Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Merktest Du, daß Jemand bei Dir war im Traume? Das war ich, war mein Geist. Er flüsterte Dir mein Geheimniß leise in's Ohr: Ich werde nicht Theologie studiren. Knud und Margit werden es fiir Unrecht halten, aber ich kann nicht anders. Und sollten sie mich verstoßen und verdammen, meine Mutter wird es nicht thun, wenn sie hört, daß ich nur auf diese Weise glücklich werden kann. Aber Du, Ragnhild, was sagst Du?... Ich hatte einst einen schönen Traum; in diesem Traum tamst Du vor, Ragnhild... aber das ist wohl jezt ausgeschlossen... oder nein?
Dein getreuer Agestin."
Margit legte den Brief von sich, nahm die Brille ab und betrachtete lange mit traurigem Blick ihre Tochter.
Was sagst Du dazu? Du mußt ihm doch antworten?"
gestanden und hatte schon in aller Frühe die Station Botten östlich des Fly- Bergs verlassen. Die Stimmung, in welcher er sich der Heimath näherte, war von gemischter Natur. Auf seine beiden lezten Briefe hatte er gar keine Antwort bekommen, und auf sein letztes Schreiben, in dem er seine Ankunft anzeigte, hatte er nicht wie sonst von Ragnhild, sondern von deren Mutter nur die fühle Mittheilung erhalten, sein Zimmer stände bereit.
Der kleine Gaul, dessen graue Farbe ihm Aehnlichkeit mit einer Riesenmaus verlieh, trabte tapfer darauf los, obgleich der Weg noch immer bergauf führte. Trotzdem verrieth die Miene des Reisenden und die ungeduldige Art und Weise, mit der er zuweilen eine frisch geschnittene Haselruthe erhob, um das Pferd anzutreiben, daß es ihm noch lange nicht schnell genug ging. Plötzlich kam ihm an einer Biegung des Weges ein Karjol entgegengefahren, dahinter tauchte noch eins auf und noch eins. Er zählte sechs Fuhrwerke mit lauter Engländern, die alle von der„ Elch- Alp" famen und nach Osten fuhren. Die Elch- Alp war eine neue Touristenstation kurz vor dem Hof Fly, den sie als Skydsstation abgelöst hatte. Nichtsdestoweniger spielte Nichtsdestoweniger spielte " Hole es herunter, vielleicht können wir, Deine Fly eine Rolle als solche in der Reisesaison, weil Eltern, Dir helfen...."
Keine Antwort.
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, Was wirst Du ihm schreiben, Ragnhild?" " Ich weiß es nicht."
Kund erhob sich:" So, Du, sein Kamerad, weißt das nicht? Wo hast Du Papier und Tinte?"
,, Oben bei mir."
An demselben Abend wurde unter Mitwirkung der Eltern folgender Brief an Agestin aufgesetzt: An Augustinus Martinus Klöften!
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Deinen Brief habe ich erhalten und konnte nicht thun, wie Du wolltest, weil meine Mutter selbst die Post geholt hatte. Meine Eltern sind sehr besorgt um Dich und lassen Dir sagen, daß ich unter diesen Umständen nicht Dein Kamerad sein kann. Aber für mich ist es schwer, denn ich darf doch keine eigene Meinung haben. Dein Gedicht„ Brandungen" haben wir gelesen, Vater nannte es" Blech", aber ich fand es wunderschön. Und von mir selbst kann ich Dir nur sagen, daß ich viel geweint habe. Ich hatte auch einst einen schönen Traum, aber den fann ich Dir nicht erzählen, weil sie es nicht wollen; wenn Du Theologie studiren würdest, ja, aber so nicht, sagen sie. Aber Du sollst meinetwegen nichts thun, weil ich Deinem Glück nicht im Wege sein will. Deine Mutter ist frank geworden. Auf sie scheint Dein Brief einen erschütternden Eindruck gemacht zu haben. Du bist ja viel kliiger und hast mehr gelernt als ich, aber deshalb könntest Du Dich doch irren. Mehr will ich nicht sagen. Der Winterroggen steht schlecht, weil wir viel Regen und gleich darauf starken Frost bekamen. Auch hat der Bär unsere beste Kuh zerrissen, und wenig Heu gab es auch; darum habe ich es nicht leicht, Du kannst mir glauben. Er ist sehr schlecht gelaunt. Nur dies Eine möchte ich Dich bitten: Komme im nächsten Sommer nach Hause, denn Deine Mutter grämt sich sehr und möchte Dich noch einmal sehen. Es grüßt Dich von Herzen Deine Pflegeschwester
Ragnhild Knuds- Tochter Solhaug."
X.
Oben auf dem Fly- Berge war die Nacht kalt gewesen. Einem Brautschleier gleich lag der Reif auf den Gräsern und Zwergbirken neben der hartgefrorenen, aber jetzt im Aufthauen begriffenen Landstraße. Die Luft war fein und klar. Der schneebedeckte Elch- Rücken mit seinen sonnenbeschienenen Zacken und Zinnen trat scharf hervor, und der kahle Elch- Nut erschien wie ein Ritter in hellblauem Mantel. Zu dessen Füßen zogen sich dampfende, sumpfige Wiesen, von denen hin und wieder durch die große feierliche Stille das Pfeifen einiger Bekkasinen scharf herüberklang.
Das Knarren der Räder eines leichten Fuhr werks wurde hörbar und man sah in der Ferne eine Staubwolfe; sie kam näher und immer näher. Es war ein Karjol, von einer kleinen grauen Bauern mähre gezogen. Im Karjol saß Agestin, der nach zweijähriger Abwesenheit von der Heimath jeßt wieder seine Sommerferien auf Solhaug zu verbringen beabsichtigte. Auf dem Querbrett zwischen den beiden hohen Rädern schlafend, baumelte der kleine zerlumpte Skyds- Junge. Agestin war mit der Sonne auf
es zu dieser Zeit kaum möglich war, genug Fuhrwerke aufzutreiben.
, Man merkt, daß die Chaussee über den Björneberg fertig geworden ist," sagte Agestin und wandte sich an den Skydsjungen, der durch die Begegnung sich an den Skydsjungen, der durch die Begegnung mit den vielen Fremden aus seinem Hühnerschlaf geweckt worden war. Wie viele Pferde haben sie auf der Elch- Alp?"
"
Sechs feste und zwei Reservepferde, aber Dein Gaul gehört Hans Fly. Du kannst von dort aus Skyds nach Solhaug bekommen."
Damit war Agestin einverstanden. Eine halbe Stunde später fuhr er auf den Hofplatz der alten Station Fly, sprang aus dem Karjol und ging in Station Fly, sprang aus dem Karjol und ging in die Gaststube. Da saß ein alter Mann am Fenster und schnitte einen kunstvoll geformten, großen Löffel. Sein Haar war grau und hing ihm wie eine Mähne über die Schultern. Seine Bekleidung war alt und abgenutzt.
Er hob den Kopf und warf einen raschen Blick auf den Eintretenden, räusperte sich und betrachtete ihn noch einmal, aber genauer. Dann glitt es wie Sonnenschein über sein abgehärmtes Gesicht, als schaue er in alte, glückliche Zeiten zurück. Agestin erkannte in ihm den alten Bauern, mit dem er sich erkannte in ihm den alten Bauern, mit dem er sich vor zwei Jahren auf Vangen so gut unterhalten vor zwei Jahren auf Vangen so gut unterhalten hatte. Er eilte auf ihn zu und drückte seine Hand. ,, Harald.. Barstue, nicht wahr?"
Der Andere lächelte wehmüthig.
„ Ja, ja, Harald Barstue, so heiße ich.. ja. Und Du bist Thormod Dalen's Sohn Agestin, ja, Und Du bist Thormod Dalen's Sohn Agestin, ja, bist mager geworden, scheint mir, siehst ernster und männlicher aus als damals. Wo kommst Du jezt her?" " Aus der Hauptstadt."
,, Aus der Hauptstadt? Ja.. versteht sich. Wie geht es mit Deiner Kunst?... Bist wohl ein großer Dichter geworden... He?"
Agestin schüttelte lächelnd den Kopf. ,, Ach, das ist nicht weit her, Harald. Die Sache ist nicht so leicht, wie man es sich denkt."
"
Der Alte that einen tiefen Seufzer." One... das ist sie wohl nicht, auch nicht da drinnen in der Hauptstadt...." Nach einer Pause fuhr er fort: Mit mir ist es rasch bergab gegangen. Ich habe es wohl nicht so verstanden, die Landwirthschaft zu führen. War Wittwer, mußt Du wissen, und meine Kinder kosteten mir viel Geld, ja.... Kurz und gut... ich war fallit, ehe ich mich umsah. Mein Hof und Alles, was ich mein nannte, wurde ver= kauft. Ich behielt keinen Heller für mich. Jezt gehe ich von Hof zu Hof und schniße in Holz."
Agestin betrachtete den Löffel. Er war ein Kunstwerk, sowohl in der Zeichnung, als in der Ausführung.
„ Er ist hübsch Du die Zeichnung her?"
wunderhübsch! Wo hast
,, Ach, die habe ich von mir selbst.... Die Engländer kaufen ja manchmal den Krimskrams. Nun bin ich glücklich dahin gelangt, wo ich vor fünf
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unddreißig Jahren war." Mit diesen Worten setzte er sich wieder an seine Arbeit.
,, Es ist doch eigenthümlich," sagte er dann mit einem Anstrich von Galgenhumor ,,, wer gehängt werden soll, der ersäuft nicht."
,, Nein, Du hast recht... es sieht manchmal so aus," erwiderte Agestin und reichte dem Alten die Hand zum Abschied, denn er konnte durch das Fenster sehen, daß der neue Skyds auf ihn wartete; und zwar war es Hans Fly selbst, der draußen auf dem Hof stand und sich am Kopfgeschirr des kleinen gelben Pferdes zu schaffen machte. ( Fortsetzung folgt.)
Vom Theater im Mittelalter.
Von Karl Schulz.
ie in allen Kulturstaaten, so ist auch in Deutschland der Ursprung des Dramas auf kirchliche Gebräuche zurückzuführen. Schon in der Liturgie und in der Dialogform der Responforien liegt der Uranfang einer, wenn auch noch handlungslosen Darstellung. Bei besonderen Anlässen wurden noch mehrere Sprecher hinzugezogen, vornehmlich an den Charfreitagen bei Vorlesung der Passion; während der eine die Worte vorlas, welche Christus spricht, las der andere die Rolle des Kaiphas, wieder ein anderer die des Petrus usw. und zwischen diesen hindurch las wieder ein besonderer Sprecher den verbindenden Tert.
Wenn man sich im Geiste eine derartige Charfreitagfeier vorstellt, so wird man zugeben müssen, daß von dieser nüchternen Andacht zu einer gewissen Zeremonie nur ein ganz kleiner Schritt war. Wie und wann aber dieser kleine Schritt gethan worden ist, ist unbekannt. Es wurde nicht nur die Passion zeremoniell ausgestattet, sondern auch andere Feste der katholischen Kirche . Doch ist urkundliches Material, das uns bestimmten Aufschluß geben könnte, nicht vorhanden. Aus den historischen Aufzeichnungen ist nur die Thatsache zu entnehmen, daß zur Feier der hohen Feste der Katholiken bereits im zehnten Jahrhundert Zeremonien üblich waren, die einen unbedingt dramatischen Charakter besaßen.
Die Kirche gebrauchte diese Veranstaltungen als erzieherisches Mittel, um durch sinnliche Anschauung die religiöse Erziehung des Volkes zu fördern. Doch konnte man diesen Zweck erst erreichen, als statt der Kirchensprache( lateinisch), die doch von äußerst wenigen Gläubigen verstanden wurde, die Muttersprache in Anwendung gebracht wurde. Dies war aber für Bibelterte unthunlich; man fand einen Ausweg und brachte diesen in den Kirchen Südfrankreichs wie folgt zur Ausführung: Die Worte, die Christus sprach und die die ganze Gemeinde verstehen mußte, wurden, nachdem sie lateinisch deklamirt waren, auch in's Französische übersetzt. Damit war eine große Schwierigkeit gehoben.
Die anderen Nationen folgten diesem Beispiel; man hielt sich nicht nur an die Uebersetzung der Christusworte, sondern übersezte, was man für nöthig erachtete. Bei der Feier des Weihnachtsfestes wurde es sogar für angebracht gehalten, 3Zwiegespräche und Zwiegesänge einzuflechten, die mit der Bedeutung des Festes wenig zu thun hatten, dafür aber eine recht kindliche, familiäre Stimmung ausstrahlten.
Die Veranstaltungen gelegentlich der christlichen Feste waren von sehr verschiedenem Umfang; während sich kleine Kirchen mit den eben erwähnten Wechselgesängen zufrieden stellten, durfte man in Klöstern oder reicheren Kirchspielen bedeutendere Darbietungen erwarten. So wird uns von einem Weihnachtsspiel aus Benediktbeuren berichtet, das schon durchaus reiche Handlung enthält. Der Text des Evangeliums wurde durch Veranstaltungen aller Art dargestellt. Wir sehen den Stern erscheinen. Die Hirten treten auf, Johannes predigt den Juden, daß sie an den kommenden Messias glauben sollten, was ihm mit Hohngelächter auf der einen und gläubigem Beten auf der anderen Seite beantwortet wird; in kurz angedeuteten Szenen folgt dann die Verkündigung Mariens, der Besuch bei Elisabeth und die Geburt