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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

hier von einer Neuschaffung von Elektrizität, die überdies auch mit allen Naturgesezen, insbesonders mit dem Gesez von der Erhaltung der Energie, im Widerspruch stehen würde, keine Rede ist. Das treibende Moment für die Bewegung der Friftions­molekeln mit Hülfe von elektrischen Maschinen ist freilich ganz anderer Art als bei den galvanischen Elementen, wenn auch in Bezug auf die Wirkung kein Unterschied zu verspüren ist, ob die Elektrizität in dem äußeren Leiter durch ein galvanisches Ele­ment, durch Reibung oder durch eine sogenannte dynamo- elektrische Maschine in Bewegung gesetzt worden ist.

Um die Wirkungsweise einer elektrischen Maschine zu erkennen, müssen wir uns zunächst an die Er= flärung des Magnetismus erinnern, wie ich sie in Nr. 35 der Neuen Welt" gegeben habe. Man hat sich hiernach vorzustellen, daß in einem Magnetstabe oder in einem Eisenstabe, um den ein elektrischer Strom herumgeleitet wird( ein Elektromagnet), alle Achsen der stofflichen Wirbel in die Richtung des Stabes gestellt werden, so daß sich Wirbelpol an Wirbelpol reiht. An den Enden des Stabes hat diese Erscheinung aber noch nicht ihr Ende erreicht, vielmehr setzt sich der Vorgang hier durch die Luft fort, bis der Wirbelfaden nach dem anderen Ende des Stabes in sich vollständig geschlossen ist.

Das Vorhandensein solcher Wirbelfäden oder Kraftlinien, wie sie Faraday nannte, ist nun die wesentliche Voraussetzung für das Entstehen beweg­ter Elektrizität in einer dynamoelektrischen Maschine.

Wie dies geschieht wird aus der folgenden Ueberlegung flar:

Wir gehen dazu auf unsere Fig. 2 aus Nr. 25 zurück, die wir hier noch einmal abdrucken.

Der stoffliche Wirbel ai wirkt etwa wie eine rauhe Fläche, die bei ihrer Bewegung die Frit tionsmolefeln bei der Abwärtsbewegung mitzu­nehmen sucht; andererseits aber sucht der stoff­liche Wirbel as die Friftionsmolekeln aufwärts zu bewegen. Bei gleicher Wirbelgeschwindigkeit der stofflichen Wirbel werden also die Friktions­molekeln durchaus in ihrer Lage verharren, sie werden lediglich eine rotirende Bewegung vollführen. Sobald jedoch einer der stofflichen Wirbel rascher rotirt, so wird auf die Friktionsmolekeln die Differenz der Wirbelgeschwindigkeiten zur Wirksamkeit kommen, und sie werden eine Bewegung in der Richtung der rascher rotirenden Stoffwirbel anstreben. Man kann sich von diesem Vorgange sehr leicht eine sinnliche Vorstellung verschaffen. Ein kantiger Bleistift zwischen den beiden flachen Händen stelle ein Friktionsmolefel dar. Bewegt man die beiden Hände in verschiedener Richtung, die eine nach oben, die andere nach unten gleich rasch, so wird der Bleistift seine Lage im Raume nicht verändern. Hat dagegen die eine Hand eine größere Geschwindigkeit, so wird ihr der kantige Bleistift langsam folgen. Nach den früheren Aus­einandersetzungen könnte diesem Vorgange ganz analog in elektrischen Leitern ein Fortwandern oder Strömen der Friktionsmolekeln stattfinden. Vorausgesezt ist hierbei nur, daß die Differenz in der Notations­geschwindigkeit der stofflichen Wirbel erhalten bleibt.

Seßt man also elektrische Leiter mit ihren Frik­tionsmolekeln derartigen Differenzen der magnetischen Wirbelgeschwindigkeit aus, so ist man in der Lage, elektrische Ströme hervorzurufen.

Es kann dies in zweierlei Weise geschehen. Erstens, indem man in einem in der Nähe befind­lichen Leiter Ströme entstehen und aufhören läßt, wie dies in der That auch bei den jetzt so häufig verwandten Transformatoren geschieht, oder zweitens, indem man den Leiter in einem ruhenden Magnet­felde bewegt. Gerade dieser letztere Fall ist aber besonders bedeutungsvoll, weil hierin die Mittel angedeutet sind, wie man mit Hilfe einfacher mechanischer Bewegung elektrische Ströme zu erzeugen vermag. Die Maschinen, mit denen man diese Leistung vollzieht, sind eben die schon vorhin genann­ten dynamo- elektrischen Maschinen, die man auch häufig fürzer Dynamo- Maschinen oder Dynamo nennt.

Nimmt man die Figur 3 zu Hilfe, so ergiebt fich sehr einfach, wie in einem bewegten elektrischen

Leiter ein elektrischer Strom entsteht, eine elektro­motorische Kraft induzirt wird, wenn der Leiter in einem magnetischen Felde bewegt wird.

Für die Konstruktion von dynamo- elektrischen Maschinen mird man natürlich diejenige Art der Bewegung eines elektrischen Leiters wählen müssen, bei der in zweckmäßiger Weise und unter möglichst vollständiger Ansnüßung der verwandten Drahtlänge die jeweils größte elektro- motorische Kraft induzirt zu werden vermag.

Als erste Vorausseßung kommt hier die Her stellung eines fräftigen magnetischen Feldes in Betracht, d. h. eines Luftraumes, in dem die von Pol zu Pol gehenden Luftfäden gezwungen werden, so intensiv als möglich zu wirbeln, die zweite Voraussetzung erstreckt sich dann auf die zweckmäßige Anordnung der Leiter und ihrer Bewegung.

Daß für die Erzeugung einer kontinuirlichen Bewegung nur die Drehbewegung in Betracht kommen kann, wenn es sich um Maschinen handelt, bedarf wohl kaum einer besonderen Betonung.

Was nun die Erzeugung eines intensiven magneti­schen Feldes anbetrifft, so macht dies unter Ver= wendung von Elektromagneten durchaus keine Schwierigkeit, wenn man deren Pole nach Möglich­keit einander nähert, wie dies z. B. bei den sogenannten Hufeisenmagneten der Fall ist.

In Fig. 4 ist das Prinzip einer solchen Dynamo­maschine erläutert. Die Schenkel des eisernen Huf eisens A werden durch einen herumgewundenen, von Elektrizität durchflossenen Draht zu einem starken Magneten gemacht, der in S und N seine Pole hat. Da die Pole einander sehr nahe stehen, so gehen die magnetischen Kraftlinien in ziemlich direktem Wege von einem Pole zum anderen. Denkt man sich nun in dem magnetischen Felde einen rechteckig gebogenen Draht herumgedreht, dessen beide Enden, die die elektrische Druckdifferenz, entsprechend den beiden Punkten A und E bei unserem früheren Wassermodell, mit der äußeren Leitung in Verbindung bringen soll, so stellt uns das Ganze die denkbar einfachste Dynamomaschine dar. Verbindet man die beiden Enden des rechteckig gebogenen Drahtes mit zwei halbrund gebogenen Metallstücken, die von ein­ander isolirt sind( Fig. 5), so kann man folgenden Vorgang beobachten: Die beiden Metallbürsten B B, die in einer bestimmten Lage feststehen und mit der Außenleitung verbunden werden, schleifen beim Drehen auf den beiden halbkreisförmigen Metall­Stücken, sie werden dabei immer mit demjenigen Ende des Drahtes in Verbindung gebracht, in dem der elektrische Druck nach derselben Richtung aus­geübt wird. So ist z. B. hier die obere Bürste immer mit derjenigen Hälfte des Drahtrechtecks ver­bunden, die bei dem Nordpole vorübergeht. Die Wirbelfäden des Luftraumes bezw. die magnetischen Kraftlinien sind in unserer Abbildung durch punktirte Linien angedeutet. Dreht sich das Rechteck im Sinne des Uhrzeigers, so schneidet die untere Hälfte, von 0° ausgehend, diese Wirbelfäden vor dem Südpol , und der erzeugte elektrische Druck ist nach vorn gerichtet; das Umgekehrte ist mit der oberen Drahthälfte der Fall. Durch Vermehrung der Anzahl der Drähte und ihre passende Verbindung untereinander kann der elektrische Druck auf jede beliebige Höhe gebracht werden, die heute, wo vorzügliche Isolations­materialien zur Verfügung stehen, praktisch keine Grenzen mehr hat. Zu beachten ist hierbei noch, daß der elektrische Druck von der magnetischen Wirbelintensität der Luftfäden und von der Ge­schwindigkeit abhängig ist, mit der die Drähte das magnetische Feld quer durchschneiden.

Zur Verstärkung des magnetischen Feldes be­ziehungsweise zur Verminderung des magnetischen Widerstandes wird innerhalb der Drähte noch Eisen angeordnet, dessen magnetischer Widerstand, wie wir gesehen haben, ja ungleich geringer als der der Luft iſt.

Wenn man sich vergegenwärtigt, daß mit der Bewegung der Drähte in einem magnetischen Felde eine Arbeit verbunden ist, weil durch die Neibung der Friktionsmolekeln an den magnetischen Wirbeln eine Bewegung der Friktionsmolekeln in einem Wider­stand leistenden Mittel erzeugt wird, so ist es un­

mittelbar einleuchtend, daß strömende Elektrizität nur durch Aufwendung einer gleichwerthigen Arbeit erzeugt werden kann; oder mit anderen Worten: wenn wir mechanische Arbeit aufivenden, um den rotirenden Theil einer Dynamomaschine, den Anfer in Bewegung zu sehen, so wird die dadurch in Be­wegung gesezte Elektrizitätsmenge in einem genau beſtimmten Verhältniß zu der aufgewendeten mecha­nischen Arbeit stehen.

Zum Schlusse wollen wir noch auf das Prinzip eines für die moderne Elektrotechnik außerordentlich wichtigen Apparates, des sogenannten Trans­formators eingehen.

Der Transformator besteht im Wesentlichen aus einem System von zwei parallel zu einander ge= wickelten Drahtspulen, die sorgfältig von einander isolirt sind. Leitet man durch die eine Spule einen kurz andauernden Stromimpuls hindurch, so entsteht in der zweiten Spule gleichfalls ein Stromimpuls, dessen Energie im Wesentlichen gleich der Energie des ersten Stromimpulses ist. Dagegen können je nach der Art der Windung der beiden Spulen Strom­stärke und Gefälle, das, was wir früher Druck­unterschied oder Spannung nannten, sehr verschieden von einander sein. Man vermag, wenn in der ersten Spule ein sehr starker, aber niedrig gespannter Strom verläuft, in der zweiten einen Strom von relativ geringer Stärke, aber sehr hoher Spannung zu ers zeugen und umgekehrt.

Den Vorgang nennt man allgemein die In­duktionswirkung eines Stromes auf einen benach­barten Leiter. Von dem inneren Vorgange können barten Leiter. wir uns aber mit Hülfe unserer Annahme von den Friktionsmolefeln sehr leicht eine Vorstellung machen.

Denten wir uns in Fig. 6 einen beliebig erzeugten Strom, der in einer bestimmten Richtung verläuft, 3. B. bei I von unten nach oben. Die bewegten Friktionsmolefeln erzeugen nun in dem umgebenden Medium stoffliche Wirbel, wie etwa ein in's Wasser geworfener Stein Wellenringe erzeugt, die sich immer weiter und weiter fortpflanzen. Gelangt nun diese elektro- magnetische Welle auf einen zweiten Leiter mit geschlossenem Stromkreise, 3. B. bei II, so werden die stofflichen Wirbel dort die Friktions­molekeln zur Bewegung bringen, und zwar, wie unsere Abbildung es anschaulich zur Darstellung bringt, in umgekehrter Nichtung, als dies bei dem ersten Strome der Fall gewesen ist.

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Rousseau und sein Emil

Von H. Trier.

Persönlichkeiten, die den Ausdruck ihrer Zeit bildeten, können die Nachgeborenen in zwei­facher Weise interessiren. Es können ihre Gedanken sein, deren Pulsschlag noch in der Gegen­wart lebendig ist, es können ihre Werke sein, deren Wirkungen man um sich herum noch sieht. Es kann aber auch ihr persönliches Leben, ihre rein menschliche Eigenthümlichkeit sein, die noch aus der Vergangenheit eine eigenthümliche Anziehungskraft auf uns ausübt.

In Rousseau vereinigen sich beide Wirkungs­arten, und um ein innerhalb enger Grenzen vollständiges Bild von ihm zu geben, wird es daher nöthig sein, auch sein Leben in den Umrissen zu skizziren.

Rousseau wurde im Jahre 1712 in Genf ge­boren. Sein Vater war Uhrmacher und seine Mutter, eine Pastorstochter, starb bereits bei seiner Geburt. Der Vater war eine merkwürdig unruhige Natur mit einer immer regen Phantasie, die als Erbtheil auf den Sohn überging. Die ersten Jahre seines Lebens blieb der Kleine bei seinem Vater und bereits damals als kleiner Knabe verbrachte er manches Mal mit diesem zusammen die stillen Nachtſtunden mit der Lektire spannender Romane. Die Mutter hatte eine Büchersammlung hinterlassen, und die Vertiefung in diese war für den Vater eine Ver­tiefung in das Angedenken der Frau, die er ver­