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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Peter Nhyner aus Glarus   maß 190 Centimeter und befand sich bis zum 36. Jahre in bester Gesundheit; dann krankte er acht Jahre bis zu seinem Tode, und während dieser Zeit wuchsen ihm übermäßig Hände und Füße, besonders Finger und Zehen; Blutleere und Ohnmachten waren nicht selten. Solche Niesen formen treten natürlich auch bei Thieren auf. Auf der letzten Landesausstellung in Genf   befand sich ein Niesenochse" des Freiburger Fleckviehes, der bei seiner Geburt bereits 87 Kilo wog. Die Ent­wickelung ging so rasch vor sich, daß er nur zwei Jahre zur Zucht verwendet werden konnte. Zur Zeit der Ausstellung war er acht Jahre alt und sein Lebendgewicht betrug bei einer Widerristhöhe von zwei Meter 1850 Kilo. Er wurde noch über­troffen von dem 1877 in London   ausgestellten, der ein Lebendgewicht von 2000 Kilo besaß.

Aus der Betrachtung großer Messungsreihen von Menschen, also etwa einer Million einer Alters­klasse, ergiebt sich mit mathematischer Bestimmtheit, daß eine gewisse fleine Zahl von Zwergen und Riesen vorkommt. Unter 45 421 in 1875 der Ober­ersagkommission in Bayern   vorgestellten Militär­

pflichtigen gab es nur 43 zwerghafte Gestalten unter 140 Centimeter, aber nur 4 von auffallender Körper­größe, 3 mit 190, 1 mit 192 Gentimeter. Die bekannte Zwergin Miß Millie reichte dem Riesen Thomas Haster nur bis an das Knie, und der Riesin Marianne Wehde Taille war so hoch, wie der Scheitel eines mittelgroßen Mannes. In einer Familie im indischen Madras wuchsen die Knaben stets nur bis zum sechsten Jahre, während die Mädchen sich normal entwickelten. Deshalb glaubte der englische   Arzt Dr. Grant daselbst, daß die Familie mit Duchesne's Paralysis( Lähmung) be­haftet war. Eine polnische Adelsfamilie hatte unter ihren Kindern drei Zwerge, zwei Söhne von 34 und 28 Zoll und eine Tochter von 21 Zoll. Noch fleiner war ein 37 Jahre alter Engländer; er maß nur 16 Zoll. Wie sich bei Zwergen Alter, Gewicht und Größe ausnehmen, zeigt das Folgende:" General Mite", 16 Jahre alt, wog 6,57 kilo, war groß 82,4 Centimeter; 82,4 Centimeter; Miß Millie", 12 Jahre alt, wog 6,6 kilo, war groß 72 Gentimeter; Prin­zessin Pauline", 9 Jahre alt, wog 4 kilo, war groß 53 Centimeter.

Manche Zwerge befizen bei der Geburt normale Größe, und erst im Verlauf der Kinderjahre tritt die Wachsthumshemmung ein. Eigentliche Zwerg­familien giebt es nicht, da bei solchen ausgesprochenen 3vergen die Fortpflanzungsfähigkeit entweder voll­ständig fehlt oder eine sehr beschränkte ist. Kinder aus männlichen und weiblichen Zwergen waren bisher nicht bekannt, und daher ist der anfangs dieses Auffages erwähnte Fall so überaus wichtig. Zum Schluß möchte ich noch eine kurze Notiz über das Nahrungs­bedürfniß der Zwerge machen. In dieser Beziehung machten Joh. Ranke und C. v. Voit an dem General Mite" genaue Studien. Verglichen mit dem er­wachsenen Menschen, erwies sich dessen Nahrungs­bedürfniß überaus groß. So geringfügig auch die in 24 Stunden aufgenommene absolute Menge von festen und flüssigen Nahrungsbestandtheilen ist, so übertrifft sie doch, auf gleiches Körpergewicht ge­rechnet, bei Weitem das Quantum, welches ein normal großer Mann genießt. Reduzirt auf jedes Kilo Körpergewicht nahm der Zwerg beinahe doppelt so viel Eiweiß und zweieinhalb Mal so viel stick­stofffreie Substanz zu sich, als ein normaler Arbeiter.

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Aus dem Papierkorb der Zeit.

Carne vale.  ( Zu unserem Bilde.) In aller Welt, Mensch, was soll denn das wieder einmal bedeuten?" rief ich aus, als ich gestern Nachmittag bei meinem Freunde Tippel ins Zimmer trat und ihn unter die neueste Aus­geburt seiner Phantasie in zierlichen Lettern sein Carne vale! schreiben sah.

Was das bedeuten soll?" fragte er ganz erstaunt. " Ja, wie soll ich denn das wissen!"

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,, Na, da hört sich denn doch Verschiedenes auf," ent­gegnete ich ihm entrüstet. Wenn die Herren Künstler von heutzutage glauben, daß sie dem Publikum jedweden Unsinn für geniale Gedankenarbeit anbieten dürfen, kann nächstens jeder Esel zu Pinsel und Palette greifen und seinen Unverstand in Bild und Farben wiedergeben." Bitte!"

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" Nein, durchaus nicht. Oder Du mußt doch wenigstens sagen können, wie Du auf diese neueste, absonderliche Idee gekommen bist."

,, Aha, wie ich darauf gekommen bin? Siehst Du, das klingt schon ganz anders. Und dieses Wie" will ich Dir gern erzählen.

Es war gestern Maskenball, der letzte vor der tristen Fastenzeit, an deren Eingangsthor in großen Lettern die trübe Inschrift steht: Carne vale  , Ade Fleisch und Fleisches­luft! Und wenn ich auch nicht zu jenen Frommen ge= höre, die von heute ab in Sack und Asche Buße thun, so zog es mich doch ebenso stark wie sie nach den glän= zenden Sälen des" Elysiums", um dort im bunten Ge= wirr der tausend und abertausend glänzenden Masken für wenige Stunden nur des Erdendaseins Last und Mühsal zu vergessen.

Und das war ein Leben, ein Tanzen, Springen, Aus= gelassensein, daß Einem das Herz aufging, so voll, und der Beutel, so leer er war. Aber gezecht wurde darum doch und getollt bis zum frühen Morgen.

Es war gegen sechs Uhr früh, als ich mich endlich einsam und allein auf den Heimweg machte. Rings in den Gassen, die ich heintlich zu meiner Wanderung be= muzte, braute dicht über der kalten Erde ein weißer, feuchter Nebel, und weil ich vermeinte, darin wie in einem Moor zu versinken, hob ich ein Bein nach dem anderen hoch empor, daß ich mir endlich einbildete, ein langſtelziger Storch zu sein, der bedächtig sein sumpfiges Revier durchschreitet.

Und diese Vorstellung wurde so mächtig in mir, daß sie mich bis in meinen langen, schweren Morgentraum verfolgte.

Aber anstatt des Nebels sah ich auf einmal tausend und abertausend weiße Masken mich umgrinsen; die dehnten sich aus vor meinen Blicken wie der Sand an ferner, einsamer Küste.

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Und Der fie in immer neuen Schaaren, in immer dichteren Mengen an den Strand warf, war ein dunkles, tobendes Etwas- das Meer des Lebens, das nichts weiß von buntem Tand und fröhlich- tollem Maskenspiel. Aber mich kümmerte es nicht; ich stand erhaben über seinem Grollen stolz und gravitätisch da, bis mich auf cinmal ein weißes Federvieh ich glaube eine Gans- aus meinem Sinnen weckte.

Die schnarrte und schnatterte auf mich ein, wie gestern Abend meine alte Tante, die außer sich gerathen war, daß ich auf auf einen Maskenball, zu solch einem sündhaften Vergnügen ausziehen wollte.

Aber je mehr die Dicke vor mir zeterte und schimpfte, desto behaglicher wurde mir zu Muthe, und um sie zu

ärgern, ließ ich am Ende gar einen Heiligenschein über meinem Scheitel gaufeln.

Da wurde aus der Schnatterstimme auf einmal eine wirkliche Menschenstimme, und wie ich erschreckt die Augen aufriß, stand meine dicke, fromme Tante im weißen Morgenhabit vor mir und schimpfte und wetterte über meine Faulheit.

Und nun wußte ich, wer die Gans gewesen war; und Carne vale  ! schrie ich die Tante an, daß sie sofort auf und davon floh, und sprang aus dem warmen Bett, um meinen tollen Traum zu Papier zu bringen.

Und da hast Du ihn; er mag schon ein bissel verrückt ausschauen; aber ich denke, den Kindern des Karnevals, der übermüthigen Faschingslaune wird man denn doch etwas zu Gute halten."

Voltaire über die Gotteslästerung. Im vierten Bande seines Dictionnaire philosophique erörtert Vol­ taire   in einem längeren Aufsatz Wesen und Geschichte der Gotteslästerung. Manche von seinen Ausführungen sind so zutreffend und interessant, wie auch für die milde, vor­urtheilsfreie Denfart einer Zeit, auf die heute so viele mit Stolz und Verachtung herabblicken zu dürfen glauben, charakteristisch, daß sie wohl die Wiedergabe eines furzen Auszugs aus dem Aufsatz in freier Uebersetzung zu rechtfertigen vermögen.

Auf die Gotteslästerungen, die in der Trunkenheit, im Zorn, im Uebermuth, im Gifer eines unbedachten Gesprächs begangen werden, sind von den Gesetzgebern viel zu geringe Strafen gefeßt. Der Verfasser der in­stituts au droit criminel bemerkt zum Beispiel, daß die französischen   Gesetze eine erstmalige Gottes lästerung mit einer Geldbuße ahnden, die im Wiederholungsfalle, beim dritten und vierten Male verdoppelt, verdreifacht und vervierfacht wird. Beim fünften Rückfall wird der Schuldige an den Pranger gestellt, beim sechsten stellt man ihn gleichfalls an den Pranger und reißt ihm die Oberlippe mit einer glühenden Zange ab. Beim siebenten Rückfall wird ihm die Zunge ausgerissen. So will es das Gesetz vom Jahre 1666.

Die Strafen sind fast stets willkürlich bemessen; dies ist ein großer Mangel in der Rechtsprechung. Indeß läßt dieser Mangel andererseits der Gnade, dem Mitleid freien Spielraum und dieses Mitleid verbürgt eine strenge Gerechtigkeit, denn es wäre entsetzlich, eine jugend­liche Aufwallung mit Strafen zu belegen, wie sie Gift­mischer und Vatermörder erdulden. Ein Todesurtheil für ein Vergehen, das nur einen Verweis verdient, ist ein mit dem Nichtschwert begangener Mord. Es ist wohl nicht überflüssig, zu versichern, daß, was in dem einen Lande Gotteslästerung war, im anderen oft als Frömmig= feit galt. Nehmen wir an, ein Kaufmann aus Tyrus  sei in Kanopus gelandet und habe Aergerniß daran ge= nommen, daß man einen Vogel, eine Katze, oder einen Bock in feierlichem Aufzuge einhergetragen und verehrt habe. Vielleicht hat er auch ungeziemlich von Isis, Osiris   oder Horus   gesprochen, oder den Kopf weg­gewendet, oder sich nicht beim Aufzuge der Prozession mit dem Phallus auf die Kniee geworfen. Er sagt beim Essen seine Meinung offen heraus; er singt ein Lied, in dem tyrische Matrosen mit den egyptischen Albernheiten ihren Spott treiben. Eine Aufwärterin hört ihm zu; ihr Gewissen erlaubt ihr nicht, ein so furchtbares Ver­brechen zu verschweigen. Sie zeigt den Schuldigen sofort

bei dem ersten Richter an, der das Bild der Wahrheit auf der Brust trägt. Der Gerichtshof verurtheilt den tyrischen Gotteslästerer zu einem schimpflichen Tode und konfiszirt sein Schiff.

In Tyrus   wird dieser Kaufmann als einer der frömmsten Männer Phöniziens   angesehen worden sein!

Numa Pampilius weiß, daß sein kleines Häuflein Römer eine Flibustierbande ist, die rauben, wo sie können und was sie finden- Rinder, Hammel, Geflügel, Weiber. Er theilt ihnen mit, daß er die Nymphe Egeria in einer Grotte gesprochen habe und daß sie ihm Gesetze von Jupiter überbracht habe. Die Senatoren behandeln ihn zuerst als Gotteslästerer und drohen ihm an, ihn vom tarpeischen Felsen hinabzustürzen. Numa verschafft sich einen mächtigen Anhang. Er besticht die Senatoren, die mit ihm die Grotte der Egeria besuchen. Sie spricht zu ihnen und bekehrt sie. Sie bekehren Senat und Volk. Bald ist Numa fein Gotteslästerer mehr: Dieser Name wird denen zu Theil, die die Existenz der Nymphe bezweifeln.

Es ist recht betrübend, daß das, was in Nom, in Loretto, im Bereich der Domherren von San Gennaro Gotteslästerung ist, in London  , in Amsterdam  , in Stock­ holm  , in Berlin  , in Kopenhagen  , in Bern  , in Basel  , in Hamburg  , als Frömmigkeit gilt. Es ist noch betrübender, daß man sich in demselben Lande, in derselben Stadt, in derselben Straße gegenseitig als Gottesläßterer behandelt.

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Giebt es denn unter den zehntausend Juden in Ront auch nur einen einzigen, der nicht den Papst als Ober­haupt der Gotteslästerer betrachtet? Und glauben nicht die hunderttausend Christen, die Nom an Stelle der zwei Millionen Verehrer des Jupiter, die dort zur Zeit Trajans lebten, bewohnen, daß die Juden sich Sonn abends in ihren Synagogen versammeln, um Gottes­lästerungen auszustoßen? Man klagte die ersten Christen wegen Gotteslästerung an aber die Bekenner der Religion des alten römischen Kaiserreichs, die Ver= ehrer des Jupiter, die die ersten Christen der Gottes= lästerung ziehen, wurden endlich unter Theodofius dem Zweiten selbst als Gotteslästerer verfolgt. Dryden sagt: " So wills Parteiengeist! Von blinder Wuth entflammt Verdammst Du heut den Feind, bist morgen selbst verdammt!"

Schnißel.

Der Eigennut spricht jede Sprache und spielt jede Rolle, selbst die der Uneigennüßigkeit.

Die Verachtung des Neichthums war bei den Philo= sophen ein verborgener Wunsch, ihr Verdienst, an der Ungerechtigkeit des Schicksals sich durch Verachtung eben der Güter zu rächen, die es ihnen versagte. Es war ein Geheimniß( Geheimmittel), sich vor den Demüthigungen der Armuth zu schützen. Es war ein Umweg, um zu dem Ansehen zu gelangen, das sie durch Neichthum nicht besitzen konnten. De la Rochefoucauld  .

Nachdruck des Inhalts verboten!

Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Edgar Steiger  , Leipzig  , Elisenstraße 90, richten.

Berantwortl. Rebatteur: Edgar Steiger  , Leipzig  . Verlag: Hamburger Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Auer& Co., Hamburg.- Druck: Max Bading, Berlin  .