen. So sehen wir ihn auch bei dem später aufgekommenen Kultus des Dionysos regelmäßig in dem toll ausgelassenen Schwarm der Nymphen und Satyrn( gleichfalls halbthierische Repräsentanten des Naturlebens), die das Gefolge des fröhlichen Weingottes bilden.
Und statt eines Pan begegnen wir ihrer mehreren. Man machte den alten Pan zum Vater zahlreicher männ= licher Nachkommen, die bald selbst wieder nach einer Schönen Ausschau hielten.
Und nun wimmelte es bald von derlei alten und jungen bocksfüßigen Gestalten, die vor Allem in der bildenden Kunst seit jeher eine besondere Rolle gespielt haben. Jetzt aber werden unsere Leser auch verstehen, was es mit dem kleinen, nackten, bocksbeinigen Gesellen auf unserem Bilde für eine Bewandtniß hat.
Um durch ihn die Thorheiten der übertriebenen menschlichen Kultur zu verspotten, die es mit ihren tausenderlei Geboten und Verboten vielfach so weit ge= bracht, daß wir garnicht mehr wissen, was eigentlich Natur ist, darum hat der Maler unseres heutigen Bildes den kleinen haarigen Naturburschen vor solch eine Offenbarung menschlichen Wizzes, vor das Jagdverbot eines hochwohllöblichen Gemeindevorstandes von Posemuckel hingestellt.
Mit großen, verwunderten Augen betrachtet der kleine Pan das großmächtige Gemeindeschild, um daraus zu erfahren, daß es jetzt sogar schon verboten ist, Frösche zu fangen.
Ob er sich freilich um diese Kundgebung einer hohen Obrigkeit fümmern wird?
Ich glaube kaum. Im Gegentheil, er wird dem Herrn Gemeindevorstand Michael Miller eine lange Nase drehen und sein zappelndes Fröschlein für sich behalten vorausgesezt nur, daß der heimliche Vogel in seinem Rücken ihm seine Beute nicht vorher abspenstig macht.
Aus dem Papierkorb der Zeit.
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Aber wenn auch es giebt ja noch mehr Fröschlein im nahen Teich, und auf sein angeſtammtes Jagdrecht, das etwas älter ist als das des Herrn Baron von und zu, wird unser kleiner bocksbeinige Geselle ja sicher nicht verzichten.
Aus den Gesta Romanorum ( Thaten der Römer), einem lateinischen, mittelalterlichen Märchenund Geschichtenbuch. Es gab einen gewissen Kaiser, der ein Gesez festsetzte, daß ein jeder Richter bei schwerer Strafe gerecht richten sollte, und wenn er dagegen thäte, er auf keine Weise Erbarmen finden, sollte. Nun trug sich aber der Fall zu, daß ein Nichter, durch Geschenke bestochen, ein falsches Urtheil fällte. Der Kaiser aber, als er das gehört hatte, befahl seinen Sklaven, ihn zu schinden, und also geschah es. Seine Haut aber legte er auf den Stuhl, auf welchem der Richter ſizen mußte, daß derselbe daran denken sollte und fürder nicht mehr ein falsches Urtheil gäbe. Der König aber machte den Sohn des getödteten Richters zum Richter, indem er zu ihm sprach: Du sollst auf der Haut Deines Vaters sitzen, um über mein Volk zu richten; wenn Dir aber Jemand ein Geschenk bringt, damit Du vom Wege des Rechten abweichen mögest, so siehe Dich nach der Haut Deines Vaters um, auf daß Dir nicht dasselbe begegne.
Josephus berichtet, daß der Kaiser Tiberius , als man ihn fragte, warum er die Statthalter in ihren Provinzen so lange in ihren Aemtern ließe, durch ein Gleichniß antwortete. Ich sah, sprach er, einst einen kranken Mann, der voller Geschwüre war und von Fliegen be= lästigt wurde. Als ich nun vermittelst einer Peitsche die Fliegen von demselben wegtrieb, sprach er zu mir: Du marterst mich auf doppelte Weise, während Du mich zu trösten vermeinst, indem Du die mit meinem Blute angefüllten Fliegen wegtreibst und mir dafür leere und hungrige zurückschickſt. Wer könnte daran zweifeln, daß der Stachel einer hungrigen Fliege zweimal mehr Schmerz verursacht, als der einer gesättigten, wenn er nicht ein Mensch ist, der ein Herz von Stein und nicht von Fleisch hat.
Valerius erzählt, daß, während alle Syrakusaner den Tod des sizilischen Königs Dionisius herbeiwünschten, cine gewisse Frau von außerordentlich hohem Alter in den Morgenstunden die Götter bat, es möchte sie in diesem Leben der König überleben. Dionisius, der sich hierüber verwunderte, befragte sie um die Ursache dieses Gebetes, und sie erwiderte: Als ich noch Mädchen war, hatte ich einen schlimmen Tyrannen, und als ich ihn zu
verlieren wünschte, bekam ich einen schlimmeren. Als i nun wieder diesen los zu werden trachtete, erhielt ich eine dritten, noch schlimmeren. Da ich nun also befürcht daß auf Dich ein noch schlechterer folgt, so bete ich des halb jeden Tag für Dein Leben. Wie das Dionisiu hörte, belästigte er sie fürder nicht mehr.
Auguftinus in seinem Buch über das Reich Gotte erzählt, daß der Seeräuber Diomedes mit einer einzige Galeere lange Zeit hindurch auf dem Meere die Leu ausplünderte und gefangen nahm. Da er nun auf Befel Alexanders, durch viele Schiffe aufgesucht, endlich gefange und dem Alexander vorgestellt worden war, so fragte ih dieser: Warum bist Du ein Feind des Meeres? Jen aber erwiderte sogleich: Warum Du einer des Erdkreises Freilich, weil ich das nur mit einer Galeeré thue, heiß ich ein Räuber; Du aber, der Du die Welt durch ein Unzahl von Schiffen unterjochst, wirst Kaiser genann Im Gegentheil, wenn das Schicksal sich mir günstige zeigen wollte, würde ich mich bessern, Du aber, je glüd licher Du bist, desto schlechter wirst Du. Alexander ent gegnete: Dein Schicksal will ich ändern, damit Dein Bosheit nicht dem Schicksal schuld gegeben werde. Als ward er sehr reich durch ihn und aus einem Räuber einem Fürsten und einem eifrigen Rechtspfleger gemach
Aus dem Notizbuche eines Betrachtenden
Der Schmerz und die Sehnsucht waren es, aus dene fast alle großen Thaten der Vergangenheit geboren worde waren. Die Luft und die Hoffnung werden es sein, dene die Thaten der Zukunft angehören.
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Eine Herrschaft Aller bei gleicher Verantwortlichkei Aller können sich die herrschenden Gesellschaftsklassen nid vorstellen. Aber ein ewiges Sklaventhum der Mehrhe können sie sich viel leichter vorstellen. Warum sollte de Sozialismus unmöglich sein, nachdem doch eine Despot von vielen Jahrtausenden der Vergangenheit möglich war
Nachdruck des Jnhalts verboten!
Alle für die Nedaktion bestimmten Sendungen woll man an Edgar Steiger , Leipzig , Elisenstraße 90, richte Berantwortl. Redakteur: Edgar Steiger , Leipzig.- Verlag: Hamburger Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Auer;& Co., Hamburg.- Druck: Mar Bading, Berlin .
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