316

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Dente

ihren Kindern nicht umkommen will.... doch, die Frau hat nichts gelernt... nichts!" Frau Winkler( geht nach der Veranda): Ach, da kommt ja mein lieber Mann!( 3urückrufend) Er wird der Frau schon helfen!... Wie ich ihn kenne...

"

Frau Rast( ist ihr bis zur Thür nachgeeilt, wo sie den Eintretenden, Direktor Winkler, begrüßt):" Guten Morgen, lieber Herr Direktor!"

Winkler( ein stattlicher Mann; tritt mit der Sicher­heit eines Kaufmannes auf, während er Alle mit kühler, geschäftsmäßiger Freundlichkeit anblickt):" Guten Tag, liebe Frau Rast!... Nun, Sie waren heute nicht in der Kirche?( Legt sein goldgesticktes Gesangbuch auf den Schreib­tisch und zieht die schwarzen Handschuhe ab.) Da haben Sie viel versäumt! Pastor Krüger sprach über den barmherzigen Samariter; der solle uns das Vorbild zu allen Handlungen sein. Nicht nur Kranken, sondern allen Hülfsbedürftigen sollen wir aushelfen. Unser Leben muß wieder ganz durchdrungen werden von dem hilfsbereiten Geiste des Christenthums... Aber wer kommt denn da durch den Garten?"

Frau Rast: Ach, das ist aber zu schön! Ge­rade jetzt muß die kleine Frau kommen!"

Der Holzschnitt.

Von Oscar Kühl.

nter den Verfahren, die es erlauben, von einer einmal hergestellten Platte eine große Reihe von Bildabdrücken zu nehmen, haben zwei eine besondere Bedeutung erlangt: der Kupferstich und der Holzschnitt. Es sind dies die Typen zweier einander entgegengesetter Verfahren, des Tiefdrucks und des Hochdrucks. Bei beiden erscheinen auf dem bedruckten Papier die verschiedenartigsten Strichlagen. Die Ab­bildungen der Neuen Welt" sind, von wenigen Aus­nahmen abgesehen, mit Hilfe von Holzschnitten her­gestellt; die Bilder der heutigen Nummer fönnen also dazu dienen, das Prinzip des Tiefdrucks zu veranschaulichen. Beim Holzschnitt werden aus der ebenen Fläche der Holzplatte, auf der der Schnitt hergestellt wird, alle die Stellen ausgeschnitten, die auf dem Papier weiß bleiben sollen; bei dem kleinen Bildchen Holbein's ist demnach der größere Theil der Fläche vertieft, und überall da, wo im Bilde die feinen Linien erscheinen, ist das Holz in der

Frau Winkler( gedehnt):" So, das ist Frau ursprünglichen Höhe belassen. Umgekehrt arbeitet man

Storm?"

Winkler: Aber was will Die denn?"

"

Frau Rast: Sie werden's schon sehen... Ja... Sie werden ihr schon helfen... Sie großer Mensch!... Komm, Hertha, wir wollen die Beiden allein lassen."( Zieht ihre Freundin mit hinaus.)

Frau Storm( eine kleine, verweinte Gestalt in dunklem Kleide):" Ach... Sie entschuldigen..." ( Schluchzt auf.)

Winkler( führt sie nach dem Divan, immer kühl und freundlich): Aber... nun... liebes Frauchen, bes ruhigen Sie sich nur.... Nun... nun..."

"

Frau Storm( schluchzend): Er.. hat.. mich im Stiche gelassen... Helfen Sie mir.. helfen Sie mir!..."

Winkler( unterdrüdt seine peinliche Empfindung): ,, Ja.. aber.. Ich habe eben auf dem Wege nach der Kirche gehört... Wie kommt denn nur Ihr Mann dazu?"

Frau Storm: Oh.. der.. Er ist.. in.. Begleitung durchgebrannt... Daher auch.. die vielen Schulden."

Winkler: Soso?! Und kann denn feiner Ihrer Freunde?... Nein?... Aber die sollten sich doch schämen! Wie kann man nur eine hülflose Frau im Stiche lassen.. wegen solcher Kleinigkeit?" Frau Storm( zutraulich):" Deswegen kam ich eben zu Ihnen."

-

Winkler:" So so?!( Immer freundlich) Sehen Sie, ich muß aber auch an meine Kinder denken. Sie wissen ja, wenn man Kinder hat..."

"

Frau Storm: Nicht wahr?! Dann weiß man, was es heißt, für sie sorgen zu müssen.. und dann hilft man auch gern anderen Eltern..."

Winkler( sehr gütig): Ja, meine hochgeehrte Frau, ich würde Ihnen gern helfen.. aber eben, weil ich Kinder habe.. ich muß doch auf das Wohl­ergehen meiner Kinder zuerst Bedacht nehmen..."

Frau Storm( ihr hoffnungsvolles Lächeln ist bei seinen Worten erstarrt, ihre weit aufgerissenen Augen blicken ihn brennend an): Ja..( sie will sich erheben, fällt aber auf ihren Sitz zurück) Entschuldigen Sie..... die Be lästigung!"

Winkler( sucht seine Verlegenheit hinter großer Zärt

beim Kupferstich in die Platte hinein: da, wo das Bild Linien aufweisen soll, gräbt man kleine Furchen

ein, die mit der Druckerschwärze gefüllt werden, wäh­rend die lichten Stellen in der Platte völlig unbe­rührt waren.

Der Stil des Holzschnittes, von dem wir heute allein sprechen, hat seit seiner Erfindung verschiedene Wandlungen durchgemacht. Im Wesentlichen lassen sich diese aber auf zwei Grundformen zurückführen, die durch unsere beiden Bilder gekennzeichnet werden. Das Bildchen aus Hans Holbein's " Todtentanz" ist ein Musterbeispiel für den älteren Holzschnitt, während die Wiedergabe der Zeichnung von Hans Herrmann die Eigenschaften des modernen Ton­schnittes" klar veranschaulicht.

lichkeit zu verbergen; streichelt ihre Hände): Ia... ich richtung der Holzfasern geschnitten. War diese Fläche

fann es nicht!"

Frau Storm( flüstert vor sich hin): Oh- und nun... umbringen!.

Winkler: Aber liebes Frauchen! So rasch bringt man sich nicht um.. das geht wieder voriiber!"

Bei den älteren Holzschnitten war die Platte, auf der die Arbeit ausgeführt wurde, das Stöckel", aus Birnbaumholz, und zwar wurde sie in der Längs richtung der Holzfasern geschnitten. War diese Fläche genau geglättet und geebnet, so wurde die Zeichnung mit allen Einzelheiten auf das Stöckel übertragen, oder die Künstler führten sie selbst auf dem Holz­grund aus. Die Arbeit des Formschneiders " be= stand dann darin, daß er alle diese vorgezeichneten Linien mit größter Sorgfalt ausschnitt. Zunächst trug er das Holz zu ihren beiden Seiten mit dem Schneidemesser ab, so daß sie von fleinen Furchen eingeschlossen waren. Alsdann wurden die Theile innerhalb dieser Furchen, die im Abdruck weiß er­scheinen sollten, ausgehoben. Damit war das Stöckel fertig und der Abdruck konnte beginnen. Der Stock wurde mit Druckerschwärze eingerieben; für den Druck Frau Storm( von der Veranda aus): Um- legte man, als die Buchdruckerpresse noch nicht bekannt bringen!" war, das Stöckel auf das Papier und preẞte es

Frau Storm( bricht plötzlich vor ihm zusammen): ,, Helfen Sie mir!... Helfen Sie mir!"

Winkler( streicht ihr ruhig das Haar): Aber liebes Frauchen! Bedenken Sie doch.. meine Kinder.. meine Ehrenstellen..."

# 1

Frau Storm( springt auf, taumelt hinaus, heiser flüsternd): ,, Nun.. umbringen.. umbringen!... Winkler( sieht ihr achselzuckend nach).

start auf, oder man feuchtete das Papier leicht an, legte es auf und rieb auf der Rückseite mit einem Lederballen.

Ein Blick auf das andere unserer heutigen Bilder zeigt, daß dieser Holzschnitt nicht auf dieselbe Weise gearbeitet sein kann. Das Charakteristische an ihm ist vielmehr, daß die schwarzen und die weißen Linien genau und zum Theil auch in gleicher Breite neben­einander herlaufen, daß die Konturen als solche nir­gends besonders hervorgehoben sind. Hier sind einfach die weißen Linien in das Holz eingegraben, und zwar so dicht beieinander, daß schwarze und weiße Linien ein­ander meist gleichwerthig sind. Ueberall fast erscheinen lange, durchgezogene Linien, und nur an einzelnen Stellen, in den Köpfen zum Beispiel, stoßen furze, verschiedenartige Strichlagen aufeinander. Diese größere Komplizirtheit der Aufgaben setzt aber ein anderes, wesentlich härteres Material voraus, als die Alten es hatten. Heute bedient man sich daher fast immer des bedeutend härteren und dichteren Buchs­baumholzes. Man schneidet die Scheiben auch nicht in der Längsrichtung der Fasern, sondern über Hirn", d. h. senkrecht zu ihnen. Jedes Theilchen einer solchen Platte ist eine Endigung einer Holz­faser, nach allen Seiten hin bietet sich also dem Instrument der gleiche Widerstand, während das Langholz naturgemäß bei allzu feiner Arbeit in der Längsrichtung leicht splitterte. An die Stelle des Schneidemessers ist ferner der Grabstichel getreten, der bis dahin in der Regel nur vom Kupferstecher gebraucht wurde. Der Grabstichel läuft vorn in eine Dreifantspiße aus und ist mit einem kurzen Griff versehen, den man in die hohle Hand gegen den Ballen legt und so mit viel größerer Straft und Sicherheit führen kann als das Messer.* Bis zu welcher Feinheit man bei dieser Art der Arbeit Strichlagen und Punkte ausschneiden kann, das zeigt nicht sowohl das heutige Bild als noch viel mehr einige frühere Nachbildungen von Gemälden, zum Beispiel von Wagner's" Im Bergwald" oder von den Bildern Böcklin's .

Die Uebertragung der Vorlage auf den Holzstock geschieht in der Gegenwart durch Abpausen oder häufiger in einem photographischen Verfahren. Im ersteren Falle wird die geglättete Fläche mit einer weißen Farbe, einer Lösung von Kremserweiß und Gummiwasser, eingerieben, dann die Zeichnung auf­gepauft und mit Bleistift ausgeführt. Da aber, wo es sich um die Nachbildung von Photographien handelt, wie es bei unseren Bildern ja in der Regel der Fall ist, wird diese direkt von dem Negativ über­tragen, indem der Holzstock mit einer lichtempfind­lichen Substanz überzogen und zusammen mit der photographischen Platte dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, so daß dann auf ihm das positive Bild entsteht. Schärfer noch wird die Nachbildung, wenn die Photographie durch Lichtdruck auf die weiß ein­geriebene Fläche gedruckt wird.

Natürlich ist die Ausführung der Linien nicht überall die gleiche. Linien, die allmälig in hellere Theile übergehen, läßt man langsam in die Oberfläche des Holzes hineinverlaufen. Ganze Theile des Bildes, die anderen gegenüber heller erscheinen sollen, werden im Ganzen etwas tiefer gelegt; dann wird beim Druck das Papier nicht mit voller Kraft von der Druckfarbe getroffen und nimmt weniger Farbe auf. Beim ersten Abdruck wird auch manche Linie zu hart erscheinen; dann wird der Holzstock mittelst des Schabers behandelt. Dadurch wird die außerordent­liche Weichheit des Tones erzielt, die auf unserem heutigen Bilde so besonders auffällt.

Ausbesserungen lassen sich, wenn etwas bein Schneiden versehen ist, nur sehr schwer anbringen. Meist muß ein ganzes Stück aus dem Holze heraus­Es genommen und ein anderes eingesetzt werden. ist aber schwierig, die Spuren dieses Flickens ganz zu verwischen.

Die Technik des modernen Holzschnittes ist damit beschrieben. Es bleibt aber noch Eines zu erwähnen, das für die praktische Verwerthung des einmal fertig gestellten Schnittes von größter Bedeutung ist: die galvanoplastische Vervielfältigung. Das Buchsbaum­

* Man spräche daher richtiger vom Holzstich".