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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
der Bräutigam, die Wanda ist nicht hübsch mit ihm, sagt Fräulein Bumille, wir freuen uns aber sehr, daß es ein Prinz ist. Die Hochzeit soll allerdings großartig und sehr fein werden, sagt Fräulein Bumille, mit Essen und Trinken natürlich da soll nichts abgehen und Herrschaften aus Berlin und die hohen prinzlichen Verwandten und Freund schaft. Wir werden da etwas zu sehen bekommen und das ganze Dorf wartet schon darauf im Herbst soll es sein. Nun muß ich Dir noch etwas Anderes sagen, nämlich dem Traugott Büttner haben sie doch den Hof weggenommen und das ganze Gut, was die Gläubiger sind. Und die alten Leute sind nun ganz alleine, weil daß doch die Toni weg is, nach Berlin sagen sie, aber kein Mensch weiß was von der Toni schreiben thut se nich. Die Leute reden alles Mögliche! Ihren Jungen hat fie zu Therese gegeben was auch nich schön is die Leute haben sich alle gewundert. Karl und Therese sind nämlich jetzt in Wörmsbach, die haben's doch auch nicht dazu. Den alten Leuten natürlich geht es nicht gut Traugott Büttner is so stille und simelirt in einer Dur die Leute sagen es wäre nicht richtig mit ihm, sprechen sie. Allerdings hat er viel Summer und Herzeleid erlebt und ärgern hat er sich auch sehr müssen. Die Bäuerin ist sehr geringe geworden, so geringe, wie die Frau is! Ich sagte über Buschlobeln am Sonntag sagte ich: Die löscht aus wie ein Licht, habe ich gesagt. Sie hat schon das Wasser in den Beinen und zu beißen und zu brechen haben sie allerdings auch nichts auf dem Bauerngute, weil ihnen doch Herr Harrassowiz alles weggepfändt hat. Ueberhaupt die Ochsen hat der auch weggenommen, das kannst Du Guſtaven sagen. Die Not is groß wenn nicht gute Menschen helfen, wissen wir nicht was der liebe Gott noch verhängen mag über die armen Menschenfinder. Die Büttners was die alten Leute sind waren doch immer so fleißige und ordentliche Leute, das sagt ein jeds und nu sowas zu erleben! Die Leute sagen auch hier im Dorfe, daß sich Kaschelernst schämen müßte denn der soll doch bloß den Bauern reingebracht haben und kein anderer. Ich schließe hiermit und wünsche daß es Euch immerdar gut gehen möge und alle gesund bleiben wie es mir auch geht Deine liebe Mutter.
Clementine Katschner."
Der Brief machte Eindruck auf Alle, die ihn lafen. Die Nachrichten aus der Heimath waren spärlich geflossen. Der Büttnerbauer nahm die Feder ungern zur Hand, zu allerlegt gewiß zu einem Briefe.
Gustav hatte sich viel mit geheimen Sorgen um den Vater und seine Angelegenheiten getragen. Die legten Ereignisse waren von ihm ja vorausgesehen worden. Aber nun kam die schwere Erkrankung der Mutter noch zu allem Jammer hinzu.
Der Vater um Haus und Hof gebracht! Die alten Leute gänzlich allein in ihrer Noth!- Es war ein Elend, wie es größer nicht sein konnte!
Frau Katschner's beredter Brief machte die Runde bei den Familienmitgliedern. Man sprach über die Vorgänge in der Heimath und berieth, was geschehen solle. So wurden die Zwistigkeiten, die eben noch geherrscht hatten, in den Hintergrund gerückt.
Man kam zu dem Schlusse, daß es das Beste sei, den Eltern eine Summe Geldes zu schicken. Sie legten zusammen von ihren Ersparnissen. Auch Häschtekarl bat, beisteuern zu dürfen. Sein Geldstück wurde nicht abgewiesen.
Gustav erlebte noch eine besondere Genugthuung: als unter den Mädchen bekannt geworden war, wie schlecht es den Eltern ihres Aufsehers gehe, sammelten auch sie, ganz im Stillen, unter sich und brachten ihm eines Tages ein ganz stattliches Sümmchen, das er mit nach Halbenau an die alten Leute schicken möge.
Eine Versöhnung fand nicht statt zwischen Gustav und Häschke. Aber mit der Zeit sprach der Aufseher doch wieder mit dem Geliebten seiner Schwester.
XXV.
Die Büttnerbäuerin war gestorben. In den letzten Tagen hatte sie über unerträglichen Frost
geklagt; der Bauer mußte des Nachts bei ihr liegen, jeden Sonnenblick gewesen; von den Kindern aus um die Erkaltende zu wärmen.
Eines Mittags, als der Bauer vom Felde zurück kehrte, fand er sie auf dem Gesichte liegend, mit ausgebreiteten Armen. Er faßte sie an; sie war falt. Mehrere Stunden mochte sie wohl schon so gelegen haben. Keine Spur von Lebenswärme war mehr an dem steifen Körper zu entdecken. Die eine Gesichtsseite hatte sich bläulich verfärbt.
Der alte Mann stand wie erstarrt vor der Leiche seiner Lebensgefährtin. Er warf sich nicht über die Todte, liebkoste nicht die leblose Hille. Und doch hatte er sie geliebt mit echter starker Liebe. Wie im Leben, hielt sich auch dem Tode gegenüber sein Gefühl fern von Ueberschwang. Gefühl fern von Ueberschwang. Es hatte Tage gegeben, wo die Gatten kaum ein Wort miteinander gewechselt. Wochen und Monde waren vergangen ohne Kuß und Umarmung. Harte Worte von Seiten des Mannes, Thränen auf Seiten der Frau waren nichts Seltenes gewesen. Und doch hatte innige Treue die beiden Menschen verbunden, wie ein unsichtbares Band. Unter rauhen Formen wurde diese Liebe gewahrt, als etwas Stilles und Keusches, von dem man nicht viel Aufhebens macht, weil es so selbstverständlich war.
Der Bauer blieb sich treu in seiner schlichten Gesinnung für die Lebensgefährtin, bis zum Lezten. Keine Klage, fein Haarausraufen, als er jetzt vor ihrer Leiche stand. Ein tiefer Seufzer und ein paar Thränen, die ihm über die Wangen liefen, ohne daß er es recht wußte; das war Alles.
Dann machte er sich daran, für die Entschlafene zu thun, was noch für sie gethan werden konnte. Er drückte ihr die Augenlider herab, hob den schweren Körper aus dem Bette, reinigte die Leiche und kleidete sie in ein frisches Hemd.- Alles, ohne eine Spur von Grauen vor der greifbaren Nähe des Todes zu empfinden. Dann ging er in's Dorf, meldete den Tod beim Standesbeamten an, bestellte den Sarg und besprach im Pfarrhaus den Tag der Beerdigung mit dem Geistlichen.
Der Leichenzug fiel über Erwarten stattlich aus, Jung und Alt betheiligte sich, Kränze waren ge= spendet worden, aus freien Stücken trug ein Gesangspendet worden, aus freien Stücken trug ein Gesang verein eine Arie am offenen Grabe vor.
Es zeigte sich, daß die Büttner'sche Familie doch noch manchen Freund besaß in Halbenau. Es fam in dieser auffälligen Theilnahme etwas wie Demonstration zum Ausdruck. Das Schicksal des Büttnerschen Bauerngutes hatte Aufsehen erregt und Manchen, der auf überschuldetem Grund und Boden saß, mit Bangen erfüllt, daß es ihm früher oder später auch so ergehen möge. Am Bieten hatte man sich zwar eifrig betheiligt, als das Bauerngut zerkleinert wurde; aber es gab doch nur wenig Leute in Halbenau, die nicht in ihrem Herzen für den bankerotten Bauern gewesen wären, gegen seine Ausbeuter. Dieses Gefühl, das sich offen nicht hervorwagte, machte sich in Ehrenerweisungen für die verstorbene Bäuerin Luft.
Man war gespannt, ob Kaschelernst zur Beerdigung erscheinen werde. Aber der schlaue Kretschamwirth mochte etwas von der Stimmung, welche im wirth mochte etwas von der Stimmung, welche im Dorfe herrschte, gewittert haben, er kam nicht. Er hatte Ottilie entsendet, die einen Kranz auf den Sarg legen mußte.
Hinter dem Sarge schritt der Wittwer, neben ihm Therese und Karl. Das war Alles, was von der ehemals zahlreichen und angesehenen Büttner= schen Familie jetzt noch in dieser Gegend übrig war.
Der Pfarrer ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, die Herzen zu rühren. Er war ein alter Praktikus, und wußte, daß außergewöhnliche Unglücksfälle nahezu die einzige Gelegenheit sind, wo man den harten Bauerngemüthern beikommen fann.
Karl Büttner schluchzte wie ein kleines Kind. Bei dem alten Manne schien der Thränenquell versiegt zu sein. Der Geistliche sprach von ihm, als von Einem, mit dem Gott der Herr besondere Dinge vorhaben müsse, da er ihm so harte Prüfung auf erlege, wie einstmals dem Hiob . Wenn er aber dem unerforschlichen Rathschlusse des Herrn stille halte, werde er auch wieder zu Ehren gebracht werden, wie dieser Knecht Gottes. -
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der Fremde war Geld gekommen und Briefe. Fast zur nämlichen Zeit hatte auch Toni, die bisher wie verschollen gewesen, wieder einmal geschrieben und gleichfalls Geld geschickt.
Was Toni schrieb, war zum Theil nicht recht verständlich; die Schreibfunst war nie dieses Mädchens starke Seite gewesen. Sie wäre nicht mehr Amme, theilte sie mit. Welcher Art ihre Lebensstellung sei, war nicht gesagt. Aber sie mußte doch wohl ihr Auskommen haben, sonst würde sie nicht haben viel abgeben können. Für ihr Kind, das bei Theresen untergebracht war, schickte sie auch etwas mit.
Nachdem das Begräbniß vorüber war, kehrte Alles schnell in die alten Geleise zurück. Aeußerlich merkte man kaum, daß eine Lücke entstanden war.
Der Bauer ging Tag für Tag seiner gewohnten Arbeit nach. Er mußte Alles in Allem sein; zur Feldbestellung kam auch jetzt noch die häusliche Arbeit. Der Ersparnisse halber machte er nur noch einmal am Tage Feuer. Er nährte sich schlechter als das Vieh, lebte von altem Brot, das er trocken verzehrte, und kalten Kartoffeln. Fast nie kam ein herzhafter Bissen auf seinen Tisch.
Dabei arbeitete der alte Maun angestrengter denn je. Es war, als ob er irgend etwas in sich betäuben wolle durch die Anstrengung.
Mitten in der Nacht stand er manchmal auf, wenn man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte, zog sich an, nahm Hacke, Sense oder ein anderes Werkzeug auf die Schulter und ging damit auf's Feld hinaus.
Es litt ihn nicht daheim; ohne Menschen war das Haus wie eine Todtenkammer. Er war gewiß nicht furchtsam von Natur, hatte sich niemals vor Gespenstern gefürchtet; aber jetzt überkam es ihn manchmal wie Grauen. Die Erinnerung an vergangene bessere Zeiten sprach aus jedem Winkel. Die Gedanken an das, was gewesen, was nie wiederkehren konnte, waren die Gespenster , die hier umgingen. Vor dem, was sein eigenes Hirn ausbrütete: den Vorwürfen, den betrogenen Hoffnungen, den Selbstanklagen, floh der alte Mann. Er rannte hinaus auf den Acker wie ein Besessener, hackte, wühlte dort, als wolle er etwas einſcharren, etwas, das er verbergen mußte vor den eigenen Augen.
Bei solchem Hundeleben verfiel der Körper des Greises mehr und mehr; er war nur noch ein Skelett. Das Haar stand ihm in langen grauen Strähnen um den Kopf. Sich den Bart abzunehmen, lohnte nicht mehr. Die nächste Folge davon war, daß er Sonntags nicht mehr in die Kirche kam. Denn unrasirt sich in der Kirchfahrt blicken lassen, war für einen Halbenauer undenkbar.
Bald führte er ein vollständiges Einsiedlerleben. Die einzigen lebenden Wesen, mit denen er noch etwas zu thun hatte, waren die beiden Kühe, die Harrassowiß auf dem Hofe gelassen hatte. Menschliche Gesichter wollte er so wenig wie möglich sehen. Er hatte wohl das dumpfe Gefühl, hervorgewachsen aus der eigensten Erfahrung, daß die größte Unbill, das schwerste Unrecht dem Menschen nur vom Menschen zugefügt wird. Er haßte seinesgleichen und hielt sich von jeder Berührung mit dem feindlichen Geschlechte fern. Bot ihm Jemand einen Gruß, dann stellte er sich taub. Und wer ihn etwa anredete, konnte erleben, daß er statt Antwort zu erhalten, den Rücken des Alten zu sehen bekam.
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Was eigentlich in der Seele dieses Mannes vorgehe, wußte Niemand. Der Pastor machte ihm einige Zeit nach dem Begräbniß der Bäuerin seinen Besuch an einem Sonntag- Nachmittage. Er fand den Bauern im Werkeltagskleide im Hofe, mit einer Arbeit beschäftigt. Das wäre in früheren Zeiten. auch nicht passirt! Der Pfarrer drückte ein Auge zu über die Sonntagsarbeit und betrat mit dem Alten die Wohnstube.
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Der Hirt verstand es, das Gespräch gar bald auf geistliches Gebiet hiniiberzuleiten. Das Elend, in dem sich der ehemalige Gutsbesizer jetzt befand, gab dem Seelsorger Anlaß, auf die Nichtigkeit alles Irdischen hinzuweisen und den Sinn auf die ewigen Giiter zu richten. Der Geistliche errinnerte den Die letzten Tage der Bäuerin waren nicht ohne Bauern auch an sein Alter, und daß er vielleicht