Die Feue Welt

Nr. 7

Illustrirle Unterhaltungsbeilage.

Drohende Aussicht.

Der Himmel kreist, dir schwankt das Land, Vom Schnellzug hin und her geschüttelt Saust Hcferrand um Ackerrand,

Ein Frösteln hat dich wachgerüttelt: Die Morgensonne kommt.

Von Richard Dehmel .

Mühsam entstiebt dem Nebelzelt Ein Krähnvolk, herbstlich abgemagert, Indeß sich dick aufs Düngerfeld Der Frührauch der Fabriken lagert: Die Morgensonne kommt.

Vom Horizonte nahn mit Hast Und einen sich zwei Straßendämme, Von Apfelbäumen eingefaßt, Schon matt beglänzt die knorrigen Stämme: Die Morgensonne kommt.

Der Büllnerbauer.

Noman von Wilhelm von Polenz .

( Fortsetzung.)

am näherte sich dem Büttnerschen Hofe. Mit prüfendem Blicke musterte er zunächst die Baulichkeiten. Wohnhaus: Fachwerkbau mit Ziegeldach, konstatirte er. Ställe und Scheune: nur Strohbedachung. Uebrigens schien Alles recht gut in Schuß und wohlgepflegt. Ganz heruntergekommen war der Bauer also noch nicht.

Der Händler trat durch die offene Thür in den Hausflur und flopfte an die Wohnstubenthür. Er traf nur die Bäuerin an, die am Wiegeforbe stand und ihr jüngstes Enkelchen in den Schlaf wiegte.

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Die alte Frau sah den Fremden mit offen stehendem Munde an. Sam trat mit leutseliger Miene auf sie zu und erklärte ihr, er sei ein Geschäfts­freund des Herrn Gutsbesizers Büttner, und er habe sich immer schon die Besizung einmal ansehen wollen. Der Bäuerin imponirte der Aufzug des Fremden, vor Allem eine blizende Nadel in der Kravatte stach ihr in die Augen von Similibrillanten ahnte die gute Frau freilich nichts. Was ihr Mann doch Was ihr Mann doch fiir vornehme Bekannte hatte in der Stadt! Sie lief nach einem Stuhle, troß ihrer rheumatischen Lähme. Aber der Händler kam ihr zuvor. Sie solle sich nur um Gotteswillen nicht bemühen um seinetwillen; wenn der Bauer auf dem Felde sei, wolle er ihn dort aufsuchen, hier im Hause möchte er um feinen Preis Störung verursachen. Es sei Alles draußen, erklärte die Bäuerin, die Weibsen in den Runkeln, Karl beim Kartoffelanfahren und der Bauer ganz draußen am Walde beim Säen.

Der Fremde sah sich im Zimmer um. Er meinte, sie hätten es recht hübsch und gemüthlich hier. Dann untersuchte er die Holzverkleidung der Wand, indem

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1898

Schwarz schiebt sich durch den grauen Flor Ein langer Zug von Schlackenbergen, Schornstein auf Schornstein schnellt empor, Schreckhafte Hüter neben Särgen: Die Morgensonne kommt.

Nun folgt zum andern Himmelssaum Dein Blick den fruchtberaubten Zweigen, Und plötzlich siehst du Baum an Baum Sein brandroth glühendes Laub dir zeigen: Der Tag ist da.

er daran klopfte. Holztäfelung liebe er, das gäbe im Winter ein hübsch warmes Zimmer. Auch den Wandschrank mit den bunten Tellern bewunderte er, von denen er einzelne herabnahm, um sie näher zu betrachten. Es gab nichts, wofür Sam nicht Inter­esse gezeigt hätte.

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Sehr nett, ganz riesig nett hier!" sagte er und lachte die Bäuerin freundlich an. So richtig ehrwürdige patriarchalische Verhältnisse. Ich liebe das! So was hat man in der Stadt nicht."

Die Bäuerin war von solchem Lobe aufs An­genehmste berührt. Sie hielt es aber fiir nöthig, die Beschämte zu spielen. Es sei durchaus nicht schön bei ihnen, behauptete sie, und der Herr sei es gewiß ganz anders gewohnt. Harrassowiß betheuerte dagegen, daß es für ihn nichts Idealeres gäbe, als eine gemüthliche Bauernstube, das gehe ihm weit eine gemiithliche Bauernstube, das gehe ihm weit über sein Comptoir.

Dann näherte er sich dem Kinde im Korbe, schäferte mit dem Kleinen, indem er es unter dem Kinn fißelte und Kss, Ass!" dazu machte, bis das Würmchen vor Vergnügen lachte und das dicke Oberbett von sich strampelte. Er lobte das gesunde Aussehen des Kindes und erzählte, daß er fürzlich eine Tochter verheirathet habe.

Die Bäuerin war völlig gefangen genommen durch das vertrauliche Wesen des Fremden. Daß durch das vertrauliche Wesen des Fremden. Daß man so vornehm und gleichzeitig so liebenswürdig sein könne, war ihr unfaßlich.

Als Sam schließlich erklärte, nunmehr aufs Feld hinaus zu wollen, bat sie ihn, doch ja wieder zu tommen, und geleitete ihn humpelnd bis vor's Hof­thor, um ihm den Weg zu weisen.

Er traf zunächst auf die Frauen in den Rüben. Sie standen in der Furche und behackten die Pflanzen. Die Hacken flogen nur so in den fleißigen Händen. Von hinten sah man die drei gebückten Rücken und

unter den kurzen Röcken die sechs bloßen Waden. So standen sie in einer Reihe, wie ausgerichtet, nebeneinander.

Sam war auf weichem Wiesenpfade ungehört bis dicht an die Frauen heran gekommen. Jetzt blieb er stehen und versenkte sich in den Anblick. Er nahm Alles mit.

Endlich räusperte er sich. Sofort standen die drei Hacken still, die drei Köpfe wandten sich nach ihm um. Sam stand lächelnd vor den Frauen, breitbeinig, mit vorgestrecktemt Leibe, auf seinen furzen, frummen Beinen. Guten Tag, meine Damen!" sagte er. Es sei heute recht warm und sie sollten sich nur nicht überanstrengen.

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Therese, die älteste und redefertigste von den Dreien, meinte, er solle lieber selber die Hacke zur Hand nehmen, dann würde er vielleicht etwas von seinem Fette kommen; aber von ordentlicher Arbeit verstehe er wahrscheinlich nichts.

Die beiden Mädchen, Toni und Ernestine, ficherten zu der schlagfertigen Rede der Schwägerin. Sam nahm die Bemerkung scheinbar nicht frumm; lächelnd erwiderte er, er habe einen anderen Beruf als Rüben­hacken erwählt. Dann fragte er nach dem Büttnerbauer.

Die Frauen musterten den Aufzug des Fremden mit beobachtenden Blicken. Im hellen Tageslichte besehen, zeigte es sich, daß sein Hemdkragen nicht vom Reinsten, und daß auf seiner hellen Weste ver­schiedene Fettflecke seien. Toni war ein harmloses Geschöpf und viel zu phlegmatisch, um sich mit Kritisiren abzugeben. Aber Therese und die kleine Ernestine waren um so scharfängiger. Kaum war er außer Hörweite, so hielten sie sich über seinen häßlichen Mund, den der rothe Bart nicht genügend deckte, auf, über seine Dachsbeine, ja selbst die ver­steckte Listernheit seines Wesens war ihrem weib­lichen Scharfblicke nicht entgangen.