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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
liegt, der sich einen Wagen hämmert. Rousseau hält den Knaben an einer Rosenkette fest und blickt väterlich auf ihn hinab. Seitlich am Körper Rousseau's hinauf steht ein Schild; auf dem Schild ist eine Szene aus dem altmodischen Schulleben eingegraben: Der Lehrer steht zornig mit erhobener Ruthe vor seinen unglücklichen Schülern. Der Schild ist aber mitten entzwei geborsten. Auf dem Sockel sieht man im Hintergrunde die öffentliche Meinung sigen, mit einer Posaune in die Welt hinausblasend. Im Vordergrunde steht auf der einen Seite ein Vater mit seinem Sohn; sie kehren der öffentlichen Meinung den Rücken zu, und der Vater spricht augenscheinlich wie folgt zu seinem Sohne:„ Das Posaunengetöse da hinten geht Dich nichts an; Du sollst darnach streben, etwas zu sein, gleichgültig, was Du dabei scheinen magst. Du sollst wie ein Mann handeln und Dich nicht um die Meinung der Welt bekümmern." Auf der anderen
und als er in seine Vaterstadt floh, wurde er auch dort verjagt. Schließlich folgte er einer Einladung nach England zu dem Denker David Hume ; aber sein krankhaftes Mißtrauen führt bald den Bruch herbei. Er kehrt nach Frankreich zurück. Immer mehr und mehr sinkt er in sich zusammen, immer mehr und mehr fühlt er, daß sein Nervenleben zermehr und mehr fühlt er, daß sein Nervenleben zer rüttet ist und daß er und die Menschen nichts mehr miteinander gemein haben. Er, der sich zum Verfünder der Menschenliebe gemacht hatte, sieht sich aus der Menschheit ausgestoßen. Als er, 66 Jahre alt, einmal von einem Spaziergang zurückkehrte, erlosch plötzlich sein Leben. Ob er eines natürlichen Todes gestorben oder ob er selbst Hand an sich gelegt, ist niemals aufgeklärt worden.-
aus Rohrzucker fir helle und Traubenzucker oder Melasse für dunklere Schattirungen behandelt und weist dann eine Erschwerung bis zu 10 Prozent auf. Um die mit Zucker beladenen Seiden für Fliegen und Bienen möglichst wenig anlockend zu machen, wird dem Bade eine Abkochung von Bittersalz zugesezt. Da aber die reine Zuckererschwerung ziemlich kostspielig ist, wird meist eine um 50 bis 75 Prozent billigere Erschwerung durch Anwendung einer Mischung von Zucker mit Leim und Glaubersalz vorgezogen.
Von den Metallen werden seit jeher Baryum und Zinn zur künstlichen Erschwerung der Seide benutzt; in neuerer Zeit werden aber für diesen Zweck auch Antimon, Blei, Wismuth , Wolfram und Uran häufig verwandt. Mit Chlorzinn behandelte Seide wird beim Liegen und besonders am Lichte leicht brüchig. Da nun eine dreimalige Wiederholung der Behandlung im Chlorzimmbade
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Seite steht eine Mutter mit ihrer Tochter, ihr Antlitz Verfälschung der Seide durch Frschweren. eine Erschwerung von 25 bis 30 Prozent, eine
ist der öffentlichen Meinung zugewandt, und die Mutter prägt ihrem Kinde augenscheinlich ein, daß es für sie nicht gleichgültig ist, was sie scheint, daß sie nicht nur die Tugend, sondern auch den Schein der Tugend besigen muß. Das ist der Unterschied, den Rousseau bei der Betrachtung der Geschlechter geltend macht. Im Uebrigen erfolgt ihre Erziehung nach denselben Prinzipien.
Emil heirathet seine Braut, und als der Augenblick nicht mehr fern ist, wo ihm Vaterfreuden bevorstehen, verläßt ihn der Hofmeister, und das Buch schließt. Wenn die junge Generation ein neues Geschlecht erziehen soll, muß ihre eigene Erziehung abgeschlossen sein. Der Hofmeister schließt mit einer Lobrede auf die großen Aufgaben des Vaters.
Das Buch, dessen Inhalt wir in furzen Zügen kennen gelernt haben, wurde bei seinem Erscheinen eifrig gelesen. Rousseau mit seinem glühenden Gefühl und seiner glühenden Naturverehrung stand in seiner Zeit wie ein Zeichen, dem widersprochen wurde. Er war wie ein Advokat, der seinem Jahrhundert die Anklagen in's Gesicht schleudert. Durch die große Macht seiner Rede wirkte er so stark, daß es rings in Europa lebendig wurde. Die Erziehung hatte eine neue Grundlage bekommen. Es handelte sich hinfort nur darum, der natürlichen Entwickelung die hülfreiche Hand zu reichen. Man hatte plötzlich begriffen, daß das Kind Anspruch darauf erheben durfte, als Kind behandelt zu werden. Bisher hatte man im Unterricht das Kind nur als einen erwachsenen Menschen im verkleinerten Maßstabe betrachtet, und man hatte ihm die gleiche Nahrung, nur in verminderten Portionen, gegeben. Jetzt aber hatte man Respekt bekommen, Respekt vor den Eigenthiimlichkeiten der findlichen Seele. Und darum mußte auch das alte System der Barbarei und Tyrannei einem milden und rücksichtsvollen Schulregiment weichen. Wenn man sich früher einer Schule näherte, konnte man schon lange vorher das Heulen und Schreien vernehmen. In der Schulstube sah man blutige Stücke der Ruthe umherliegen, und die Lehrer führten sorgfältig Buch darüber, wie viele Hundert tausende von Maulschellen sie ihren Schülern bereite gegeben hatten. Der alte Adam, die Natur im Kinde, sollte getödtet werden: das war die Losung. Gegen diese ganze Auffassung hat Rousseau gestritten wie ein Apostel des Lichts und der Menschlichkeit. Nur wenn man zum Kind in der Sprache des Kindes redet, kann man es erziehen, ohne sein Glück zu zerstören, und Glück ist die Luft, die Kindern am wohlsten thut. Wenn heute das Kind sich nicht mehr wie ein verfolgtes Raubthier fühlt, das mit den Erwachsenen auf ewigem Kriegsfuß lebt, dann ist das nicht zum Wenigsten auf Rousseau zurück zuführen, dessen Stimme so mächtig war, daß sie sich Gehör verschaffte.
Er selbst allerdings fand für sein Werk nur schlechten Lohn. Der religiöse Theil seines Buches brachte ihn zwischen zwei Feuer. Die katholische Kirche verdammte ihn wegen seines Unglaubens, und die Philosophen thaten ihn wegen seiner Gefühlsschwärmerei in den Bann. Er mußte flüchten, denn das Parlament in Paris wollte ihn gefangen nehmen lassen. Sein Buch wurde vom Bittel verbrannt,
Von P. M. Grempe.
icht jede Erschwerung der Seide kann ohne
Weiteres als eine betrügerische Verfälschung angesehen werden; soweit nämlich die äußerst dünne Seidenfaser künstlich eine Volumenvergrößerung erfährt, um die Herstellung großer Webstücke zu ermöglichen oder zu erleichtern, kann die dadurch hervorgerufene Erschwerung des Stoffes nicht als Verfälschung betrachtet werden, da es sich hier nur um eine aus technischen Gründen gebotene Maßregel handelt. Da nun unsere kostbarste Gespinnstfaser nach Gewicht verkauft wird, so ist seit langer Zeit das Bestreben einzelner Fabrikanten darauf gerichtet gewesen, die Seide durch die verschiedensten Mittel zu erschweren. Lassen sich Beschwerungen der Seide bis zu 40 und 50 Prozent aus den erwähnten Gründen noch rechtfertigen oder entschuldigen, so geht es doch entschieden zu weit, wenn dem Käufer Seiden" stoffe verkauft werden, die nur 20 Prozent Seide und 80 Prozent fünstliche Zusäße enthalten.
Die Seidenfaser begünstigt und erleichtert Verfälschungen durch Erschwerungen besonders dadurch, daß sie an Gewicht wie an Nauminhalt durch Aufnahme anderer Substanzen um das Zehnfache zunimmt und daß sie dauernd derartige Erschwerungen festhält. Es ist daher leicht, schwere Seidenstoffe Es ist daher leicht, schwere Seidenstoffe herzustellen, und das Publikum, welches das Gewicht als ein Mittel zur Erkennung eines guten und reinen Stoffes glaubt betrachten zu dürfen, kauft mit besonderer Vorliebe schwere Seiden" stoffe und trägt so unbewußt zu einem immer mehr steigenden Absaz künstlich erschwerter Seiden- bei.
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Jede Erschwerung dieser Textilfaser raubt ihr einen Theil ihrer guten Eigenschaften. Zur Er einen Theil ihrer guten Eigenschaften. Zur Erzielung erschwerter Seiden werden theils organische, theils anorganische Stoffe verwendet, mitunter gebraucht man auch Stoffe aus beiden Gruppen gleich zeitig. Am häufigsten kommen Gerbstoffe und Zucker, sowie eine größere Anzahl von Metallverbindungen für die künstliche Erschwerung der Seidenfaser zur Anwendung. Für Erschwerungen, welche 80 bis 100 Prozent übersteigen, nimmt man die Eigenschaften der Gerbstoffe zur Hülfe, mit Leimlösungen Niederschläge zu erzeugen. Die Gelatine allein liefert jedoch ein insofern ungünstiges Resultat, als das Tannin in zu großen Flocken auf die Faser ausgefällt wird und den Griff" das eigen thiimliche Gefühl beim Anfassen von Seide der= selben sehr stark beeinträchtigt. Da der zu erzielende Niederschlag in möglichst feiner und zertheilter Form entstehen und keine klebrige, sondern feste und kompafte Beschaffenheit besigen soll, so wird die Gelatine erst in geeigneter Weise präparirt und dann durch ein zweckmäßiges Gerbverfahren leicht die Erschwering der Seide bis über 100 Prozent erzielt. Die Faser erhält durch Gerbstofferschwerung mit natürlichen Extrakten einen unangenehmen, triib gelblichen Ton; daher verwendet man für helle Farben Lösungen von gereinigter Gerbsäure.
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Die Erschwerung durch Zucker kommt ganz besonders für sehr helle Farbenschattirungen in Anwendung. Die gefärbte Seide wird in einem Bade
sechsmalige von 50 Prozent, eine siebenmalige von 75 Prozent, eine achtmalige von 80 bis 100 und eine zehnmalige sogar von 160 Prozent liefert, so hat das derartige„ Seide" kaufende Publikum doppelten Schaden. Mit Chlorzinn behandelte Seidenstoffe dürfen nicht den direkten Sonnenstrahlen ausgesetzt werden, da diese die Fasern in wenigen Stunden vollkommen brüchig und morsch machen können.
Für die Arbeiter ist die Behandlung der Seidenfaser mit Chlorzinn nicht ungefährlich. Abgesehen davon, daß wegen der nachtheiligen Einwirkung des Lichtes diese Arbeit in dunklen Räumen vorgenommen werden muß, können die Hände gegen die äzende Wirkung der Chlorzinnbäder nur durch Gummihandschuhe geschützt werden.
Um auch bereits abgekochte Seide noch beschweren zu können, wird Phosphat verwendet; man erreicht dadurch eine Gewichtszunahme bis 120 Prozent und eine vollständig weiße Seide, deren Glanz durch Behandlung im Phosphatbade noch bedeutend gesteigert werden kann. Die Festigkeit der Seidenfaser leidet nicht bedeutend.
Seide, durch Wismuth erschwert, nimmt bei drei Passagen 100 Prozent und bei der fünften Behand= lung 150 Prozent Erschwerung auf. Wolframbeschwerung macht Seidenstoffe unverbrennlich und findet daher zur feuersicheren Imprägnirung leichter Tüll- und Gazegewebe häufig Anwendung.
Mit Bleisalzen wird besonders Nähseide erschwert. Aus gesundheitlichen Gründen ist es daher rathsam, Nähseide, bei der man eine derartige Erschwerung annehmen muß, vor dem Gebrauch mit kochendem Wasser zu behandeln.
Verschiedene Metallsalze kommen bei der Erschwerung der Seide mit vegetabilischen Stoffen zur Verwendung, um das durch Einnisten von Schmarozerorganismen hervorgerufene Verschimmeln des Stoffes zu verhüten und so eine längere Haltbarkeit zu er zielen.
Außer den genannten Erschwerungen der Seidenfaser kommen noch die Gewichtszunahmen durch das Färben in Betracht; so läßt sich zum Beispiel ein Cordonnetschwarz durch siebenzehn Operationen um 500 Prozent erschweren.
Die hygroskopische Natur der Seide bewirkt, daß sie bis zu 30 Prozent Feuchtigkeit aufnehmen fann, ohne daß sie sich feucht oder naß anfühlt; daher könnte also ohne große Mühe die künstlich erschwerte Seide noch durch Sättigung mit Feuchtig feit eine nicht unbedeutende Gewichtszunahme erhalten, wenn nicht jede Feuchtigkeit über 30 Prozent die Gefahr der Selbstentzündung heraufbeschwören würde. Schwarzgefärbte, beschwerte Seidenstoffe sind besonders gefährlich; haben doch Untersuchungen den Beweis geliefert, daß viele Brände von Lagerrännen auf die Selbstentzündung der aufgespeicherten Seidenballen zurückgeführt werden mußten. Lagern nämlich größere Mengen erschwerter Seiden in Haufen, so tritt die Einvirfung der Erschwerungsstoffe infolge der eintretenden Erwärmung so stark hervor, daß eine Selbstentzündung stattfindet. Besonders die hocherschwerten, Metallsalze in großer Menge enthaltenden und stark mit Delen und Fetten imprägnirten Seidengewebe( Souples, Cordonnets