Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Die Bäuerin nickte ihm zu, ermuthigte ihn: ,, Nimm's ack, Mann! nimm's ack an! Der Herr meent's gutt mit uns ne wohr?"
Der Bauer streckte die Hand aus und wollte nach dem Gelde greifen.
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" Halt! Noch eine kleine Formalität!" meinte Harrassowiß lächelnd und legte schnell sein Taschenbuch auf die Scheine. Nur der Ordnung wegen! Wir stehen allzeit in Gottes Hand und wissen nicht, wie schnell wir abgerufen werden können. Dann fehlt es nachher an einem Belege. Das wollen wir doch nicht! Nicht wahr?"
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Er hatte dem Taschenbuche einen schmalen, bedruckten Zettel entnommen. Tinte und Feder ist wohl im Hause?" Karl wurde beauftragt, das Gewünschte zu schaffen. Ordnung muß sein in Allem. Das ist man sich als reeller Geschäftsmann schuldig." Sam füllte das Formular mit einigen Federzügen aus. Also, ich schreibe Mark vierhundert. Es ist doch recht so?" Niemand antwortete; der Bauer athmete so schwer, daß man es durch das ganze Zimmer vernahm. Dann bitte ich nur hier zu unterschreiben," sagte der Händler, stand auf und reichte dem Alten die Feder.
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Der Büttnerbauer stand eine Weile da, den Zettel drehend und wendend; mit hilflosen Blicken sah er Frau, Sohn und den Händler an.„ Lesen Sie nur erst, Herr Büttner!" mahnte Harrassowiz. ,, Ungelesen soll man nichts unterschreiben." Der Bauer hielt das Papier mit zitternden Händen weit von sich ab und studirte lange." Nur keine Sorge, mein Guter; es ist Alles drin, was drin sein muß," wizelte Sam. Die ganze Geschichte ist in bester Ordnung. Bequemer kann ich's Ihnen nicht machen.. Hier, das Geld! Sie bekennen: Werth in Baar empfangen zu haben und mir die Summe am ersten Oftober dieses Jahres zurückerstatten zu wollen. Da fällt die Ernte dazwischen, bedenken Sie das! Koulantere Bedingungen kann ich nicht stellen. Das Papier hier brauche ich zu meiner Sicherung. Eine leere Formalität, weiter nichts, aber sie ist nun mal nöthig. Also, bitte!" Der Alte überlegte noch immer. Seine arbeitenden Züge ließen auf den schwersten Seelenkampf schließen.
Sam nahm eine finstere Miene an.„ Ich glaube Ich glaube gar, Herr Büttner traut mir nicht!" sagte er zu der Bäuerin. In diesem Falle nehme ich mein Geld lieber zurück. Aufdrängen will ich mich nicht, nein! Ich dachte nur, ich könnte dem Herrn eine Gefälligkeit erweisen. Aber, wenn er nicht will..." Mit seiner roth behaarten Hand griff er bereits nach den Scheinen.
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Traugott!" rief die Bäuerin und stieß ihren Mann in die Seite. Bis ne verricht! Unterschreib ack das Briefel!" Dann zog sie ihn am Aermel, und raunte ihm zu:„ Ar wird glei biese warn, wenn De no lange machst."
Sie reichte ihm selbst die Feder.
" Hier bitte, an dieser Stelle, Herr Büttner!- Weiter rechts!.... Hier!.... Blos den Namen." Der Händler wies mit dem Finger genau auf den Fleck.
Und so unterschrieb der Bittnerbauer den Wechsel.
VIII.
Pauline ließ volle vierzehn Tage ins Land gehen, ehe sie der Aufforderung von Komtesse Ida, sie im Schlosse aufzusuchen, nachtam. Sie wäre möglicher Weise überhaupt nicht dorthin gegangen, wenn nicht ihre Mutter sie unausgesetzt dazu angetrieben hätte.
Eines Nachmittags also zog sie ihr Kirchenkleid an und setzte den neuen Hut auf, den sie sich von Gustavs Gelde angeschafft hatte. So ging sie in ihrem Feiertagsstaat nach dem Schloſſe.
Die Herrschaft Saland lag ungefähr eine halbe Stunde Wegs von Halbenau entfernt. Ein eigentliches Dorf war nicht vorhanden; aber das Schloß mit seinen Nebengebäuden bildete an sich einen stattlichen Häuserkomplex. Ein ausgedehnter Park mit Rasenplägen, Teichen, Gebüschen und Baumgruppen umgab das Herrenhaus. Die eigentlichen Grenzen dieses Parkes waren kaum festzustellen, da er sich in die ausgedehnten Wälder der Herrschaft verlief. Pauline ging auf der großen Heerstraße, die
unfern vom Schlosse vorüberführte, hin. Sie bog nicht in den breiten Fahrweg ein, der sich in Schlangenlinien durch den Park zog, und schließlich über einen jetzt trocken gelegten Wallgraben vor das Portal des Schlosses führte. Sie wählte vielmehr einen schmalen Seitenpfad. Das Mädchen war mit den Gebräuchen und Sitten des gräflichen Haushalts, bekannt. Sie wußte, daß gewöhnliche Leute vom Kastellan garnicht erst zum vorderen Portal eingelassen wurden. Für Ihresgleichen gab es einen besonderen Eingang durch das Hinterportal. Sie wollte auch zunächst nur die gräfliche Wirthschafterin besuchen, Mamsell Bumille, die mit ihrer Mutter gut bekannt war und die sie selbst auch kannte von jener Zeit her, wo sie auf dem Hofe gearbeitet hatte. Mit Mamsell Bu mille wollte sie erst Rücksprache nehmen und hören, ob Komtesse Ida überhaupt anwesend und ob sie allein sei. Das Mädchen war sich noch garnicht im Reinen darüber, ob sie den Besuch bei der Komtesse nicht schließlich doch unterlassen solle.
So näherte sie sich auf Seitenpfaden dem Schlosse, einem mächtigen Steinviereck mit hohen, kahlen Wänden, kleinen, weißeingerahmten Fenstern und einem flobigen Thurm, der jäh aus einer Ecke aufsprang, wie ein schützender Riese. Von geschmackvoller Gliederung war an diesem Bau nichts zu spüren, aber das Ganze wirkte durch seine Masse und Wucht imponirend.
Dem Mädchen klopfte das Herz gewaltig. Der Anblick des Schlosses hatte immer etwas Erdrückendes für sie gehabt. Daß es auch nur ein Bau sei, von Menschen aufgeführt, zur Behausung für Menschen bestimmt, nur größer und fester als ihre armselige Hütte, ein solcher Gedanke war ihr noch nie gekommen. Das Schloß war eben das Schloß für sie. Seinesgleichen gab es nicht auf der Welt, und seine Bewohner waren höhere Wesen, die mit gewöhnlichen Sterblichen zu vergleichen ihr nicht im wöhnlichen Sterblichen zu vergleichen ihr nicht im Traume eingefallen wäre.
Der hintere Thorweg war offen. Pauline gelangte durch eine gewölbte Einfahrt in den viereckigen Schloßhof, der mit großen Steinplatten ausgelegt war. Die Innenwände des Schlosses waren von hundertjährigem Ephen bis zum dritten Stockwerk dicht überzogen. Nur die Fenster wurden freigelassen von dem dunkelgrünen Gerante. Dicht am Erdboden zeigten diese Epheustöcke einen Durchmesser von Armesstärke. Ueber Thüren und Fenstern waren Hirschgeweihe von beträchtlicher Endenzahl angebracht. Ein Paar dorische Säulen, die das Portal flankirten, trugen einen steinernen Löwen, der in aufrechter Haltung dräuend das gräfliche Wappen in seinen Vorderpranken hielt.
Pauline kreuzte diesen Hof. Sie wagte nicht links noch rechts zu blicken, ihr war zu Muthe, als sei sie auf verbotenen Wegen.-Gott sei Dank, Niemand begegnete ihr! Dann schlüpfte sie durch eine fleine Pforte in einer Ecke des Hofes, die, wie sie wußte, auf den Küchengang führte. Hier stand sie nun klopfenden Herzens und wartete, bis Jemand von dem Gesinde sie bemerken würde.
Ein Mädchen, das aus der Küche kam, sah sie stehen und forschte, was sie hier wolle. Pauline fragte in schüchternem Tone nach Fräulein Bumille. Die Bedienstete klopfte an die nächste Thir." Mamsell, hier is Jemand, der zu Sie will!" Die Wirthschafterin erschien in der Thür, die Oeffnung mit ihrer stattlichen Figur nahezu ausfüllend.
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Katschners Pauline!" rief sie.„ Sieh eins an! Na, Mädel, läßt Du Dich auch mal wieder blicken? Ich sagte noch gestern oder wars vorgestern sagte ich: was nur mit der Pauline sein mag. Und Stomtesse Ida hat auch schon befohlen, wenn Pauline Statſchner kommt, soll sie gleich zu ihr geführt werden, nämlich zur gnädigen Komtesse. Na, da komm' mal ' rein zu mir, Mädel!"
Die Dame faßte Pauline ohne Weiteres an der Schulter und schob sie in das Zimmer, dessen sich Pauline von früher her recht gut entsann; es war die„ Mamsellstube". Pauline mußte sich seßen und erzählen. Für die Bumille war der Klatsch Lebensbedürfniß. Sie interessirte sich mit seltener Weitherzigkeit für die intimen Verhältnisse von Jeder mann; am liebsten freilich hörte sie Liebesgeschichten.
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In der herrschaftlichen Küche stand Tag ein, Tag aus eine Kaffeekanne am Feuer. Die Mamsell wußte nur zu gut, welch zungenlösende Wirkung dieser Trank besonders auf ihr Geschlecht ausübt. Auch vor Pauline wurde heute eine Kanne aufgesetzt, nebst Kuchen, der ebenfalls für solche Gelegenheiten stets vorräthig war.
Vor
Nun wurde das Mädchen ausgefragt. Allem mußte sie über ihren Gustav berichten, ihren , Bräutigam", wie die Mamsell sich gewählt ausdrückte. Was er treibe und ob er viel an sie schreibe. Die Bumille ging in ihrer Theilnahme so weit, zu forschen, ob Pauline etwa Briefe von ihm bei sich habe, und schien zu bedauern, als Pauline das verneinte. Ob sie denn auch sicher sei, daß er sie heirathen werde, fragte sie schließlich. Pauline erröthete und meinte mit gesenkter Stimme, sie glaube es.
Die Bumille war eine große, wohlbeleibte Frauensperson. Ihren grauen Scheitel deckte eine weiße Haube mit lila Bändern. Das Meiste an ihr und um sie, von diesen Bändern anzufangen, trug das Gepräge des Hängenden. Die Säcke unter den runden Augen, die schlaffen Lippen zwischen bauschigen Wangen, das Unterkinn, der Busen furz, Alles an dieser Person zeigte das Bestreben, sich in schlaffer Fülle bodenwärts zu senken.
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Uebrigens wiesen ihre Züge den Ausdruck ungemachter Gutmüthigkeit auf. Sie sprach mit etwas schwerer Zunge, was ihren Nedeeifer aber keineswegs beeinträchtigte. Mit erstaunlicher Gedächtnißstärke, besonders für unwichtige Dinge, schien sie begabt und von ungewöhnlichem Interesse für die Geheimnisse Anderer erfüllt.
Nachdem sie aus Pauline alles Wissenswerthe herausbekommen, rief sie das Küchenmädchen herbei. ,, Von dem Dessert einpacken! Mandeln und Nosinen, Chokolade kann auch dabet sein!" befahl sie.„ Für den kleinen Gustav was zum Knabbern," fügte sie in leutseligem Tone hinzu.
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Die Bumille war bekannt ob ihrer Freigebigkeit. Für Bettler und Landstreicher war Schloß Saland ein wahres Eldorado oder, wie es in der Vagabundensprache heißt: eine„ dufte Winde", wo anständig „ gestochen" wurde. Es war bei Mamsell Bumille Gesez, Niemanden unbeschenkt von dannen ziehen zu lassen, so erforderte es die Ehre eines herrschaft lichen Haushaltes. Almosengeben armet nicht!" war ihr Lieblingswort. Und da sie die Freigebigkeit nur auf Kosten ihrer Herrschaft ausübte, traf das Sprichwort bei ihr auch wörtlich ein.
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Pauline wurde mit einer großen Düte, angefüllt mit Süßigkeiten, die sie in ihre Rocktasche versenken mußte damit die Herrschaften nichts merkten" entlassen. Sie bekam auch Grüße für ihre Mutter mit, die sollte die Wirthschafterin doch bald einmal besuchen. Eine Zofe, von denen es in diesem Hause eine Menge zu geben schien, wurde angewiesen, Pauline zu der Komtesse zu führen, deren Zimmer sich im ersten Stockwerk befand.( Fortsetzung folgt.)
Die Pariser Februar- Revolution 1848.
Im Hochland fiel der erste Schuß, Im Hochland wider die Pfaffen! Da tam, die fallen wird und muß, Ja, die Lawine tam in Schuß
Dret Länder in den Waffen!
Schon kann die Schweiz von Siegen ruh'n: Das Urgebirg und die Nagelfluh'n Bittern vor Luft bis zur Krone. Freiligrath.
as einzige deutsche Land, das sich bis in die neueste Zeit altgermanische Rechts- und Staatsgrundsäße erhalten hat, die Schweiz , hat die Lawine der großen europäischen Umwälzung von 1848 ins Rollen gebracht. Schon die Jahre vorher war verschiedene Male zu den Waffen gegriffen worden, um die klerikale Reaktion unschädlich zu machen, die in dem sogenannten Sonderbund der Urkantone Schwyz , Uri und Unterwalden mit Luzern , Freiburg und Zug, zu denen 1845 noch Wallis trat, vom Herbst 1843 ihre politische Verkörperung