Diceue Weh
Nr. 26
( Fortsetzung.)
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Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
am wußte nur zu gut, daß der alte Büttner sich lieber das Herz aus dem Leibe würde Preißen lassen, als daß er die Stelle verlassen hätte, die seine Vorfahren besessen, die er selbst durch ein Leben inne gehabt. Die Angst, vom Hofe getrieben zu werden, band den Alten wie ein ungeschriebener, aber darum nicht minder wirksamer Kontrakt an den neuen Besizer des Bauerngutes.
Es war eine Art von Leibeigenschaft. Und gegen dieses Joch waren die alten Frohnden, der Zwangsgesindedienst, die Hofegängerei und alle Spann- und Handdienste der Hörigkeit, unter denen die Vorfahren des Büttnerbauern geseufzt hatten, federleicht gewesen. Damals sorgte der gnädige Herr immerhin für seine Unterthanen, mit jener Liebe, die ein kluger Haushalter für jedes Geschöpf hat, das ihm Nußen schafft, und es gab manches Band gemeinsamen Interesses, das den Hörigen mit der Herrschaft verband. dieser modernen Form der Hörigkeit aber fehlte der ausgleichende und versöhnende Kitt der Tradition. Hier herrschte die parvenuhafte Macht von gestern progig und frivol, die herzlose Unterjochung unter die kalte Hand des Kapitals.
Man mußte dem Händler Gines lassen: er arbeitete geschickt, mit„ Diskretion", ja mit einer gewissen Eleganz. Sam besaß das Talent seiner Nasse in hohem Maße, Anderer Arbeit zu verwerthen, sich in Nestern, welche fleißige Vögel mit emfiger Sorg falt zusammengetragen, wohnlich einzurichten. Und die Natur hatte ihm eine Gemüthsverfassung verliehen, die es ihm leicht machte, sich um das Geschick der fremden Gier nicht sonderlich zu grämen.
Und
Man rechnete Sam nach, daß er bereits jetzt, durch den Verkauf einzelner Barzellen, für den Preis gedeckt sei, den er bei der Subhastation geboten hatte.
Eines Tages im Frühsommer waren eine Anzahl fremder Arbeiter und ein Geometer nach Halbenau gekommen. Sie hatten sich auf die große Wiese, die zwischen dem Büttner'schen Hofe und dem Walde, ungefähr in der Mitte des Grundstückes lag, be= geben. Hier, an der dachartig abfallenden Lehne, fingen sie an, abzustecken. Dann wurde der Rasen abgeschält, der Humus, der zuletzt unter der Grasnarbe lag, auf besondere Haufen geworfen, und schließlich in der tiefer gelegenen zähen Thonerde ein umfangreiches Viereck von Metertiefe ausgegraben.
Hier sollte die Dampfziegelei hin, die Harrassowitz zu gründen gedachte.
Es sei ein allgemeines Bedürfniß für die Gegend, hatte Sam erklärt; weit und breit bekäme man keine vernünftigen Ziegeln zu kaufen. Er halte es für seine Pflicht, etwas für die Hebung des Ortes zu thun, durch Einführung der Industrie. Nun sollten
die Halbenauer einmal sehen, was jetzt für Geld unter die Leute kommen werde!
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Die Grundmanern zum Ringofen schossen schnell aus dem Boden hervor, das Gebält zum Trockenschuppen wurde gerüstet, die Schlämmbaſſins angelegt, und schließlich die einzelnen Theile der weitläufigen Anlage mittelst schmaler Schienenstränge verbunden. Ueber dem Ganzen reckte sich bald die Ziegeleiesse höher und höher empor; ein ungewohnter Anblick, der die Halbenauer staunen machte. Nun bekamen sie doch eine Dampfesse in den Ort.
Täglich gab es jetzt Veränderungen auf dem Grundstücke. Eines Tages, im Herbst, erschien ein gräflicher Revierförster mit seinen Leuten auf der zum Büttner'schen Gute gehörigen Waldparzelle. In wenigen Tagen ward mit den verkrippelten Kiefern, Wachholderbüischen und Stockausschlägen aufgeräumt und Kahlschlag hergestellt.
Die Herrschaft Saland hatte nun doch den Wald des Bauerngutes angekauft für ein Geld, das dem Bauern, hätte er es zur rechten Zeit gehabt, über alle Nöthe hinweggeholfen haben würde. Gleichzeitig war auch das„ Büschelgewende", dessen Urbarmachung dem alten Manne so viel ſauren Schweiß gekostet hatte, an den mächtigen Nachbarn gekommen. Nun war das Loch zugemacht, das bisher die beiden gräflichen Reviere: Halbenau und Saland, getrennt hatte. Im Frühjahr sollte die ganze Fläche zugepflanzt werden.
Traugott Büttner sah alle diese Dinge. Keine Klage kam über seine Lippen. Es war, als habe er sich selbst Schweigen auferlegt. Was in seinem Inneren vor sich ging, erfuhr kein Mensch.
Er glich einer Pflanze, die man schlecht versett hat, und die nun in verwahrlostem Zustande dahinfiecht; sie vegetirt noch, aber in ihren Säften geht sie zurück. fie zurück. Er glich auch einer Maschine, die ohne treibende Straft doch weiter arbeitet, weil der Schwung von früher her noch ein Weilchen vorhält, ehe sie aussetzt.
Für Schmerz war er scheinbar unempfindlich geworden, abgestumpft durch das Zuviel, gleich dem Boden, der allzustark getränkt, keine Nässe mehr in sich aufnimmt.
Die da meinten, er sei gefühllos, irrten sich. Er fühlte gar wohl das Unrecht, das ihm widerfuhr. Die Demuth und Schmerzensseligkeit eines Hiob war seiner halsstarrigen Bauernnatur nicht eigen. Weit davon entfernt war er, mit dem Knechte Gottes aus dem Alten Testamente zu sagen:„ Ich bin nackend von meiner Mutter Leibe gekommen, nackend werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei gelobet!"
1898
Wenn er auch scheinbar zum stumpfen Lastthier herabgesunken war, das die Schläge gleichgültig hinnimmt, so blieb sein innerer Troß doch ungebrochen. Menschenhaß und Verachtung waren seine Tröster, Groll seine Nahrung; die einzige, die ihn noch in Straft erhielt. Aber die Qualen, die er ertrug, waren um so brennender, weil er nicht den Schrei der Wuth fand, sich von ihnen zu entlasten.
XXVI.
Nachdem das Manöver vorüber, hatte der Graf Urlaub genommen, um die Hochzeit seiner Schwester Wanda auszurichten. Große Vorbereitungen wurden in Schloß Saland zu diesem Feste getroffen. Der Adel der Nachbarschaft, die Magnaten der Provinz waren geladen. Aus Berlin waren Freunde des Bräutigams und Kameraden des Wirthes eingetroffen, und immer noch erschienen neue Gäste.
Es war ein Fest für die ganze Gegend. Die kleinen Leute nahmen die Gelegenheit wahr, einmal gründlich blauen Montag zu machen. Täglich gab es in Saland jezt etwas zu sehen. Einmal hieß es, ein Wagen sei angekommen, mit sechs Pferden davor, Kutscher und Diener mit feuerrothen Röcken. Natürlich lief man da von der Arbeit fort, um das Wunder zu begaffen. Dann wieder gab es ein Feuerwerk. Leute in einem entfernten Dorfe sahen davon den Schein gegen den nächtlichen Himmel und glaubten, es müsse ein Schadenfeuer sein. Die Sturmglocke wurde angeschlagen, die Feuerwehr alarmirt. Die Feuerwehren der Ortschaften, durch die man kam, schlossen sich an. Und so erschien schließlich eine ganze Anzahl Sprißen vor Schloß Saland. Als man wahrnahm, daß es gar kein Feuer gab, schimpfte man weidlich.
Der Graf erfuhr von dem falschen Alarm und ließ den Leuten Bier geben aus der Schloßbrauerei, damit sie, statt des Feuers, wenigstens ihren Durst löschen möchten.
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Die fabelhaftesten Gerüchte durchschwirrten die Luft; es hieß: am Hochzeitstage solle Geld unter die Menge geworfen werden, im Schloßhofe werde am Vorabend der Trauung ein gebratener Ochse und ganze Schweine und Kälber zur allgemeinen Speisung ausgelegt werden, und dazu würde aus einem Niesenfasse Wein fließen.
Eine Art von Fieber hatte sich der Bevölkerung bemächtigt. Die Arbeit schmeckte den Ernüchterten nicht mehr; man erwartete voll Spannung außergewöhnliche Dinge.
Auch Karl Büttner war von Wörmsbach herüber
gelaufen, um sich das Feuerwerk mit anzusehen. Gr tannte einige von der Feuerwehrschaft von der Truppe her. Man nahm ihn mit, als es zur Biervertheilung