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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

magnaten waren in alter Zeit die trotzigsten und prozigsten Ausbeuter und Gegner des Volkes und, 3. B. bei Gelegenheit der sogenannten Bauernbefreiung, der Regierung und der Krone, wenn sie ihnen nicht zu Willen waren. Ihre Erben lassen ihre Abstammung deutlich genug erkennen.

Daher kommt es, daß der oberschlesische Industrie­bezirk, obgleich er eben ein Industriebezirk ist, dennoch zu den rückständigsten und traurigsten Gegenden Deutsch  lands gehört. Auf der Armuth, Dummheit und Un­freiheit einer hunderttausendköpfigen Proletariermasse beruht der schwindelnde Neichthum einiger wenigen Leute, die aus Ueberfluß nicht wissen, was sie be­sitzen und wie sie ihr Einkommen verzehren sollen, während Die, die ihnen eine solche Eristenz ermög­lichen, oft aus Mangel nicht wissen, wovon sie leben sollen.

Auch das ist ein wichtiger Unterschied zwischen dem Einst und dem Jezt des oberschlesischen Industrie­bezirks.­

Die Geschichte des Wagens.

Von P. M. Grempe.

ie ersten Vorrichtungen zur Fortbewegung von Lasten waren Schleifen oder Schlitten. Diese Fuhrwerke ohne Räder wurden aus parallelen Hölzern, die durch Querverbindungen ihren Halt erhielten, hergestellt. Die den Boden berührenden Seiten der Kufen wurden geglättet und später mit Eisen beschlagen. Dieses primitive Beförderungs­mittel diente besonders den alten Egyptern zur Fort­bewegung ihrer kolossalen Steinfiguren. Zur Ver ringerung der bedeutenden Reibung, die das Schleifen verursacht, wendete man geeignete Schmiermittel an. Später verwendete man freisrunde Walzen, die unter die Schlitten gelegt wurden.

Durch Vergrößerung der Walzen und durch An­bringung einer Achse, um welche die Walzen gedreht wurden, entstand das Räderfuhrwerk. Die Zeit der Erfindung des Räderfuhrwerks läßt sich nicht genau ermitteln; wahrscheinlich kannte man es schon zwei Jahrtausende vor Christi Geburt. Die älteste Form dieser Fuhrwerke dürfte der zweirädrige Kriegswagen sein, der mit einer Lenkstange versehen war und von zwei Zugthieren( Pferden) gezogen wurde. Jeden­falls dürften diese Kriegswagen gemeint sein, wenn es in der Bibel heißt: Pharao   nahm sechshundert Wagen und was sonst von Wagen in Egypten war." Derartige Fuhrwerke erhielten schon frühzeitig an Stelle der vollen Scheiben Räder, die sich aus Nad­franz, Speichen und Nabe zusammenseßten. fiir Lastfuhrwerke blieben die vollen Scheibenräder der zweirädrigen Wagen lange Zeit im Gebrauch. König Salomo benußte beim Tempelbau Lastwagen mit etwa 725 Millimeter hohen Rädern, deren Achsen, Naben, Speichen und Felgen gegossen waren.

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Nur

Die Streitwagen der alten Griechen waren durchweg zweirädrig; aus der Iliade geht aber her­por, daß Lastfuhrwerke mit vier Rädern bereits im Gebrauch waren.

Die Perser versahen ihre zweirädrigen Kriegs­wagen mit scharfen Eisen, um so die sich dem Wagen entgegenstellenden Feinde zerfleischen zu können; sie schmückten aber auch derartige Schlachtwagen mit vielen Zierrathen. Der Wagen Darius III  . war bunt bemalt, mit Gold und Silber verziert und mit kostbarem Riemenzeug ausgestattet. Vierrädiige Wagen dienten im persischen Heere zur Beförderung der Führer und der Frauen. Ein besonders pracht voller Wagen mit vier Rädern diente zum Transport des Leichnams Alexander des Großen von Babylon nach Alexandrien  . Dieser Wagen war mit einem gewölbten Dach versehen, welches auf sechzehn jonischen Säulen, die auf dem Wagenkasten befestigt waren, ruhte. Vier Deichseln mit je vier Jochen

dienten zur Bespannung; da jedes Joch für vier Maulthiere eingerichtet war, so kamen vierundsechzig dieser Zugthiere zur Verwendung.

Die Triumphwagen der römischen Feldherren waren zweirädrig und hatten eine runde, geschlossene Form; eine Thür diente zum Einsteigen. Diese Wagen waren an den Wänden mit Gold, Silber oder Edelsteinen geschmückt, hin und wieder auch mit Schnißereien aus Elfenbein verziert. Zur Be­spannung wurden meist Pferde von weißer Farbe genommen; der Triumphwagen des Kaisers Gordianus wurde dagegen von vier Elephanten gezogen. Als Prachtwagen zur Beförderung von zwei bis drei Personen hatte das zweirädrige Carpentum weite Verbreitung gefunden. Es war ein fastenförmiger Wagen mit Baldachin und wurde von Maulthieren gezogen. Während dieses Gefährt noch von hinten bestiegen werden mußte, war das ebenfalls zwei­rädrige Cisium ohne Bedachung so eingerichtet, daß rädrige Gisium ohne Bedachung so eingerichtet, daß der hinten geschlossene Wagenkasten von vorn zu besteigen war. Die gallische Rheda war ein vier­rädriger Wagen, der zur Beförderung mehrerer Per­sonen diente, der aber auch mit einer Decke versehen werden konnte und dann meist als Fracht- und Heer­wagen für Personen und Gepäck benutzt wurde. Die reich verzierten Wagenseiten ließen zwischen zwei Rädern einen tiefen Einschnitt zum Einsteigen offen. Eine Abart dieser Wagen war die Garruca, welche gewöhnlich nur für zwei Personen Plaz bot und als Luruswagen reich mit edlen Metallen geschmückt war. In der Kunst des Wagenbaues hatten es die Römer so weit gebracht, daß sie vierrädrige Kasten­wagen zum Transport von Kranken herstellten und im Innern mit Polstern versahen; sie hatten Korb­wagen zur Beförderung von Personen, auch kannten sie Last- und Leiterwagen zur Fortschaffung von Fässern und anderen Gegenständen.

In Byzanz finden wir am Ende des vierten Jahrhunderts n. Chr. zweirädrige Wagen im Ge brauch, die mit einem Verdeck aus Teppichen ver= sehen waren. Vom Kaiser Percadius wird berichtet, daß er seinen Wagen von zwei auserlesenen Maul­thieren, die vollständig weiß und mit Gold überdeckt waren, ziehen ließ, und daß der aus lauter gediegenem Golde gearbeitete Wagen die Bewunderung aller Zuschauer erregte. Man staunte die purpurfarbenen Vorhänge an, den weißen Teppich, die Edelsteine und die goldenen Platten, die, durch das Fahren zitternd bewegt, einen hellglänzenden Schimmer aus­strahlten.

Die Beförderungsmittel der fränkischen Könige waren dagegen höchst einfach; sie bestanden meist aus einfachen Karren mit Ochsengespann. Wird doch noch von Karl dem Großen( 768-814) berichtet, daß er sich eines einfachen Wagens, der mit vier Ochsen bespannt war und durch einen nebenher gehenden Treiber geleitet wurde, als Beförderungsmittel sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande bediente. Der König Johann von England benutzte im Jahre 1200 einen zweirädrigen Wagen, dessen Kasten ohne Federn auf der Radachse festsaß, dessen Räder aus einem freisförmigen Holzstücke gefertigt und mit Schnitzereien verziert waren; der Wagen wurde von einem Pferde gezogen, während der Führer nebenher schritt.

Weite Verbreitung fanden im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert die vierrädrigen Verdeck­wagen, die theilweise durch eine Mittelwand in ein Abtheil für Frauen und in ein solches für Männer gefchieden waren. Diese Fuhrwerke wurden auch wohl ganz mit Leder überspannt hergestellt, wobei dann die gewölbte Decke und die Seitenwände an den Kanten durch große messingene Nägel mit dem Kastengerippe verbunden wurden. Wohlhabende Per­Kastengerippe verbunden wurden. Wohlhabende Per­sonen ließen das Wagengestell mit vergoldeter Bild­hauerarbeit versehen und häufig Dach und Wände des Fuhrwerkes aus Seidenstoffen oder kostbaren Goldstoffen anfertigen.

Die Benutzung des Wagens für den Personen­

transport wurde durch die Einführung des Riemen gehänges wesentlich gefördert. Bisher waren nämlich die Wagenkasten   unmittelbar auf den Nadachsen be­festigt, so daß alle Stöße und Erschütterungen unver­mindert übertragen wurden. Während bereits in Jahre 1568 der Herzog Wilhelm von Bayern seiner Braut einen solchen in Riemen aufgehängten Wagen schenkte, müssen diese Wagen in Frankreich   erst be­deutend später Eingang gefunden haben; wurde doch noch 1610 Heinrich IV  . in Paris   in einem Wagen ermordet, der diese wichtige Einrichtung zur Ver­minderung der Erschütterungen nicht aufzuweisen hatte.

Sie

Verschiedentlich erließen auch einzelne Fürsten gegen die Benutzung der Wagen Verbote, so Philipp II. von Pommern   im Jahre 1608. Beckmann erwähnt, daß den Lehnsherren nämlich zu sehr daran gelege!: war, daß ihre Vasallen zu allen Zeiten gleich zu Pferde dienen konnten, als daß sie das Fahren im prächtigen Wagen hätten begünstigen sollen. sahen voraus, daß der Adel sich dadurch des Neitens entwöhnen und zum Kriegsdienste unfertiger und ungeschickter machen würde. Diener, Männer und Frauen, Weltliche und Geistliche ritten auf Pferden oder Mauleseln, und Frauen und Mönche noch be­quemer auf Eselinnen. Der Minister ritt zu Hofe, und sein Pferd ging allein, ohne Führer, zu seinem Stalle zuriick, bis es ein Bedienter wieder nach Hofe brachte, um den Herrn abzuholen."

Im Jahre 1643 veranstaltete der Herzog August in der Stadt Wolfenbüttel   nach dem Abzuge der Desterreicher einen Festzug, bei dem eine ganze Reihe mehrspänniger Kutschen zur Verwendung fam. Bald famen Kutschen auf, deren Wagenfasten aus einem Rundbau bestand; die obere Hälfte der Seitenwände wurde mit Glasfenstern versehen und diese in luxuriöse Rahmen gefaßt.

Dem Unternehmer Nicolaus Sauvage gebührt das Verdienst, als Erster in Paris   im Jahre 1650 Wagen und Pferde zum beständigen Vermiethen bereit gehalten zu haben. Da das Gebäude, in dem er Remise und Stallungen hatte, den Namen des heiligen Fiacre( Königs der Schotten im siebenten Jahrhundert) trug, nannte man nachher alle Per­sonen, die öffentliches Fuhrwerk unterhielten und auch bald die Wagen selbst, Fiacres". Ein solcher Fiacre. bot damals sechs Personen Plaz, doch mußte an jeder Seitenthür eine Person, das Gesicht nach außen gekehrt, ſizen. In London   führte schon fünf­undzwanzig Jahre früher ein Seeoffizier Mieth­futschen ein, die Hachneys genannt wurden und deren Vermehrung im Jahre 1635 Karl I  . verbot, da sie den Straßen und Gemeindewegen schädlich und ge= fährlich gewesen wären.

Am Ende des siebzehnten Jahrhunderts kamen die sogenannten Berliner  " auf. Der Wagenkasten  dieser Wagen hatte vier Size und hing nicht nur in Riemen, sondern hatte auch hölzerne oder stählerne Federn zur Abschwächung der Erschütterungen. Mehr und mehr kamen nunmehr die eisernen Gestell­konstruktionen auf, die in England eine so eigen­thümliche Form erhielten, daß sie im Jahre 1799 wie folgt beschrieben wurden: Die neuesten eng­lischen Kutschen hängen so außerordentlich hoch, daß ein dreimal sich ausschlagender Fußtritt erforderlich ist, um hinauf zu kommen. Verhältnißmäßig siẞt auch der Kutscher   so hoch, daß er beinahe in die erste Etage eines Hauses sehen kann und gewiß den Hals bricht, wenn er herunterfällt."

Eine wichtige Verbesserung war die Einführung der Räder mit Gummireifen, wodurch die Erschütte­rungen der Wagen bedeutend vermindert werden. In Anbetracht der großen Kosten dieser Gummireifen sind aber derartige Wagen verhältnißmäßig selten anzutreffen. In lezter Zeit hat man versucht, Wagen mit pneumatischen Gummireifen an den Rädern ein­zuführen; die Versuche haben ergeben, daß derartige Wagen 1/3 bis 1/2 weniger Reibung verursachen, als solche mit gewöhnlichen Nädern.-