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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

vom schwarzen Meere gen Norden auch die Webkunst auf diesem Wege in Schleswig- Holstein und Skandina vien ihren Einzug gehalten hat. In dieser Hinsicht hat eine vor Kurzem in der Berliner anthropologischen Gesellschaft gemachte Mittheilung seltsame Aufschlüsse geliefert. Sanitätsrath Bartels fand im Kaukasus ein ganz ungewöhnlich gestaltetes Webgeräth für schmale Gewebe in Anwendung, bestehend in einem über einen Schemel gelegten Brette, längs dessen die Kettfäden aufgezogen sind, und das vom Weber in Lage gehalten wird, indem er sich darauf setzt. Das Vorhandensein dieses seltenen Geräthes fonnte noch an der unteren Donau , im Kreise Soldin in der Neumark, in Skandinavien und auf Island nach­gewiesen werden. Es kann nicht gut angenommen werden, daß diese Gegenstände an all' diesen Orten selbstständig entstanden seien. Das mag von Sachen gelten, die sich gewissermaßen von selbst aus der überall gleichen Gestalt der menschlichen Gliedmaßen ergaben, aber nicht von Gegenständen so eigenthüm licher Art und Bestimmung; das kann nur über­tragen sein und zeigt in seiner heutigen Form und seinem Vorhandensein noch die Spuren des Weges, auf dem es verbreitet worden ist.

Eine weitere, ebenfalls schon zu den ältesten Zeiten geübte und lediglich von dem Farben- und Formensinn des Arbeiters in seinem Gelingen ab­hängige Spezies ist, wie schon früher angedeutet, die Knipftechnik der sogenannten Smyrnateppiche. Das Kunstgewerbemuseum zu Berlin hat einen in dieser Technik ausgeführten persischen Teppich in feinfädiger Seide, den man bei oberflächlicher Be­trachtung getrost für ein Sammetgewebe halten kann, welches mit modernen Hülfsmitteln hergestellt ist. Es scheint uns heute fast unverständlich, wo Jemand die Geduld hergenommen hat, ein solch' feines Sammetgewebe durch Aufknüpfen jeder einzelnen Noppe, jedes Plüschbischels herzustellen.

Die Smyrnafnüpftechnik, welche in den verschie densten Ausführungsformen heute fast allgemein Gegenstand des Handarbeitsunterrichtes ist und in Folge dessen wenigstens dem Namen nach eines allgemeinen Bekanntseins sich erfreut, hat ebenfalls haute lisse, d. h. senkrecht aufgespannte Kette, als Grundlage. Auf die Kettfäden werden nach Maß gabe des Musters Wollbüschel aufgeschleift, und nach Vollendung einer Schleifenreihe gewöhnlich zwei Schuß Jutegarn eingetragen. Das Grundgewebe ist in Leinwandbindung ausgeführt; eine horizontal bewegliche Weblade wird nach Eintragung eines Schusses zum Niederfallen, zum Schußauschlag ge­

er Herr Amtsrichter Heinersdorf hatte soeben zum dritten Mal die Nase geputzt. Man hörte es ganz deutlich im Nebenzimmer. Die beiden Schreiber und der angehende Gehilfe in dem schlot­ternden Konfirmationsrock bückten sich noch tiefer wie sonst über die Aktenbündel; sie wären sämmtlich lieber erstickt, als daß sie sich unterstanden, die Stille durch ein Husten zu unterbrechen; hätte sich bei einem die Natur gewaltsam Luft gemacht, so würde ihn aus Entseßen über seine Kühnheit voraus­sichtlich der Schlag gerührt haben. Wenn sich der gestrenge Herr, öfters hintereinander schneuzte, stand der Barometer auf Sturm: zu dem beliebigen äußeren Aerger gesellte sich dann noch der ständige des Amtsrichters über seine stets verstopfte Nase. Er pustete gewaltig darauf los, obgleich er im Voraus wußte, sein krampfhaftes Mühen nach Luft bleibe erfolglos; dessen ungeachtet wurde er über das immer gleiche Ergebniß und sein Leiden regel­mäßig so wiithend, daß er in solchen Augenblicken selbst dem Justizminister eine Grobheit an den Kopf geworfen hätte. Außerordentlich beruhigend wirkte dann auf ihn, wenn er irgend etwas zerbrechen oder eine Fliege todtschlagen konnte. Da er letzteres Mittel auf seinem Bureau anwendete, so sorgte seine Frau dafür, daß in seinem Arbeitszimmer daheim immer einige zersprungene Gläser, Tassen ohne

bracht. Einen Schüßen oder eine Ladenbahn, auf welcher Letzterer laufen könnte, giebt es ebenfalls welcher Letzterer laufen könnte, giebt es ebenfalls nicht; der Schuß wird auf ein mäßig langes Lineal gewickelt und mit diesem von Hand durch das ge= öffnete Fach gesteckt. Auch da, wo diese Teppich fabrikation noch heute in Flor ist, haben sich die einzelnen Verrichtungen nicht geändert, auch sind einzelnen Verrichtungen nicht geändert, auch sind dieselben eine Domäne der Frauenarbeit geblieben.

Der auf diese Weise hergestellte Smyrnateppich ist überall mit Flor gedeckt und zeigt einen eigen thümlichen perligen Effekt, welcher dadurch entsteht, daß die in das Grundgewebe eingeknüpften Noppen eine leichte Neigung nach der einen Seite zeigen; dadurch wird nicht die filzartige Oberkante des Fadens, sondern die Seitenfläche dem Auge zum Theil sichtbar und die Eigenheit gefärbter Wolle, an den Schnitt­stellen dunkler zu erscheinen als wie im glatten Faden, ruft den bezeichneten Perleffekt hervor. Bei gewissen Plüschen wird diese Beobachtung zur Er­zielung ganz neuer Figuren benutzt, indem die über Stahlruthen gebildeten Schleifen theilweise geschnitten, theilweise als runde Locken belassen werden; auf dunklem Schnittgrund entstehen dadurch hellere Zug­oder Friséfiguren.

Die meist in großem Farbenreichthum aus­geführten Smyrnateppiche verlangen eine ziemliche Sicherheit in der Auswahl der farbigen Wollstückchen, die, in vielen kleinen Stästen vor der Arbeiterin auf­gestapelt, als Flor eingefniipft werden sollen; es gehört deshalb zu dieser Thätigkeit ein gut aus­gebildeter Farbensinn und durch lange Uebung er­worbene Fertigkeit im schnellen Finden des richtigen Kastens. Die ,, Jünger der schwarzen Kunst" sind meist nicht wenig stolz auf ihre Fertigkeit im Greifen der Typen, eine solche Teppichknüpferin ist ihnen jedoch ganz bedeutend über, da sie nicht ihr ganzes Leben lang an einem Kasten arbeiten kann, der im be= stimmten Fach die bestimmte Farbe enthält; für sie wechselt fast bei jedem Teppich die Farbfolge und es würde ihr schlecht bekommen, wenn sie einmal es würde ihr schlecht bekommen, wenn sie einmal Typen fangen, ich wollte sagen Farben auswählen wollte in einer Verfassung, in der sie graue Mäuse wollte in einer Verfassung, in der sie graue Mäuse über den Kasten laufen sieht. Ob troßdem solche Vorkommnisse Veranlassung gewesen sind, oder ob dieselbe in anderen Ursachen ihren Grund gefunden dieselbe in anderen Ursachen ihren Grund gefunden hat, mag dahingestellt bleiben, Thatsache ist, daß ein deutsches Reichspatent eine Maschine zum auto­matischen Ordnen verschiedenfarbiger Florfadenstücke nach Maßgabe eines herzustellenden Musters für nach Maßgabe eines herzustellenden Musters für Smyrnateppiche und andere Pliischgewebe unter Schutz stellt. Wenn auch das Patent schon längst

Der Gäns- Billich.

Von Carlot Gottfried Reuling.

Ohren, oder Halbzerbrochene Teller standen. Auf Ohren, oder Halbzerbrochene Teller standen. Auf diese Weise hielt die Besänftigung seines Zornes mit seinem Einkommen gleichen Schritt. Für das Gericht hatte er sich ein wahres Ungethiim von Fliegenklatsche hergestellt, die viel mehr einem furcht­Fliegenklatsche hergestellt, die viel mehr einem furcht baren Marterinstrument aus den Herenprozessen ähnlich sah. An einem kurzen, dicken Stock waren nicht weniger als neun, über einen Meter lange Gummischnüre befestigt, mit denen er bequem bis zur Decke knallen konnte. Wehe der Fliege, die von den sausenden Schnüren erreicht wurde; ſtatt des eben noch vergnüglich krabbelnden Geschöpfes war nur noch ein schmutziger Blutflecken zu sehen. Hente aber und es war noch obendrein eine dicke, blaue Schmeißfliege hatte der Amtsrichter hatte der Amitsrichter in seiner heftigen Erregung daneben geschlagen und sah das Insekt zu seinem unaussprechlichen Aerger durch's Fenster davonsummen. Der älteste Schreiber nebenan hörte den Schlag, und da er noch eine Unterschrift brauchte, freute er sich, den günstigen Augenblick beniißen zu können. Er fam eilig in's Er kam eilig in's Zimmer und reichte dem Amtsrichter den beschrie­Zimmer und reichte dem Amtsrichter den beschrie benen Bogen. Kaum aber hatte der gestrenge Herr einen Blick darauf geworfen, als sein Gesicht ganz firschroth wurde.

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" Was unterstehen Sie sich denn, Herr!" fuhr er den Schreiber so grimmig an, daß der Mann

wieder gelöscht ist, so zeigt es doch, was nicht Alles automatisch gemacht werden soll. Nicht weniger als sechzehn deutsche Patente haben sich bisher mit der Herstellung von Smyrna und Smyrna - Imitationen beschäftigt, davon sind drei noch in Kraft. Noch in allerneuester Zeit ist ein Patent ertheilt auf ein Verfahren zur Herstellung von Smyrnaknüpfteppichen mittelst der Nähmaschine.

Den größten Einfluß auf die Fabritation selbst haben die Imitationen vermittelst hochfloriger Chenille gehabt; dieselben sind jedoch nicht im Stande, das eigenthümliche Aussehen der echten Smyrnateppiche und ebenso die unverwüstliche Haltbarkeit derselben zu erreichen.

Es ist dieser Fabrikation der Charakter des Kunsthandwerkes trotz aller maschinellen Erfindungen nicht ganz zu nehmen. In wie vielen Variationen werden nicht heute Smyrna - Imitationen ausgeführt, und auch unter den Ausstellungsobjekten der früher erwähnten nordischen Kunstweberei waren sehr ge­schmackvolle Stücke zu finden. Die Figuren traten hier auf einem Gobelingrundgewebe hervor, die Flor­noppen waren also nicht zugleich mit dem Grund­gewebe entstanden, sondern erst nachträglich aufgesezt; daher kam es auch, daß die Knoten der Florbüschel an den Rändern der Figur, sowohl durch die Art der Lagerung als auch durch den Unterschied der Niiancirung von geschnittenen Fäden, als recht inter­essantes Dekorativ sich abhoben. Durch kürzeres Schneiden der Florbüschel an den Nändern der Figuren wurden außerdem gewisse Wölbungen hervor­gerufen, die dem ganzen Gewebe noch einen besonders geschmackvollen Ausdruck verliehen.

Auf der vorjährigen Stockholmer Gewerbeaus­stellung erregten ähnliche, Flossa" genannte Erzeug­nisse das Interesse der Fachleute. Diesen ähnlich find Gewebe aus Langenhorn ( Schleswig- Holstein ), woselbst Stuhl- und Wagenkissen hergestellt werden. Mehr als zwei Farben kommen bei diesen nicht vor, meist dunkelblau und hellblau, oder dunkelblau und dunkelroth. Die dargestellten Motive sind sehr ein­fach, gewöhnlich ist es eine Vase, aus der eine Blume aufsteigt. Eine vielleicht noch ältere Technik ist die Viöler Knipftechnik, so benannt nach dem Dorfe Viöl( Nordschleswig). Auf glattem Grunde, weiß, dunkelblaugrün, braun, schwarz oder tiefdunkel­blau, erheben sich in geometrischen Mustern Büschel farbiger Wolle, welche nicht aufgeschnitten sind; meist umrahmt ein Fries ein anderes gemustertes Mittel­feld. Die gleiche uralte Technik findet sich an Ge­weben koptischen Ursprungs.

entsegt drei Schritte zurückhüpfte; eine solche Arbeit legen Sie mir vor? Die soll ich unterschreiben? Da, sehen Sie!"

Er hielt dem Schreiber den Bogen hin: der Aermste starrte ihn ganz fassungslos an; er konnte auch nicht das Geringste entdecken.

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" Nun, ich glaube gar, Sie finden es nicht einmal. Hier der Strich über'm u er steht ja schief, ganz schief. Und Sie wollen ein Beamter sein, Herr..

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"

Ein Riß der Bogen flog auseinander und an den Boden. Der Zorn des Amtsrichters war verraucht.

"

Er drehte sich um, lächelte und klopfte dem Schreiber auf die Schulter. Schreiben Sie die Geschichte hente Mittag noch einmal; Sie sind ja sonst ein tiichtiger Mann, das muß ich sagen. Adien, Hag!"

Mit dem fröhlichsten Gesicht von der Welt stieg er jetzt die Treppe hinunter und ging heint. Es hungerte ihn gewaltig; er war schon bei Tages­anbruch auf der Pürsch nach einem kapitalen Bock gewesen, dem er seit Langem zu Gefallen ging. Wirklich gelang es ihm, sich anzuschleichen, und er wollte sich eben schußfertig machen, als ein Stein unter seinen Schuhen abbröckelte und er in seiner ganzen Länge hinschlug. Der schlaue Bursche war