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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Bücher!.. Wenn man Dich hätte tüchtig lernen lassen, so würdest Du... Na, davon später. Hör' mal, hast Du Geld?"

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Ja!"

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Sein Gesicht wurde roth vor Frende. Dit hältst Deiner häßlichen Gewohnheit gemäß das Geld in der Bank für drei Prozent. Ich will Dir sechs, Ich will Dir sechs, sogar wegen unserer verwandschaftlichen Beziehungen acht Prozent dafür geben."

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Ich kann Euch das Geld nicht geben."

Warum? Weshalb kannst Du es nicht her­geben? Das ist ja eine Frechheit, lieber Freund." " Ich kann und werde es auch nicht hergeben."

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Aber ich habe Dich doch erzogen, Dich ernährt,

Neue Zeit.

s zieht die neue Beit

An meinem Blick vorüber, Die Seele schweift hinüber, Ein Traumland dehnt sich weit.

Dort wandeln Hand in Kand Der Arbeit freie Söhne, Der Frauen Reiz und Schöne Sält meinen Blick gebannt.

And rings in Stadt und Flur Ein friedliches Genießen, Verschwendrisch sich ergießen Die Schäße der Natur.

Die Siebe wird zum Meer And flutßet allerwegen, Ein wundersamer Segen Schwebt leuchtend drüber her.

So schaut die Erde ich Im Zeichen der Vollendung. O Geist der neuen Sendung Komm und erfülle dich!

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Schelm von Bremen .

Die Waise. Ein paar furze Säße mur enthielt der Brief, den der Bote soeben gebracht. Er kam aus der fernen Stadt und war von unbekannter Hand geschrieben. Darin war der alten Frau mitgetheilt, ihre Tochter und deren Mann wären beide kurz hintereinander gestorben; woran, war garnicht gesagt, es war auch ohnedies ver­ständlich. Hier auf dem Dorfe hatten sie ihren Unter­halt nicht finden können, obwohl sie sich von früh bis spät geplagt hatten. Nun hatten sie geglaubt, sie würden draußen weiter kommen und dies war das Ende! Die alte Mutter ist wie versteinert. Gebeugt sigt sie auf ihrem alten Holzstuhl, schwer stützt sich die Rechte auf den Stock. Der Ausdruck ihres Gesichtes zeigt, wie schwer der Schlag sie getroffen: der Blick ist starr in die Ferne gerichtet, der Mund verzicht sich, noch einen Augenblick, dann wird es die Wangen herabrollen, erst langsam, dann schneller, bis eine Zähre die andere schlägt. Und nicht nur der Schmerz um die Verlorenen, auch die Sorge um das Mädchen vor ihr drückt ihr das Herz. Noch weiß das kleine Ding freilich nicht recht, was dieses Unglück für sie bedeutet. Nur da die Großmutter so still geworden ist und auf ihr Geplauder nicht eingeht wie sonst, bemächtigt sich ihrer ein dumpfes Gefühl, und eine Bangigkeit steigt in ihr auf; sie schmiegt sich eng an die Großmutter, die den Arm um sie legt, wie um sie zu schüßen. Sie fröstelt, und in ihren dunklen, weit offenen Augen, in dem Zug um den Mund malt sich eine un­bestimmte Furcht.

Die Publizistik im 17. Jahrhundert. Politische Zeitschriften, so führt Menz in seiner Broschüre über dieses Thema aus, sind erst eine Erfindung der aller­letzten Jahre des ficbzehnten Jahrhunderts, Zeitungen dagegen, d. h. periodisch erscheinende Nachrichtenblätter, entstanden schon am Anfange des Jahrhunderts; die erste, die wir kennen, stammt aus dem Jahre 1609. Allerdings muß man schon sehr zwischen den Zeilen lesen, um in ihnen eine politische Anschauung zu ent­decken; denn die damaligen Zeitungen bestanden nur aus dem, was man jezt als Tagesbegebenheiten und tele­graphische Depeschen zu bezeichnen pflegt, aus trockenen, meist ganz objektiv gehaltenen Mittheilungen über That sachen. Nicht ohne Interesse ist es, zu beobachten, was in diesen Zeitungen nun eigentlich berichtet wird.

ich stillte Deinen Durst und Hunger. Hast Du Undankbarer denn schon Alles vergessen?"

Er nannte mich undankbar! Doch ich fannte ihn ja sehr gut und wunderte mich nicht mehr.

" Schicken Sie mir eine Rechnung darüber, wie viel Sie für mich ausgegeben haben, und haupt­sächlich darüber, was meine Erziehung gekostet hat, und ich werde sofort zahlen."

Aber jetzt standen Thränen in seinen Augen. Der stolze Mann faßte meine Hände und ließ sich vor mir auf die Kniee nieder. Ich schämte mich und empfand auch etwas, was mein Nachegefühl beruhigte. So lauschte ich den Worten meines Vaters.

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Feuilleton.

Die Nachrichten aus dem Auslande, vor Allem aus Nom, Venedig , Antwerpen und dem Haag, nahmen in den Zeitungen den Hauptraum ein, außerdem spielten die Ereignisse in den österreichischen Erblanden zeitweilig eine große Rolle. Es ist erstaunlich, wie gut man etwa in den Jahren 1619 und 1620 in Berlin über die Vor­gänge in Böhmen und Mähren unterrichtet war. Die Berliner Zeitungen müssen sehr gute Berichterstatter in der unmittelbaren Umgebung der böhmischen Machthaber gehabt haben. Vielleicht haben diese auch selbst dafür gesorgt, daß das protestantische Deutschland über ihre Erfolge unterrichtet wurde. Denn früh schon verstanden es die Regierungen und Parteien, die Zeitungen ihren Zwecken dienstbar zu machen, durch Nachrichten, die sie ihnen zukommen ließen, auf die öffentliche Meinung zu wirfen. So sandten Wallenstein's Offiziere während seiner Feldzüge in Norddeutschland genaue Berichte über seine Erfolge an die Münchener Zeitungen, ein Bericht Tilli's an Maximilian über die Einnahme von Magde­ burg wurde in einer Münchener Zeitung abgedruckt, und so lange die Schweden Frankfurt a. M. besaßen, mußte die dortige Zeitung in ihrem Interesse schreiben. Eine eigene Meinung bei den Zeinungen zu entdecken, ist nur selten möglich. Mußten sie doch stets vor der Zensur, vor dem Verlust ihres Privilegiums zittern. Immerhin kann man an gewissen zarten Färbungen erkennen, ob eine Zeitung fatholisch oder protestantisch ist. Leiden­schaftlich nimmt der Münchener Merfur 1631 gegen den König von Schweden Partei, und 1628 beklagte sich die Wiener Regierung sogar bei dem brandenburgischen Minister Schwarzenberg darüber, daß die Berliner Zei­tungen so antifaiserlich seien, stets von der kaiserlichen Armee nur Niederlagen, von ihren Gegnern nur Siege berichteten. Auch zur Zeit der Raubkriege Ludwigs XIV. läßt sich in den Zeitungsnachrichten eine gewisse anti­französische Stimmung nicht verkennen. So mögen denn auch die Zeitungen hier und da die Stimmung im Volke beeinflußt haben. An Lesern hat es ihnen nie gefehlt. Schon aus dem Anfange des Jahrhunderts wird uns berichtet, daß selbst Krämer, Handwerker, ja öfters der Bauer auf dem Dorfe aus Vorwiz" die neuen Zei­tungen auffauft und liest, während er doch nur den zehnten Theil davon verstehe. Bei ihrem geringen Um­fange( fie umfaßten meist nur zwei Quartblätter) waren die Zeitungen nicht im Stande, ausführlich über wichtige Ereignisse, über Schlachten und Friedensschlüsse, über Hochzeitsfeierlichkeiten und Leichenbegängnisse hoher Herren zu berichten.

In solchen Fällen traten die Relationen an ihre Stelle. Sie sind älter als die Zeitungen, so alt wie die Buchdruckerkunst. Auch sie sind meist ganz trocken und charakterlos, verrathen oft auch bei den aller­wichtigsten Ereignissen keine Spur von Theilnahme. Oft lassen sie sich daher mit großem Nuzen als unparteiische Zeugnisse über die Begebenheiten verwerthen. Aber man muß doch auch bei ihrer Benutzung sehr vorsichtig vor= gehen, denn auch sie sind vielfach offiziösen Ursprungs. So hat man z. B. festgestellt, daß die Relationen über den Krieg Deutschlands gegen Frankreich in den Jahren 1674 und 1675 größtentheils aus dem Hauptquariiere selbst stammten und bestimmt waren, die öffentliche Meinung zu Gunsten der Heeresleitung zu beeinflussen, vielfach im kaiserlichen Sinne und zu Ungunsten der Brandenburger. Aber auch der große Kurfürst verstand es in anderen Fällen, in solcher Weise Geschichte zu machen. Er selbst verfaßte einen Bericht über den Nück­zug von Colmar nach Straßburg im Jahre 1674, und für das Theatrum Europaeum mußte einer seiner Militärs eine Schilderung der Schlacht bei Warschau entwerfen, damit das Verdienst der brandenburgischen Truppen in's rechte Licht gesetzt werde. Denn mochten die Herrscher jener Zeit noch so selbstherrlich regieren, so waren sie doch gegenüber der öffentlichen Meinung nichts weniger als gleichgültig. Nie hat man sich wohl so sehr wie im siebzehnten Jahrhundert bemüht, jeden Schritt, auch den schreiendsten Rechtsbruch, als rechtlich wohl­begründet zu erweisen.

An die Staatsschriften schließen sich die eigentlichen Flugschriften an. Man hat ihnen in lezter Zeit viel­

Nette uns, nur Du allein kannst uns retten. Mein Sohn hat Kronengelder verspielt. Zehntausend Rubel. Wir werden es Dir wieder geben. Sonst bleibt ihm ja nur übrig, sich eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Hättest Du nur ein Kind gehabt, so würdest Du mich verstehen und mitempfinden, was es fiir ein Vaterherz bedeutet, den einzigen Sohn zu verlieren."

Der unverbesserliche Egoist fühlte nicht, daß er in diesem verhängnißvollen Augenblicke, wo er ganz von meiner Gutmüthigkeit abhing, mich tief beleidigte. Den Einzigen... ( Fortsetzung folgt.)

fach seine Aufmerksamkeit zugewandt, dabei aber zuweilen nicht genügend berücksichtigt, daß auch ein großer Theil dieser Schriften offiziösen Ursprungs ist. Ihr Zweck ist, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, aber sie sind nicht selbst die öffentliche Meinung. Vor Allem die Diplomaten find, zuweilen sogar im Gegensatz gegen ihre eigene Regierung, in dieser Weise thätig. Oft ist die Tendenz dieser Schriften sehr verborgen; mit großer Ge­schicklichkeit sucht man jede Spur ihres Ursprungs zu verwischen; wenn man aber irgend welche Schlüsse aus irgend einer dieser Flugschriften ziehen will, muß man stets erst so genau wie möglich ihre Herkunft feststellen.

Nicht unbedeutend ist endlich die Zahl der Schriften, die in der That unabhängig sind, ein wirklicher Ausdruck der im Volfe, unter den Gebildeten des Volkes, ver­breiteten Meinungen. Wohl sind es auch dann nur die Stimmen Einzelner, die wir hören, aber wo sie sich in gemeinsamen Anschauungen vereinigen, fann man sie doch wohl als Ausdruck der öffentlichen Meinung bezeichnen. Schon der Investiturstreit war von einer Flugschriften­literatur begleitet, aber zu rechter Entwickelung fonnte sie doch erst kommen, nachdem die Erfindung der Buch­druckerkunft ihre schnelle und weite Verbreitung ermöglicht hatte. Seitdem rief jedes wichtige Ereigniß der deutschen Geschichte eine Fluth solcher fliegenden Blätter und Bro­schüren hervor. Ihre Zahl zu bestimmen, ist unmöglich, weiß man doch bis jetzt nicht einmal, was erhalten ist, und viel ist offenbar verloren. Die Staatsbibliothek zu München besitzt etwa 2000 Flugschriften aus der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, für das Jahr 1689 allein 150 Stück. Die Verbreitung der Flugschriften fann nicht gering gewesen sein, liegen uns doch sehr viele in mehreren Auflagen vor, Uebersezungen und Nachdrucke wurden lohnend gefunden. Und wenn wir hören, daß der Severinus de Monzambano, eine doch immerhin ge= lehrte, vor allem eine lateinische Schrift, in Deutschland allein in 300 000 Gremplaren abgedruckt wurde( eine horrende Zahl, selbst wenn wir eine Null streichen), so fönnen wir uns einen Begriff davon machen, wie zahl= reiche Leser damals ein publizistischer Schriffteller fand. Die Größe der Flugschriften ist sehr verschieden, von ein­zelnen Flugblättern geht es durch alle Stufen bis zum Hunderte von Seiten umfassenden Werke. Was die Sprache betrifft, so streiten sich die lateinische und deutsche noch um die Vorherrschaft, daneben finden sich französische, holländische und italienische Flugschriften. Die fremd­sprachigen wurden, wenn sie einigermaßen von Bedeutung waren, meist bald in's Deutsche übersetzt; manche erschienen auch von vornherein in mehreren Sprachen gleichzeitig. Die Titel sind nach der Art der Zeit meist sehr lang= athmig, enthalten zugleich die Inhaltsangabe, dienten wohl auch zur Reklame. Fast allen fehlt der Name des Verfassers, die Anonymität war ein beinahe unent­behrliches Erforderniß eines publizistischen Werkes jener Zeit; nur so entging man der Zensur. Die gefährlichsten Sachen wurden im Auslande, in Holland gedruckt, doch gab man auch dann den Druckort oft nicht genau an. Köln ist einer der Hauptverlagsorte dieser Schriften, ferner Straßburg und überhaupt die Reichsstädte, weil dort die Zensur weniger streng war. Der Inhalt der Flugschriften ist sehr mannigfaltig. Jedes wichtigere po= litische Ereigniß des Jahrhunderts wird auf's Gründ­lichste in dieser Literatur erörtert. Auch kirchliche An­gelegenheiten sind selbst am Ende des Jahrhunderts noch im Stande, die Gemüther zu erhizen. Hier und da werden auch soziale Fragen behandelt. Die Mißwirthschaft der Kipper- und Wipperzeit rief eine ganze Literatur hervor, und nach dem westfälischen Frieden entspann sich eine eifrige Debatte darüber, wie man am besten die während des Krieges aufgelaufenen Schulden aus der Welt schaffen könne.

Nachdruck des Juhalts verboten!

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Verantwortlicher Redakteur: Oscar Kühl in Charlottenburg. - Verlag: Hamburger Buchdruckeret und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg .

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Druck: Mar Bading in Verlin ,