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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Baumwolle über Arabien nach Egypten, von dort auf ganz Mittelafrika über, wo sie ohne besondere Pflege sehr gut gedeiht.
Auch in Amerika ist sie jedenfalls schon lange bekannt. Als die Spanier Meriko entdeckten und eroberten, fanden sie dort ausgedehnte Baumwollfelder, baumwollene Kleidungsstücke, bezw. Papiergeld. Die glatten Baumwollgewebe wußten die Merifaner mit allerlei bunten Figuren zu bemalen, sie waren außerdem von außerordentlicher Kunstfertigkeit bezüglich der Feinheit des Fadens. Cortez sandte verschiedene dieser Gewänder nach Spanien , wo sie eben durch ihre Feinheit und Farbenpracht viel Aufsehen erregten..
Im nördlichen Egypten nahm durch arabischen Einfluß die Manufaktur der Baumwolle neben Leinen und Seide sehr zu; unterstützt wurde dieses Emporblühen noch durch den Lurus der Römer, Griechen und Spanier. Es ist erstaunlich, was Makrizi uns von der Verschwendung, die dort getrieben wurde, erzählt. Zur Bekleidung eines Frauenzimmers gehörten dazumal mehr als 320 Coudées Gewebe ( 1 Condée ist 1/2 Fuß). In allen Theilen des maurischen Reiches wuchs die Industrie, so auch in Spanien ; in Barcelona und Granada war die Baumwollmanufaktur bedeutend. Der Einfluß des Christenthums auf die Zweige der Kultur ist sattsam bekannt; es ist also auch nicht zu verwundern, daß diese blühende Industrie sich so weit entwickelte, daß bald nichts mehr davon zu sehen war.
In Italien wurde der Baumwollbau schon im Jahre 1000 nachweislich betrieben, er scheint sogar einer der Hauptgegenstände des italienischen Ackers baues gewesen zu sein. Allen Städten voran war Venedig ; diese Stadt selbst und die Nachbarstädte waren erfüllt von Fabriken aller Art. Florenz hatte eine ausgezeichnete Färberei und Appretur; neben diesen entwickelte sich dann auch die Weberei, so daß 1338 dort 200 Fabriken waren, die vorzugsweise Krepp und Barchent fertigten.
Nach Deutschland kam die Baumwollmanufaktur durch den Handel zwischen Venedig und Augsburg und blühte während des 14. und 15. Jahrhunderts. Erst verhältnißmäßig spät, als schon in vielen Ländern des Kontinents diese Manufaktur betrieben wurde, fand sie auch Eingang in England. Heute sind durchschnittlich 36 Millionen Spindeln allein für Baumwolle thätig, von denen zirka 26 Millionen auf England und 51/2 Millionen auf Deutschland kommen.
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Nach diesem geschichtlichen Abriß kommen wir zur Baumwollfaser selbst. Die Beurtheilung des Werthes einer Baumwollsorte findet nach deren äußeren Eigenschaften, als Feinheit, Farbe, Glanz, Elastizität, Festigkeit, Faserlänge und dem Grade der Reinheit statt. Die hochgeschäßteste Faser ist die lange Georgia " von Sea Island , Nordamerifa. Sie ist die feinste, schönste Faser, die fast nur in England und in der Schweiz in den Baumwollfammgarnspinnereien verarbeitet wird; ihr Preis ist in einzelnen Jahren fast dreimal höher gewesen als der von gewöhnlichen Sorten. Während die Farbe, die verschiedensten Abstufungen von Weiß, durch Betrachtung einer größeren Quantität Wolle sogleich erkannt und die Elastizität durch den Griff, d. h. durch das Gefühl beim Zusammendrücken eines etwa faustgroßen Büschels in der Hand, sowie aus der nach der Zusammendrückung erfolgten Ausdehnung geprüft wird, giebt die Operation des Stapelziehens die Möglichkeit, rasch und ohne besondere Schwierig keit die Baumwolle auf ihre Faserlänge, Festigkeit, Feinheit und Glanz zu untersuchen. Man nimmt bei dieser Operation ein Büschel Baumwolle zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand, faßt das Büschel nahe an der festgehaltenen Stelle ebenso mit der anderen Hand und zieht es auseinander. Die nach der Richtung des Zuges vorstehenden Härchen werden nun neuerlich gefaßt und ausgezogen und, indem man dies mehrmals wiederholt, erhält man endlich eine Partie parallel liegender, aufeinander geschichteter Baumwollhärchen( Stapel), welche die durchschnittliche Länge unmittelbar erkennen läßt. Hält man den Stapel so fest zwischen den Fingern, daz nicht ein Herausziehen der vorstehenden Fasern
erfolgen kann, so werden beim Anziehen dieselben abgerissen, und der hierbei zu überwindende Widerstand gestattet einen Schluß auf die Festigkeit. Legt man die parallel liegenden Fasern( Stapel) auf eine schwarze Unterlage, so kann man die Feinheit derselben schäßen, sowie man aus den parallel liegenden selben schäßen, sowie man aus den parallel liegenden Fasern, welche das Licht gleichmäßig reflektiren, den Grad des Glanzes beurtheilen kann.
Neben diesen äußerlich wahrnehmbaren Eigenschaften, welche für die gewöhnliche Verwendung der Baumwolle als Fäden oder Gewebe ausschlaggebend sind, haben sich durch weitere Forschung noch Merkmale ergeben, die dieser Faser ein weiteres Feld erobert haben. Die Mikroskopie war nur im Stande, uns sichere äußere Unterscheidungsmerkmale zwischen Baumwolle und anderen Pflanzenfasern zu liefern, indem das mikroskopische Bild der Baumwollfaser wie ein sanft spiralig gewundenes Band erscheint, während andere Fasern theilweise glattgestreckt oder wie Leinen mit vielen kleinen Aestchen besetzt sind. Wichtiger als dieses Merkmal ist für die Industrie das Verhalten der Baumwolle zu gewissen Chemitalien; bekannt dürfte die Bereitung der Schießbaumwolle durch Behandlung mit konzentrirten Säuren sein, sowie die Auflösung letterer in Aether zu Collodium, dem bekannten Mittel zum Verschließen von Schnittwunden u. dgl.
Die chemische Zusammensetzung der Baumwollfaser zeigt sich recht deutlich bei der Behandlung mit Kupferorydammoniak. Die Hauptmasse der Zellwand stellt Gellulose dar, von welcher wenigstens betreffs ihres Verhaltens gegen Reagentien die äußerste Schicht, Cuticula, und die innerste Schicht, Innenhaut, abweicht. Bringt man nämlich Baumwolle in Kupferorydammonit, so quillt dieselbe rasch auf in Kupferoxydammonit, so quillt dieselbe rasch auf und löst sich endlich zu einer schleimigen Masse. Innenhaut und Cuticula widerstehen der Zerstörung weit länger als die Hauptmasse der Zellwand. Die äußerst feine äußere Schicht wird daher zersprengt oder schiebt sich in ringförmigen Schichten an ein zelnen Stellen zusammen und giebt ein eigenthüm liches mikroskopisches Bild, welches ebenfalls die Baumwolle auf das Bestimmteste von Flachs, Hanf oder sonstigen Bastfasern unterscheidet, da diese keine Cuticula haben. An jenen Stellen, wo die Cuticula zusammengeschoben ist, kann das Reagens die Zellwand nicht aufquellen; an den benachbarten Stellen wand nicht aufquellen; an den benachbarten Stellen findet das Quellen sehr rasch statt und führt so oft zu einer Reihe kugelförmiger Massen. Die Innenhaut ist fast ebenso widerstandsfähig gegen Kupferoxydammoniak, und nachdem die Belle bereits gelöst ist, bleibt sie als diinner Schlauch zurück. Man sieht dann in der blauen Flüssigkeit diesen und die ringförmigen Anhäufungen, sowie Feßen der Cuticula, bis auch diese endlich in eine schleimige Masse umgewandelt werden. Wird, nachdem die Wirkung des Kupferorydammoniaks stattgefunden hat, etwas Schwefelsäure hinzugebracht, so wird die gallertartig gelöste Cellulose ausgeschieden und bleibt zwischen den Stücken der Cuticula liegen. Durch einen Tropfen Jodtinktur wird die ausgeschiedene Cellulosemasse blau, die Cuticulafeßen gelb. Bewegt man das Deckgläschen über letteren, so schieben sich gewöhnlich die Ninge auseinander, werden röhrenförmig und stellen theilweise Spiralen dar. Dies beweist, daß die Cuticula ein von der Cellulose chemisch verschiedener Körper ist, daß sie wahrscheinlich spiralig um die Faser gewunden ist und jedenfalls in der Nichtung quer über die Zellenachse den festeren Zusammenhang bildet.
Aehnlich aufquellend, jedoch nicht so verheerend wirkt auf die Faser eine Lauge von Aezkali oder Aeznatron. Schon 1840 hatte der englische Chemiker John Mercer die zufällige Beobachtung ge= macht, daß baumwollenes Zeug, durch das er Natronlauge filtrirt hatte, an Stärke und Festigkeit bedeutend zunahm. Als guter Beobachter ging er der Sache noch weiter auf den Grund, und seine Erfindung erregte damals auch wirklich Aufsehen, so daß ihm eine französische Gesellschaft den Preis von vierzig tausend Pfund Sterling dafür bot. Trotzdem machte dieses Verfahren damals keine weiteren Fortschritte, gerieth fast in Vergessenheit, und erst der Neuzeit war es vorbehalten, dasselbe wieder zu Ehren zu bringe
Das Verhalten der Baumwolle einer solchen Lauge gegenüber ist in vieler Hinsicht interessant. Während die Faser der rohen Baumwolle unter dem Mikroskop sich als ein allmälig schmäler werdendes, schwach spiralig gedrehtes Band darstellt, in dessen Innerem ein glätter Hohlraum, eine Seele, sichtbar ist, stellt die mit Lauge behandelte Faser man nennt dieses Verfahren auch nach dem Erfinder ,, mercerisiren" eine dicke, mehr oder weniger runde, gerade Zelle dar, deren Wände erheblich dicker sind und in welcher die Höhlung fast ganz verschwunden ist. Die Festigteit der Faser hat dabei ganz bedeutend gewonnen; Versuche haben eine Zunahme bis zu 68 Prozent ergeben, so daß man vom praktischen Standpunkte aus gegen die Verarbeitung dieses Materials gewiß nichts einwenden kann.
Ein Umstand, der das Mercerisiren der Baumwolle etwas beeinträchtigte, war anfänglich der nicht unbedeutende Längenverlust, das Einschrumpfen und die dadurch bedingte Preiserhöhung; wo sollte auch das in der Stärke gewonnene Plus herkommen, wenn nicht von der Länge? Dem wirkte man durch festes Aufspannen der rohen Baumwolle vor dem Mercerisiren entgegen; man behandelte die Baumwolle also in gespanntem Zustand, oder man mercerisirte lose und dehnte die eingeschrumpfte Faser nachträglich wieder bis auf ihre ursprüngliche Länge aus. Man machte bei dieser Gelegenheit die Beobachtung, daß durch dieses Spannen der Glanz noch bedeutend erhöht. wurde. Das Zusammenschrumpfen des Fadens beträgt nach Versuchen von A. Buntrock bei 30 Grad falt, lose eingehängt 23,6 Prozent und steigt nach Verlauf von 33 Minuten bis zum höchsten Punkt auf 29 Prozent; eine längere Behandlung übt in dieser Nichtung feinen Einfluß mehr.
Wie es nun im industriellen Leben heute Gebrauch ist, machten sich bald eine ganze Anzahl Erfinder über das Problem her, und es dauerte auch garnicht lange, so tauchten verschiedene Verbesserungen auf, natürlich zum Verdruß des Erfinders, der es als alleiniger Inhaber eines solchen Patents ganz in der Hand hatte, das kaufende Publikum zu schröpfen.
Nach den bisherigen Erörterungen könnte es scheinen, als wäre nur der lose Baumwollfaden für solche Behandlung geeignet, oder man hätte nur diesem sein ganzes Augenmerk zugewendet. Das ist jedoch nicht so; auch das fertige Baumwollgewebe ist Gegenstand solcher Versuche gewesen und zwar mit bestem Erfolge. Der größte Theil der heute konsumirten billigen Satins mit dem ausgezeichneten Seidenglanz ist nichts weiter, als solch mercerisirtes Baumwollgewebe. Die prachtvolle Farbnuance, die man sonst bei Baumwollzeugen nicht zu finden gewöhnt ist, verbunden mit dem intensiven Glanz, geben solchen Stoffen fast vollkommen die Eigenschaft, wirkliche Seidenwaaren zu verdrängen. Die durch das Mercerisiren der Baumwolle beigebrachte Eigenschaft, die Farbstoffe viel besser aufzunehmen, wirkt hierbei ganz besonders ausschlaggebend mit. Außerdem hat man noch andere Kunstgriffe, den Glanz zu erhöhen, nämlich das Pressen zwischen polirten Metallwalzen; man muß sich dabei jedoch sehr hüten, den Druck zu stark zu geben, da sonst ein sogenannter Speckglanz entsteht, der die Waare unverkäuflich macht. Aber auch dem beugt man heute schon vor, indem man sich die Eigenschaften des echten seidenen Satins zum Vorbild nimmt. Die Seidenfaser ist vollständig rund, reflettirt deshalb das Licht nach vielen Seiten, kann daher nie einen Spiegelglanz hervorrufen. Dieſen milden Glanz ahmt man einfach dadurch künstlich nach, indem man die Preßwalze für die Baumwollstoffe mit einem' galvanoplastisch hergestellten Abzuge von Seidensatin versieht, und so der Baumwolle ein seidenähnliches Aussehen giebt. Da diese Abzüge jedoch etwas theuer sind, erreicht man vorstehenden Zweck noch bequemer, indem man Stahlwalzen mit feinen Rillen versieht, 5-20 Stück pro 1 Millimeter; mit solchen Walzen erreicht man bei einem Druck von 30-50 Atmosphären ei mustergültiges Lustre.
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