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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
im Bureau abzugeben. Er schließt nun das Konto des betreffenden Gastes, so daß nachher Niemand mehr Eintragungen auf die betreffende Nummer machen kann. Hat er selbst etwas übersehen, was sich am nächsten Tage durch die Kontrole leicht ergiebt, so hat er den Schaden zu ersetzen. Auch in dem zum Hotel gehörigen Restaurant bezahlen die Hotelgäste in der Regel nicht sogleich baar; wo es aber doch geschieht, besteht die Einrichtung, daß die Tische nummerirt sind. Wie sonst auf die Zimmernummer, wird hier Alles auf die Tischnummer gebont", und nachher wird von einer besonders hierfür angestellten Stassirerin die Rechnung ausgestellt, oder aber die Restaurantkellner thun es selbst; in jedem Falle muß jede einzelne Rechnung durchgepaußt sein, so daß eine vollständige Kontrole möglich ist.
Aber auch sonst, zwischen den einzelnen Ressorts, wird nur gegen Bons etwas verabfolgt. So erhält der Konditor das Mehl, die Butter, Eier zur Her stellung seiner Backwaare von der Mamsell, welche die Vorrathskammern zu verwalten hat, nur gegen Bon, er giebt seine Produkte an die Kaffeemamsell nur ab gegen Bon. Die Lettere erhält aus der Vorrathskammer an Kaffee, Thee , Giern, soviel sie nur verlangt, aber sie hat einen Bon dafür auszuschreiben; die von den Kellnern gegebenen Bons missen ihr wieder als Ausweis dafür dienen, was sie mit den Dingen gemacht. Unter der Aufsicht des Kiichenchefs werden Hunderte von Büchsen Obst und Konserven eingemacht und in die Vorrathsfammer eingeliefert. Die Mamsell, vielfach auch Die Mamsell, vielfach auch ein männlicher Angestellter, ein„ Fourier"( Lieferant), muß darüber quittiren, die Küche erhält die Büchsen später zurückgegen gegen Bons. Und so wird es im Weinkeller und überall gehandhabt. Einer kontrolirt den Anderen, das Bureau, wo ein Buchhalter und mehrere Schreiber angestellt sind, kontrolirt das Ganze.
Damit dürften von uns wohl alle in einem modernen Hotel ersten Ranges bestehenden Einrichtungen einer Betrachtung unterzogen sein. Natürlich giebt es noch Sonderheiten, deren Beschreibung hier feinen Platz finden konnte, auch nicht brauchte, weil sie eben nicht mit jedem Hotel nothwendig verknüpft sein müssen oder können. So giebt es in den GroßSo giebt es in den Großstädten Hotels, die einen Wintergarten, ein Palmen hans besigen, andere( in Badeorten) sind mit großen Badeanstalten verbunden, manche zeichnen sich durch große, prachtvolle Parks, Terrassen, Veranden, prunk volle Ballsäle aus.
Die größten Hotels haben wir nicht in Deutsch land , überhaupt nicht in Europa , sondern in Amerika . Diese Weltherbergen haben oft zehn bis zwölf Stockwerke, sieben bis achthundert, auch wohl tausend
( Schluß.)
Zimmer. Hier ist natürlich noch viel mehr, als in den europäischen Hotels, für alle nur erdenklichen Vedürfnisse gesorgt. In dem großen Vestibil sind die Eisenbahn- und Postbureaus; von der Stiefelwichsanstalt und dem Barbierladen an bis zur Buch handlung ist da Alles vertreten. Das Hotel hat Das Hotel hat nicht blos seine eigene Schlächterei und Bäckerei, sondern hat auch eigene Tapezierer, Tischler- und Schlosserwerkstätten, jowie eine eigene Druckerei eingerichtet. Ferner unterhält es eine Feuerwehr und einige Geheimpolizisten, die nicht einmal dem Personal, das einige hundert Köpfe zählt, bekannt sind.
Was solche Hotels jährlich an Eß- und Trinkwaaren verbrauchen, läßt sich ermessen, wenn wir uns die Zahlen ein wenig ansehen, die uns in dieser Beziehung von einem größeren Hotel bekannt sind. Das betreffende Hotel hat siebenhundert Zinimer und gehört zu den größten in Paris . Zur Beund gehört zu den größten in Paris . Zur Bedienung gehört ein Personal von 250 Köpfen. Es steigen dort jährlich im Durchschnitt 43 000 Personen ab. An Frühstücks( d. h. Gabelfrühstück, das in Frankreich zwischen 11-2 Uhr eingenommen, während die Hauptmahlzeit, das Diner, zwischen 5-8 Uhr servirt wird) wurden 89 000, und an der Table d'hote 192 000, sowie 115 000 Mahlzeiten auf den Zimmern verabreicht. Der Keller lieferte 223 000 Flaschen gewöhnlicheren und 56 000 Flaschen besseren Wein mit 15 000 Flaschen Champagner.
Im Verhältniß zur Größe dürfte in Europa die kleine Schweiz die meisten, wenn auch nicht die größten Hotels besitzen. Im Jahre 1897 zählte die Schweiz 1790 Hotels mit zirka 130000 Betten und zudem noch 1500 fleinere Gasthäuser mit etwa 10 000 Betten. Im Jahre 1894 hatten die Fremden- Hotels rund 24 000 Angestellte, welche als Salair die Summe von 8756 500 Fr. erhielten, wovon 6169900 Fr. dem männlichen und 2594 600 Fr. dem weiblichen Hotelpersonal zufamen. Im gleichen Jahre betrugen die Gesammt- Bruttoeinnahmen der Fremden- Hotels in der Schweiz 114 333 744 Fr., die Ausgaben 82 828 296 Fr., so daß die Nettobenefizien sich auf 31 505 475 Fr. beziffern.
Nachdem wir den Rundgang durch's Hotel be= endet, jedem einzelnen Abtheil einen Besuch abgestattet und auch an einzelnen Zahlen den ungeheuren Umsatz eines solchen Riesen- Etablissements fennen gelernt haben, wollen wir noch einen letzten Blick auf das Ganze werfen, um schließlich auch der Kehr seite der Medaille ein paar Worte zu widmen.
Das moderne Hotel zeichnet sich schon von Außen durch seinen monumentalen Bau von den Privat häusern aus. Und in seinem Inneren wird eine Pracht, ein Lurus und ein Komfort entwickelt, der
in Privathäusern sich kaum durchführen läßt. Alles wird aufgewendet, um es dem Gast möglichst heimisch zu machen. Treppensteigen ist ein überwundener Standpunkt, er wird mit dem Fahrstuhl nach oben gebracht. In den Zimmern ist Alles auf das Bequemiste eingerichtet. Ein Druck auf den Knopf, und das Zimmer erstrahlt in elektrischem Licht, das von Kronleuchtern und Wandarmen ausgeht. Das Berühren eines anderen Knopfes ruft den Kellner herbei, der sich beeilt, die Wünsche des Gastes zu erfüllen. Schwere Teppiche in Zimmern und auf Korridoren dämpfen die Schritte der Gehenden. Und die Gänge und die große Haupttreppe, die Speisesäle und Salons, die Nauch- und die Lesezimmer, luxuriös und praktisch eingerichtet, schwimmen am Abend in einem wahren Lichtmeer. Ueberall Pracht und Komfort und überall dienstbare Geister, die jedem Winke zu folgen bereit sind.
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Aber wie leben die dienstbaren Geister" in diesen oft geradezu feenhaft ausgestatteten Prachtbauten? Werden sie wenigstens einigermaßen menschenwürdig wohnen?
Es dürfte wohl kaum einen zweiten Ort geben, wo die sozialen Gegensäge so hart aufeinander stoßen, wie im Grand Hotel . Ohne jeglichen Uebergang, ohne Abstufung gelangt man da aus dem Reich der Herren in das der Beherrschten und Bedrückten. Hier die mit allem Komfort der Neuheit ausgestatteten traulichen Salons und hoch oben im fiinften und sechsten Stock und theilweise im Keller, wo die Haussklaven wohnen, welches Bild sehen wir dort? Kahle, unfreundliche Zimmer, in welchen oft drei, vier, ja bis zu zehn Personen zusammengepfercht sind, Zimmer, die auf die allernothdürftigste Weise ausmöblirt sind, aller Bequemlichkeit bar. Oft fehlt es sogar an einem Kleiderspind, und Bettwäsche und Handtücher werden nicht allzuhäufig gewechselt.
Nachdem der Kellner den ganzen Tag bereit ge= standen, dem Winke des Gebieters denn jeder Gast im Hause ist fast, unumschränkter" Gebieter über ihn gewärtig, jedem seiner Wünsche nachzukommen, steigt er dann hinauf in sein Neich, das so dürftig, so elend, so fahl ist.
Und wie mit dem Wohnen, so ist's mit dem Essen. Das Wort:„ Man soll dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden," findet hier in den allermeisten Fällen keine Beachtung. Die Personen, die dazu berufen sind, fortgesetzt Anderen die leckersten Speisen zu bereiten und zu serviren, erhalten in der Regel selbst ein Essen von zweifelhaftester Giite. Bei ihrer überlangen Arbeit von 14, 16, auch 18 Stunden erhalten die Kellner eine geradezu lächerlich geringe Summe als„ Salär".-
4. Des Königs Uniform.<
ber jetzt war es, als flamme auch endlich in ihrem Herzen die Liebe auf. An dem Tage, da die Botschaft von Hammer's Ernennung das ferne Haidedorf erreichte, hatte sie sich unter heftigem Schluchzen an die Brust ihres Mannes geworfen und ihn mit Liebkosungen überschüttet, die ihn schier verlegen machten. Es war, als vergäße sie von dem Tage an seine fünfundfünfzig Jahre und seine schon ergrauten Haare. Sie erblickte in ihm nur ihren Retter, den Erlöser ihrer Seele, den Befreier ihres Lebens, und gab sich ihm mit einer feurigen Leidenschaft hin, die dem schon alternden Manne einen nicht geringen Ersaz bot für die Scheerereien und Kimmernisse, die sein Amt in diesen unruhigen Zeiten mit sich brachte.
Troßdem betrachtete die junge Frau diese Versegung nur als den ersten Schritt zur Verwirklichung einer Hoffnung, der sie selbst in ihrer tiefsten Triibsal nicht ganz hatte entsagen können, der Hoffnung, in nicht allzu ferner Zeit in die Stadt zurückkehren zu können, die für sie die einzige int ganzen Weltall war und deren bloße Nennung ihre Augen mit Thränen zu erfüllen vermochte: Kopenhagen . Ihr ebenso fluger als hiibscher Kopf ersann verwegene
Pläne, die die Huldigungen, die ihr Alle in der fleinen Stadt erwiesen, täglich nähren halfen. Sie wußte sehr gut, was es für einen Beamten bedentete, eine hübsche und liebenswürdige Frau zu befizen, und hatte sehr schnell begriffen, was für Stufen es seien, die zur Zeit in die Höhe führten. Und sie hatte ihre hübschen Hände nicht in den Schooß gelegt.
Auf diese Weise war sie schon der erklärte Liebling des fleinen Amtmannes geworden. Der alte Lehusgraf zu Anniehof vergötterte sie, seitdem sie ihm einmal bei einem Diner die Serviette unter dem Kinn befestigt hatte. Sogar Herr Simmelfjär schmolz wie Butter unter dem Einfluß ihrer klaren, strahlenden Augen, garnicht zu reden von dem Offizier forps der Garnison , das sie dadurch im Sturm erobert hatte, daß sie ganz von selbst ihre Mitwirkung bei dem bevorstehenden Wohlthätigkeitskonzert angeboten, das zum Besten der Kopenhagener Festungswerfe abgehalten werden sollte.
Als sie nun ihren Mann eintreten hörte, wandte sie, ohne die Hände von den Tasten zurück zu ziehen, lächelnd den Kopf, um ihm wie gewöhnlich zuzunicken.
Aber nachdem sie einen Blick auf sein Antlig geworfen hatte unterbrach sie plößlich mit nervöser Bewegung ihr Spiel, löschte hurtig beide Klavierferzen und erhob sich.
Ach nein, Liebste, hör' doch nicht auf!" bat Hammer eindringlich.
„ Ich bin jetzt mide," sprach sie und schritt einem Kanapee zu, das unter einer mächtigen Gruppe von Blattpflanzen stand, neben einem kleinen, runden Mosaiktisch, auf dem eine niedrige Lampe mit breitem, japanischem Seidenschirm brannte.
Hier setzte sie sich nieder und ergriff eine Stickerei, während der Kreisrichter mit zerstreuter Miene in dem großen, salonmäßig ausgestatteten Zimmer auf und ab zu schreiten begann, sich bald vor eine Etagère mit Nippsachen hinstellte, bald eine Lithographie an der Wand betrachtete, oder sich den Anschein gab, als fessele ihn ein Bild in den illustrirten Prachtwerken, die den Tisch bedeckten.
Eine Weile herrschte tiefes Schweigen.
Frau Hammer begriff bald, welche Ursache die Unruhe ihres Mannes hatte. Sie war vorsichtig genug, sich stets von dem Stand der politischen Prozesse unterrichten zu lassen... um bei Zeiten ein