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Die Neue Welt.

stammen, die überhaupt noch keine Wirbelthiere sind. Und in der That giebt es auch eine solche Uebergangs­form von den Wirbellosen zu den Wirbelthieren. Es ist der Lanzettfisch Amphioxus lanceolatus. Sein Stelett wird gebildet durch den in der Nähe der Rückenlinie durch den ganzen Körper verlaufenden, gallertartig- knorpeligen Achsenstrang( Rückensaite), und sein farbloses Blut pulsirt in großen Gefäßen, da ein Herz fehlt. Obwohl die Unterklasse der Röhrenherzen, wie sie auch genannt wird, von den verschiedensten Meereskiisten bekannt ist, ist sie doch auch am australischen Strande vertreten, und zwar in der Gattung Epigonichthys. Verfolgen wir die Entwickelung des Stammbaumes der Wirbelthiere im Darwin'schen Sinne weiter, so müssen die Fische nach oben Uebergänge zu den Amphibien zeigen, diese zu den Reptilien und diese hier scheint sich der Stammbaum gespalten zu haben einerseits zu den Vögeln, andererseits zu den Sängern. Dem lebergange vom Amphib zum Reptil steht nun von allen lebenden Thieren zweifellos die merkwiirdige Briickenechse am nächsten, von welcher die Eingeborenen Menschenfressergeschichten erzählten. Dieses Thier, Dieses Thier, Hatteria punctata, welches dem australischen Gebiet einzig und allein angehört, erwähnt Cook erst nach seiner dritten Reise, und Dieffenbach brachte es Anfang der vierziger Jahre zum ersten Male lebend nach England. Seit dieser Zeit ist die Brücken­eidechse indeß so rar geworden, daß bereits 1867 Günther die Befürchtung aussprechen konnte, sie werde binnen Kurzem zu den ausgestorbenen Thieren zu zählen sein. Den Uebergang vom Reptil zum Säugethier finden wir gleichfalls in Neuholland  ; es ist das bereits erwähnte Schnabelthier. Auch die Vermittelungsglieder zwischen den niederen, eier­legenden Säugern und den höheren Mammalia lebten in Australien  ; es sind die Beutelthiere. Das Binde­glied zwischen den Reptilien und Vögeln ist freilich nicht im gelobten Lande der Uebergangsformen ge­funden worden. Vorhanden ist es aber; es ist der wunderbare Urgreif, der Archäopteryr aus der oberen deutschen   Juraformation. Ein Thier, das heute nicht mehr eristirt und wohl schon vor mehr als Millionen von Jahren in der Form, in der wir es aus den beiden im Solenhofener Schiefer gefundenen Abdrücken kennen, wieder von der Erde verschwunden ist. Das Schuppenkleid war bei ihm zum Feder­Kleid geworden, die Flügel trugen noch die Eidechsen krallen, der aus beweglichen Wirbeln zusammen­gefeßte lange Eidechsenschwanz trug jederseits eine Reihe von Steuerfedern und eine weitere, höchst merkwürdige Eigenthümlichkeit war die Bezahnung der Kieferränder des typischen Echsenkopfes. Es war ein Lieblingsgedanke des alten Darwin  , daß in einem bisher noch unbesuchten Theile des auftra­lischen Gebietes es gab und giebt deren hente noch genug doch auch noch etwas Aehnliches wie der Archäopteryr eines Tages lebend angetroffen werden könnte. Als der Reisende Haast in den neuseeländischen Alpen räthselhafte Thierspuren im Schnee entdeckte, legte ihm Darwin   an's Herz, doch ja zu fahnden, ob nicht ein wahrhaftiger Eidechsen­vogel der Art dort noch sein Wesen treibe. Es hat sich aber nichts davon gezeigt, und die Fährten waren wohl die eines Säugethieres, das allerdings bis heute auch noch nicht bekannt ist. Von den hypothetischen Bindegliedern fehlt nun noch eins. Falls Darwin's Lehre Recht hat, muß auch ein Thier vorhanden sein, das die Brücke zwischen der Klasse der Fische und der Klasse der Amphibien bildet. Diese Uebergangsthiere werden in ihrer Gestalt nicht den bestentwickeltsten Arten der höheren Gruppe ähneln, sondern den einfachsten Formen der= selben gleichen. Demnach hätte das überleitende Glied der in Nede stehenden Klassen nicht die Gestalt eines Frosches, als eines vollkommen entwickelten Amphibiums, sondern mußte den in der Entwickelung tiefer stehenden Lurchen ähneln, und das ist auch der Fall: die Uebergangsthiere erinnern in ihrem Aeußeren an den allgemein bekannten Fenersalamander. Wie man nun für die verbindende Form zwischen Reptil und Vogel die Bezeichnung Eidechsenvogel" gebraucht, so wendet man in diesem Falle den Ter­minus Lurchfisch" an.

Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

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Im Jahre 1835 wurde von dem österreichischen Ornithologen Johann Natterer   in den Sümpfen des Amazonen- Gebietes das erste lebendige Thier ent­deckt, das in seinem Aeußeren unserem hypothetischen Molchfische etwa entsprechen wiirde. Das Thier, von etwa Meterlänge, hatte einen aalförmigen Körper mit zusammenhängendem Flossensaum, war beschuppt wie ein Fisch, hatte auch eine Art Flossen statt der Beine und trug zu beiden Seiten des Halses voll­kommen ausgebildete Kiemen. Die Judianer nannten es Caramuru, und der Entdecker gab ihm den Namen Schuppenmolch", weil er es zu den Molchen stellen zu müssen glaubte. Der wissenschaftliche Name ist ,, parador" deshalb, weil Lepidosiren paradoxa das Thier neben den Merkmalen eines Fisches die Natur eines Molches insofern theilt, als es durch zwei vollkommen arbeitsfähige Lungen athmet und auch sonst in seiner Organisation an diese Ordnung der Amphibien erinnert. Die Nasenlöcher führen nämlich in eine weite Nasenkapsel, deren beide Gänge nach unten in die Mundhöhle kurz hinter der Schnauzen spige geöffnet sind. Hinter den Kiemenspalten findet sich in der vorderen Wand des Schlundes eine Stimm­rige, welche in eine weite, von Knorpeln geſtügte Stimmlade und in zwei wohl ausgebildete zellige Stimmlade und in zwei wohl ausgebildete zellige Lungensäcke führt, die durch rein venöses Blut vom Herzen aus gespeist werden und arterielles Blut in den Strom der Aorta abgeben. Bei geschlossenem Maule ist demnach durch die Nasenlöcher ein voll­kommener Luftweg hergestellt, was bei keinem Fische kommener Luftweg hergestellt, was bei keinem Fische sonst der Fall ist, eben so wenig als irgend ein anderer Fisch eine an der vorderen Wand des Schlundes geöffnete Lunge besitzt, welche venöses Schlundes geöffnete Lunge befißt, welche venöses Blut enthält. Diese Natterersche Entdeckung paßte allerdings nicht in den Kram der Systematiker, aber sie war nicht aus der Welt zu bringen. Da traf die guten Leutchen zufolge der berüchtigten Dupli­zität der Zufälle" ein zweites Verhängniß. Kurz nach der Entdeckung des Schuppenmolches wurde aus Westafrika   ein anderer Molchfisch bekannt. Nach Henglin sollte dieser von den Negern Dako" und " Komtat" genannte Fisch in den Gewässern von ganz Mittel- und Innerafrifa leben; zuerst gefunden wurde er im Weißen Nil  . Die Wissenschaft nannte den Afrikaner Protopterus annectens, der Gattungs­name bedeutet so viel wie Erstflosser" und der Art­name( annectens anknüpfend) weist auf seine ver­mittelnde Stellung hin. Er ist größer als der Süd­amerikaner, da er fast zwei Meter lang wird, und unterscheidet sich sonst von jenem insofern, als die Kiemenöffnungen je drei kleine Riemenanhänge tragen. Auch bei ihm konnte ein regelrechtes Lungenathmungs­system konstatirt werden; die Athmung geschah wie dort durch zwei Lungen.

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Da trat Darivin auf, durch dessen Hilfe die Uebergangsthiere erst verstanden wurden. Zufolge seiner Lehre wurden die beiden Molchfische als ver­bindende Station zwischen Fischen und Amphibien erkannt.

Die Umwandlung der Kiemenathmung in Lungen­athmung fällt aber weit vor unsere Zeitrechnung. Die aufgefundenen versteinerten Reste, Abdrücke von Gräten, Schuppen, Zähnen usw. lehren, daß von den Wirbelthieren zuerst die Fische vorhanden waren. Erst in der Steinkohlenzeit, aber immer noch Millionen von Jahren vor unseren Tagen sind die Amphibien aufgetreten, wenigstens kennen wir erst aus dieser Epoche die ersten versteinerten Reste dieser Thier­klasse. In der Periode zwischen diesen Zeitabschnitten scheint nun die Umwandlung von einem Theil der Fische in landbewohnende lungenathmende Thiere er­folgt zu sein, und diese Periode ist dann auch wohl das d'Orado der Lurchfische gewesen. Ueberreste aus dieser Zeit, die etwa auf Ahnen der lebend gefun denen Molchfische hätten schließen lassen, wurden nirgends gefunden.

Während man in der gesammten Gelehrtenwelt über das Wenn und Dann" diskutirte, machte man in dem Wunderlande eine neue Entdeckung. Dem Kurator des Museums in Sidney, Gerhard Krafft, ging durch Vermittelung eines Herrn Forster ein dritter Molchfisch zu. Dem Empfänger war der Fisch vollständig unbekannt; der englische Squatter hatte ihn gelegentlich seiner Naturbeobachtungen, die

er seit einigen Jahren zu seinem Vergnügen trieb, in einem Flusse des östlichen Australien  , im Burnett in Queensland  , kennen gelernt. Es war der Burnett­Lachs der Eingeborenen( wegen seines prächtig rothen Fleisches so genannt) und der Djelleh der Schwarzen. Aeußerlich hatte er, gleich seinen Vettern in Afrika   und Südamerika   ganz die Gestalt eines Fisches. Er maß etwas über einen Meter und hatte etwa die Grundform des Karpfen. Die Flossen waren indeß anders gebaut: nicht nur, daß die Rücken, Schwanz- und Afterflosse zusammengefaßt ist und in der Form eines Flossensaumes um das spizze Ende des Leibes herumgreift, auch die Brust­und Bauchflossen hatten Umbildungen erfahren. Die ziemlich großen ruderförmig gebauten Flossen lassen deutlich eine Hauptachse mit ansigenden Seitenstrahlen erkennen und dieser Mittelstammt scheint sehr wohl geeignet, etwaige Kriechbewegungen des Thieres auf dem Lande zu ermöglichen, beziehungsweise zu unter­stizen. Das Skelett dieses Molchfisches ist ganz von der Beschaffenheit, wie man es bei den ältesten Fischgruppen, z. B. den Haien beobachtet hat, knorpelig und ohne jegliche Härte. Besonderes Intereſſe bietet die Bezahnung des Thieres. Die Zahl der Zähne ist äußerst flein. Im Unterkiefer figen zwei wellig eingeferbte Zahnplatten und auch das Pflugscharbein trägt zwei schneidezahuförmige Zähne. Die tiefe Zackung des Zahnrandes ähnelt der eines Hahnen­fammes. Wer so gestaltete Zähne einmal gesehen hat, in natura oder im Bilde, der vergißt ihre Ge­stalt nicht wieder. So wurde auch der Museums­direktor in Sidney durch die sonderbare Form der Gaumenzähne des ihm vorliegenden Molchfisches an Zahndarstellungen erinnert, wie sie Agassiz  , Professor am Hervard College in Cambridge   bei Boston   in Massachusets   und gewiegter Kenner der ausgestor­benen Thiere, schon vor Jahrzehnten in seinen Büchern gebracht hatte. Die Zähne kannte man wohl, nahm auch an, daß es Fischzähne seien, und wußte sogar, daß Millionen von Jahren vergangen waren, seitdem die Träger derselben sich dieses Be­sizes erfreuten. Wegen der Hahnenkammartigen Zähne hatte man die Gruppe jener störähnlichen Fische, die im paläozoischen und mesozoischen Zeitalter gelebt haben, Ceratodus genannt, d. i. Hornzahn oder Horn­zähner. Die spätere Wissenschaft trennte indeß auf Grund vorliegenden Beweismaterials die Ceratodae von den Acipenseridae.

Der Träger solcher Zähne lag im Museum zu Sidney; es war zweifelsohne ein Ceratodus. So war der ungewöhnliche und höchst merkwürdige Fall eingetreten, daß ein Thier, welches viele Jahre hin­durch nur winzigen Resten nach bekannt war, das für fossil" gehalten und als Bewohner der Urwelt angesehen wurde, leibhaftig und frisch gefangen vor­lag: ein lebendiger Fisch aus der Urwelt!

Diese Entdeckung machte alle Angriffe der Anti­Darwinianer auf das System des großen Briten zu nichte und wurde nicht nur zu einem Baustein, son­dern sogar zu einem Grundpfeiler der Descendenz­Ceratodusreste fand man selbst in den theorie. Schichten der Triasperiode, das ist jene Zeit der Erdgeschichte, welche der Juraformation vorauf geht und die Aera des Ichthyosauraus und seiner Sipp­schaft bildet, ja, es gelang, die Molchfischzeit in die Devonperiode, welche viel älter noch als die Trias, älter noch sogar als die Steinkohlenzeit ist, zu ver legen. Die Ceratodusarten scheinen, wenn man nach Zahnfunden schließen darf, in jener Zeit fast über die ganze Welt verbreitet gewesen zu sein. Man kennt solche Funde nicht nur aus Australien  , Ost­indien und Nordamerika  , sondern auch aus Europa  ; selbst in Deutschland   hat man Ceratoduszähne ge­funden, so im Schwäbischen   und in der Gegend von Magdeburg  .

Das Thier, welchem Krafft zu Ehren Forsters  den Artnamen Forsteri( C. Forsteri) gegeben hatte, war bekannt, aber über seine Lebensgeschichte wußte man absolut nichts, wie werthvoll dies auch gewesen wäre, da bekanntlich nach dem biogenetischen Grund­gesetz die Entwickelung des Einzelindividuums eine Wiederholung der Entwickelungsgeschichte der Art ist.

Daher wurde es nun Aufgabe, den Bildungs­gang des Ceratodus ab ovo zu studiren, und vor