Die reue Wel
Nr. 25
( Fortsetzung.)
Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
r lief die Treppe hinab. Die Hausthür war nur angelehnt. Dabei war der Aufseher der Einzige, der einen Hausschlüssel führte, und er hatte am Abend abgeschlossen. Aber natürlich, Häschke hatte da mit dem Nachschlüssel gearbeitet! Alle hintergingen ihn. Seine eigene Frau wußte Seine eigene Frau wußte von der Liebschaft.
Namenlose Wuth überkam ihn. Wenn er die Beiden jetzt traf!... Er stürmte blindlings in der Richtung vorwärts, wo er sie hatte verschwinden sehen. Aber er hatte zu viel Zeit vertrödelt; sie waren bereits verschwunden, Troß der tageshellen Beleuchtung konnte er das Paar nirgends entdecken. Er nahm auf gut Glück einen Feldweg an, auf dem er sie vermuthete.
Er hätte es sehen müssen, längst! Sogar Pauline wußte ja darum, schien sogar unter einer Decke mit den Beiden zu stecken; das wurmte ihn am meisten. Wer weiß, wer da Alles noch eingeweiht war! Er war der Einzige, der nichts gemerkt hatte, er war der Dumme! Ein schöner Aufseher war er!- Wo hatte er denn seine Augen gehabt?
Er stürmte auf dem Feldwege immer weiter. Bei einer Wegekreuzung wurde er zum Stillſtehen und Ueberlegen gezwungen. Er mußte sich sagen, daß er der Beiden auf diese Weise schwerlich habhaft werden würde. Wo konnten sie hin sein? Er sann nach. Wo gab es denn in dieser Gegend ein passendes Versteck?-Halt, da war's: Der Schuppen! Halt, da war's: Der Schuppen! Dort waren sie und nirgends anders! Daß ihm das nicht gleich eingefallen war!
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Der Schuppen war ein alter, baufälliger Kasten, mitten im Felde gelegen. Er diente dazu, allerhand Ackergeräthe zu bergen und den Feldarbeitern, wenn sie plöglich von Unwetter überrascht wurden, Obdach zu gewähren.
Gustav war seiner Sache sicher. Er glaubte bestimmt, die Beiden dort anzutreffen, und spornte seine Schritte zur größten Eile an. Bald lag der Schuppen vor ihm, hell vom Mondlicht beleuchtet; ungesehen heranzukommen war unmöglich.
Er war nur noch wenige Schritte von dem Gebäude entfernt, als sich die Thür öffnete. Ein bärtiger Kopf erschien für einen Augenblick und fuhr blizschnell zurück.
Mit einem Saße war der Aufseher an der Thür und wollte sie aufreißen. Er stieß auf Widerstand. Bon drinnen wurde zugehalten. Gustav legte sich gegen die Thür. Umsonst! Er rief: man solle ihm aufmachen. Drinnen wurde geflüstert, aber eine Antwort kam nicht, und geöffnet wurde auch nicht.
Da überkam ihn der Zorn. Er trat einige Schritte zurück, nahm Anlauf und warf sich mit der ganzen Wucht seines Körpers gegen die Thür. Die
Der Büttnerbauer.
Roman von Wilhelm von Polenz .
Haspen sprangen aus dem dünnen Mauerwerk, das morsche Holz barst, die ganze Thür fiel in Stücken zusammen. Der Aufseher war im Schuppen.
Die drei Menschen standen einander gegenüber, keuchend, die Männer kampfbereit, jeder den Angriff des anderen erwartend, das Mädchen erschrocken sich an den Geliebten klammernd.
Es kam auf eine Kleinigkeit an, und hier wäre Blut geflossen. Gustav befand sich in wilder Er regung. Eine drohende Bewegung des Gegners, ein regung. Eine drohende Bewegung des Gegners, ein Wort des Widerspruchs, und er hätte zugeschlagen.
Aber Häschte, der die Lage schnell erkannte, hiitete sich wohl, den Anderen zu reizen. Mit Ernestinens Bruder in Frieden auszukommen, war jedenfalls räthlicher, als es auf einen Kampf ankommen zu lassen. Er ließ Kopf und Arme sinken, stand vor dem Aufseher mit der Miene des ertappten Sünders.
Der Schlaufopf hatte richtig gerechnet; Gustav war durch die nachgiebige Haltung entwaffnet.
Aber irgend etwas mußte geschehen, das fühlte Gustav deutlich. Er fing an zu fluchen; die Beiden standen wie unter einem Hagel. Der Geist seines Baters war über den jungen Menschen gekommen; er stieß Schimpfreden und Flüche aus, die er als Kind, wie oft, aus dem Munde des Alten ver nommen hatte.
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Die
Das Mädchen fand zuerst Worte der Erwiderung. Sie wären nicht schlecht, und sie hätten nicht Böses gethan; sie seien ordentliche Liebesleute". gethan; sie seien ordentliche Liebesleute". Worte flossen dem kleinen Dinge auf einmal äußerst beredt von den Lippen. Häschke brauchte garnichts zu sagen; er hörte mit Staunen, wie sie seine eigenen Gründe, die sie noch vor Kurzem bestritten, jezt mit Gifer gegen den Bruder in's Feld führte. Wie schnell diese Frauenzimmer lernten!
Gustav rief ihr zu, sie sei ein dummes Mädel! und die Liebesgedanken werde er ihr schon austreiben. Die Schwester lachte ihm in's Gesicht. Kein Mensch könne ihnen verbieten, sich lieb zu haben, am wenigsten er; er habe es ihnen ja vorgemacht.
Gustav war starr über die Unverfrorenheit des fiebzehnjährigen Dinges. Er fühlte, daß er mit solchem Mundwerke schwerlich fertig werden würde. Ohne sich auf eine Widerlegung einzulassen schrie er sie an: Jezt kommst Du mit mir! Marsch! Ich wer' Dich"... Damit nahm er sie am Arme und führte sie zur Thür, wie eine Gefangene. Häschte folgte. So schlugen sie den Heimweg ein.
"
,, Laß mich ack gihn, Gustav!" sagte Ernestine nach einiger Zeit; der Bruder hielt ihr Handgelenk in seine Faust gepreßt, wie in einen Schraubstock. „ Ich lof' Der nich dervon. Ich ha' ja nischt Un recht's nich gethan!"
Er ließ ihren Arm fahren. Sie schritten weiter
1898
neben einander her. Gesprochen wurde lange Zeit nichts zwischen den Dreien.
Gustav's Zorn war längst verraucht. Die natürliche Gutmüthigkeit hatte die Oberhand gewonnen. War es denn wirklich so schlimm, was die Beiden gethan hatten?
Häschte mochte etwas von der Wandlung ahnen, die in dem Sinne des Anderen vor sich gegangen. Er nahm das Wort, erklärte, daß er Ernestinens Bräutigam sei und daß sie sich heirathen wollten.
Gustav meinte darauf nur: Das kenne er schon! Wer weiß, wie vielen Mädeln Häschte bereits die Ehe versprochen habe, Er müsse doch verrückt sein, wenn er seine Schwester einem solchen Vagabunden zum Weibe gebe.
Man war inzwischen in die Nähe der Kaserne gekommen. Möglichst geräuschlos stiegen sie die Treppe hinauf. Häschke schlich sich in die Männertammer. Gustav nahm die Schwester mit sich in die Aufseherwohnung. Dort wartete ihrer Pauline mit besorgter Miene.
Der Aufseher war unwirsch, er gab seiner Frau keine Antwort auf ihre Fragen.
Die beiden Frauen wechselten einen Blick des Einverständnisses, den der Mann nicht bemerkte.
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Die Verstimmung dauerte ein paar Tage; Gustav sprach nicht mit Häschke, die Schwester behandelte er wie die schlechteste seiner Arbeiterinnen. Des Nachts stand er zwei-, dreimal auf, untersuchte den Männerschlafsaal, horchte an der Thür der Mädchen.
Am meisten hatte Pauline unter seiner Laune zu leiden. Sie sei mit den Beiden im Bunde, behauptete er. Von irgend welchen Erklärungen und Entschuldigungen wollte er nichts wissen. Wenn man ihm sagte, Häschte meine es ehrlich und werde Ernestinen heirathen, bekam er einen rothen Kopf und schrie die Leute an: er kenne Häschtekarin, er habe drei Jahre mit ihm gedient; auf Weiteres ließ er sich nicht ein.
Mitten in diese Erregung fiel ein Brief aus der Heimath, von Frau Kaschner an Pauline. Die Wittwe schrieb:
Liebe Tochter!
Ich ergreife die Feder, um Dir zu schreiben. Hier ist es jetzt sehr einsam ohne Euch und gehen allerhand Dinge vor sich. Die gnädige Herrschaft aus Berlin sind wieder auf dem Schlosse mit den gnädigen Kontessen und Fräulein Bumille habe ich auch besucht und läßt Dich schön grüßen. Kontesse Wanda ist nun richtig versprochen mit ihrem Bräutigam neulich ist er auch schon in Saland gewesen bei ihr. Er ist ein kleiner Mann,