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Vom historischen Fauft.

Von Karl Schulz.

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

on dem historischen Faust, dem Manne, der Goethe zu seinem Drama den Namen ge­

Wegscheide, welche fünf Ausgänge hat, fand die Teufelsbeschwörung statt. Mit Ach und Krach, halb ein Opfer seines Beginnens, hat es Faust zu Wege gebracht, daß der Teufel erscheint und gegen einen mit Blut geschriebenen Patt sich ihm dienstbar machen will. Faust bekommt einen täglichen Be­gleiter, Namens Mephostophiles , der ihm alle Wünsche zu erfüllen hat. Faust versichert sich auf 24 Jahre Erdenleben in Saus und Braus, in Erfüllung alles dessen, was sein Herz begehrt, und dann dann fann ihn der Teufel holen.

Und nun beginnt ein Leben in dulci jubilo. Vorher läßt sich Faust in Wittenberg als Arzt nieder, damit er immerhin das Ansehen eines bürger­lichen Mannes genießt; doch seine Geistergeschichten lichen Mannes genießt; doch seine Geistergeschichten werden bald ruchbar. Und da er ein Leben in größter Wollust, unter Entfaltung eines ganz un­gewöhnlichen Lurus führt- Mephostophiles muß natürlich Alles besorgen, so werden alle Nach baren bald darauf aufmerksam, daß hier Etwas nicht richtig ist. Dr. Faust umgab sich selbstgefällig mit richtig ist. Dr. Faust umgab sich selbstgefällig mit dem Nimbus eines außergewöhnlich großen Geistes, der alle Bücher kennt, alle Formeln weiß, dem ein­fach Alles zur Verfügung steht.

des Dr. Faust. Faust griff ruhig nach der Säge und hielt sein Bein hin. Und der Jude schnitt das Bein ab; unterwegs aber bekam er eine furchtbare Angst, daß Faust nun sterben könne; er schafft das corpus delicti weg, indem er das Bein in den Fluß wirft. Doch der Dr. Faust hielt sein Wort, am fünften Tage schickt er einen Boten, der Jude möge sich sein Geld holen und das Pfand mit­bringen. Nun bestand aber der Jude in seiner furchtbaren Angst, weil er das Pfand nicht mehr besaß, darauf, daß Faust das Geld schon zurück­bezahlt habe, und er werde noch eine Quittung schreiben, daß er es schon erhalten. Und Dr. Fauſt lacht sich mit seinen Schülern halb todt über das Schnippchen, das er dem alten Geizhals geschlagen.

Ein Pferdehändler, der sich von Dr. Faust be­trogen glaubte, wollte den Doktor sprechen und fand ihn auf einer Bank schlafend. Er ergriff ihn am rechten Bein und schüttelte ganz unbarmherzig. Doch das ganze Bein ging ab und fiel krachend zur Erde. Erschrocken lief der Händler von dannen und ließ sein Geld im Stich. Doch der Dr. Faust lachte hinter ihm her.

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geben, ist wenig Sicheres bekannt. Er ist, nach den Aufzeichnungen verschiedener Gelehrter, gegen Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahr­hunderts in der Rhein - und Maingegend des Defteren gesehen worden. Auch Luther und Melanchthon er­wähnen ihn, doch ist weder über Geburtsort noch Geburtsjahr etwas bekannt. Man kennt Faust erst von der Zeit an, da er im Alter eines Studirenden an verschiedenen Universitäten war. In Heidelberg , Wittenberg und Krakau soll er Student gewesen sein; doch ist in feiner Matrikel je etwas gefunden worden, und die Angaben, die sich meist auf seine eigene Aussage stiißen, können sehr wohl unwahr sein. o weh Von den verschiedensten Gelehrten, Geistlichen und Laien finden wir Aufzeichnungen, daß sie den Faust, der sich auf einer Visitenkarte kurzweg den ,, Halbgott von Heidelberg" nennt, gesehen und ge­hört haben; Alle stimmen trotz der Verschiedenheit der Angaben darin überein, daß dieser Faust ein Ausbund von Nichtsnußigkeit gewesen sei. Auf schneidereien und Ueberhebungen müssen ihm ebenso geläufig gewesen sein, wie kleine, die Augen be­fangener Menschen blendende Estamotationsstückchen, Taschen- und Kartenspielereien. Und wollte ihm Jemand auf den Leib rücken, so verschwand er aus der Stadt und ließ noch ein paar Gläubiger ſizen, um in einer nächsten Stadt sein Treiben fortzusetzen.

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Es ist bedauerlich, daß über das Leben und Wirken des Faust nicht früher Aufzeichnungen ge­macht wurden, daß man vielmehr erst ein ganzes Jahrhundert nach seinem Tode diese merkwürdige Persönlichkeit näher betrachtete, seine Missethaten", soweit man sie noch wußte, sammelte und hand­schriftlich niederlegte. Das war um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts, zu einer Zeit, da die christliche Orthodoxie in vollster Blüthe stand. ist daher garnicht zu verwundern, daß das gottes­lästerliche Leben und schreckliche Ende dieses Thunicht­guts in weitestem Umfange für die fromme Sache fruftifizirt wurde, daß Vieles aus dem Leben Faust's weggelassen, Vieles hinzugefeßt, das Meiste aber in entstellter Weise wiedergegeben wurde. Für Alles, was in jenen Aufzeichnungen steht, auch für das elendigliche Ende des Faust auf einem Düngerhaufen kann man eine ganz natürliche Erklärung finden. Es wird ihm ähnlich ergangen sein, wie einem nahen Verwandten in der Literatur, dem Tyll Eulenspiegel , dem man auch alle möglichen Nichts­mugigkeiten angehängt hat.

Es mag gestattet sein, einige Proben aus dem erwähnten Buch zu geben. Ich will Bemerkungen und Erläuterungen nach Möglichkeit unterlassen, um die kostbare Naivität nicht zu stören, mit welcher das Volk den Eskamoteur, Zauberkünstler, Hypnotiseur(?) und unübertrefflichen Lügenpeter betrachtet hat.

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Nach dem Volksbuch ist Faust zu Salzwedel geboren. Seine Eltern waren fromme Leute, und ihr Wunsch ging dahin, daß ihr Sohn Johannes Johannes mit Namen Theologie studire, um ihnen im Alter eine zuverlässige Stüße zu sein. Johannes Faustus geht nach Wittenberg , wo ein reicher Onkel von ihm wohnt; dort besucht er die Universität und probirt sein Heil an allen Fakultäten. Doch das Studium gefällt ihm nicht, er zieht es vor, mit seinen Kollegen ein lustiges Kneipleben zu beginnen. Nur die Astronomia( Sternfunde und Sterndeutung) und die Chiromantia( Wahrsagekunst) vermochten ihm nebenbei einiges Interesse abzugewinnen. Da er aber bei seinem liederlichen Lebenswandel viel Geld nöthig hatte, kam er auf den gotteslästerlichen Gedanken, ob sich nicht durch Geisterbeschwörung etwas gewinnen ließe.

Nachdem er aus den Sternen ersehen, daß seine Geburt sehr günstig gefallen war, er also die besten Chancen hatte, studirt er allerlei Beschwörungs­formeln, bis er meint, nun genügend vorbereitet zu sein. In einem Walde bei Wittenberg , an einer

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An seinem Hause war ein Garten, in welchem die Blumen sogar im Winter blühten ,, ohn an= gesehen, daß bey uns jeßund ein zimlicher großer Schnee gelegen ist"... Auch hatte er allerhand lebende Thiere in seiner Nähe. Im Hofe liefen Kapaunen, indische Hühner, Nebhühner, Enten, Kapaunen, indische Hühner, Nebhühner, Enten, Schwäne und Störche ohne Scheu untereinander, und auf seiner Tafel standen frische Birnen, Aepfel und Weintrauben, wie frisch gepflückt ,, dieweil es draußen schneeete".

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Seine auffällige, ganz außerordentliche Haus­haltung genoß einen weiten Ruf, und fam ein Graf zu ihm, so erzählte Faust, daß er schon mit Fürsten gespeist, tam ein Fürst, so wußte Faust von Königen zu erzählen, an deren Tafel er gegessen. Vom Paradies wußte er ebenso genau zu berichten, wie von der Hölle und dem Fegefeuer. Und im Himmel stand er so gut angeschrieben, daß er nach seiner eigenen Aussage Kardinal der heiligen Maria von Portieu werden wird. Sein großer, zottiger Hund, Praertigiar, verließ auf einen Blick des vielgelehrten Dr. Faust das Zimmer und blieb so lange vor der Thür stehen, bis er gerufen ward, dann öffnete er ( der Hund) die Thür allein und kam herein. Ging ( der Hund) die Thür allein und kam herein. Ging das noch mit rechten Dingen zu?

Natürlich sucht ein jeder Mensch mit solch' ge­lehrtem und gefürchteten Mann Freundschaft zu halten. halten. Und die dies nicht thaten, mußten sehr Uebeles erfahren. Geht einmal der Dr. Faust mitten auf dem schmalen Fahrdamm; ihm entgegen kommt ein Bauer mit einem zweispännigen Wagen, hoch mit Heu beladen. Der Bauer kann nicht ausweichen, weil die Straße zu schmal ist, und Faust, der wieder einmal, wie gewöhnlich, betrunken war, will nicht ausweichen. Worte fliegen herüber und hinüber, bis Dr. Faust dem Bauern droht, das ganze Heu und Pferd und Wagen aufzu- fressen. Gleich und Pferd und Wagen aufzu- fressen. Gleich darauf verschwindet in dem ungeheuer aufgesperrten Maul des Doktors ein Bündel Heu nach dem andern. Mit lautem Geschrei läuft der Bauer in's nächste Dorf zum Bürgermeister; dieser begiebt sich mit dem Bauern zurück, allwo sich der Vorfall zu= getragen, und siehe da da steht das Fuder Heu an der nämlichen Stelle und nicht ein Bündel fehlt daran. Als einstens wieder Gäste bei Dr. Fauft gewesen, erhob sich alsbald ein Regenwetter; doch die Sonne kommt wieder hinter den Wolfen her­vor und am Himmel zeigt sich ein prächtiger Regen­bogen. Da untersteht sich Dr. Faust, den Regen­bogen vom Himmel herunter zu greifen; er tritt an's Fenster, wo die Sonne schien, und hatte auf einmal, ganz deutlich sichtbar, einen gelben, rothen, blauen und grünen Lichtschein in seiner rechten Hand, dann warf er den Lichtschein zum Fenster hinaus und als seine Gäste nachschauten, stand der Regenbogen wieder am Himmel.

Troßdem nun Faust dienstbare Geister genügend um sich hatte, litt er doch an dauernder Geldnoth. Auch ein wucherischer Jude sollte ihm Geld borgen; dieser verlangte aber als Unterpfand ein Bein

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Sehr übel erging es dem Wirthsburschen, der das Glas des Doktors alleweil zu voll schenkte. Nach vergeblichem Drohen reißt Faust sein Maul auf und verschlingt den Jungen mit Haut und Haaren. Dann greift er nach dem Schwenkeimer und mit den Worten:" Auf einen guten Bissen gehört ein guter Schluck", stürzt er den ganzen Eimer nach. Den Gästen stehen die Haare zu Berge. Doch da der Wirth seinen Jungen energisch zurück­verlangt, weist Dr. Faust mit einigen Zaubersprüchen hinter den Ofen. Dort fand man den zitternden Jungen, zusammengefauert und pudelnaß.

So trieb es Dr. Faust in der ganzen Umgegend. Von allen Menschen war er angestaunt und be wundert. Nur er selbst begann sich allmälig gu fürchten, denn die ihm zugebilligte Lebensdauer ging zur Neige. Er hatte seinen Geist Mephostophiles schon des Defteren gefragt, ob er( Faust) nicht noch zu retten sei oder was der Geist an seiner Stelle thun würde. Doch das schreckliche Ende war nicht abzuwenden. Faust versucht zu beten; es gelingt ihm nicht, er ist unweigerlich dem Teufel verfallen.

Als die vierundzwanzig Jahre verflossen waren, erhob sich über Nacht ein großer Sturm; anfänglich hörte man Faust noch beten, dann verstummte sein Gebet, und als es vom Thurm zwölf schlug, erhob sich ein Gepolter im Hause, als wenn Alles ein­fallen sollte. Alle Wände zitterten, und man hörte Faust furchtbar schreien. Faust furchtbar schreien. Am nächsten Morgen kamen die bekannten Studirenden und wollten den Doktor in seinem Zimmer aufsuchen, doch sie fanden nichts vom Doktor; dagegen war das ganze Zimmer blutig, an der Decke flebte Gehirn. Des Doktors Leichnam fand man aber auf einem Düngerhaufen in der Nähe.

Daraus möge der liebe, frommie Leser ersehen, daß es nicht gut sei, sonder Tugend und Frömmigkeit dahinzuwandeln, auf daß ja der böse Feind feine Macht an uns haben möge 2c. 2c.

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Soweit das Volksbuch.

In ihm ist das älteste bekannte Material über Dr. Fauft zusammengetragen. Das religiöse Moment ist start herausgearbeitet. Die Veränderungen, die sich in den hundert Jahren nach dem Tode des Faust in den Anschauungen vollzogen hatten, kommen in dieser Tendenz zum Ausdruck.

Es gehörte ein Goethe dazu, aus dieser frag­würdigen Gestalt einen" Faust" zu schaffen. Er griff das Motiv auf, reinigte es von allen Schlacken, befreite es von dem religiösen Beiwert und erhob so seine Gestalt auf den Piedestal der Unsterblichkeit.-