Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Gesangsprofessor ,,, immer verliebt! Wo soll denn Eine sonst den Ausdruck herkriegen?"
Aber nun glaubte Lena nicht mehr an eine neue Liebe. Die rechte würde doch nicht kommen, nie, nie! Alles ging unter in dem Gefühl der erlittenen Kränkung, in dem neuen großen Unglücklichsein. Sie wollte nun nichts mehr von den Menschen, nein, nur die Kunst, die Kunst! Sich an die mit allen Fasern flammern, immer ihr nach, ohne nach rechts und links zu blicken! Eine stürmische Sehnsucht faßte plöglich Lena's Herz; ein unwiderstehlicher Drang trieb ihr Thränen in die Augen, ihre Wangen glühten.
Sie fuhr auf; sie war erschrocken. Draußen Laufen auf dem Perron, Schlagen von Thiiren, Rufen jezt wurde ihr Coupé aufgerissen. ,, Steigen Sie ein, Herr, hier ist Play," sagte die rauhe Stimme des Schaffners.
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Wie unangenehm! Lená zog sich ganz in ihre Ecke zurück, sie hatte jetzt nicht Lust auf Gesellschaft; sie schämte sich der Thränen, die noch verrätherisch in ihren Augen glänzten, und ihrer heißen Wangen. " Sie gestatten," sagte der Fremde, faßte an den Hut, brachte sein Gepäck unter Lena jah Malutensilien, Farbkasten, Staffelei, Leinwandschirm, Feldstuhl und warf sich dann auf den Sig, die Beine von sich streckend.
Der Zug rasselte weiter.
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Eine halbe Stunde war vergangen; nach und nach wurde die Landschaft draußen flacher, die pittoresten Formen der Eifelberge verschwanden, die schwermüthig nackten Suppen mit ihrer kahlen Einjamfeit machten sanften Abdachungen, Aeckern und Dörfern Plaz. Schon tauchten Fabritschornsteine auf.
Lena fröstelte, die ganze Poesie war dahin; und dabei mußte sie gähnen, eine schreckliche Leere in ihrem Magen quälte sie. Sie hatte Hunger. Sie schämte sich vor sich selber; wie fonnte man so unglücklich sein und doch Hunger haben? Bis Köln würde sie's noch aushalten müssen. Unruhig glitt ihr Blick umher.
Ihr Gegenüber zog jezt ein weißes Papierpacketchen aus der Handtasche; ein paar appetitliche Butterbrote waren darin und zwischen Blättern auch Früchte. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, fie neigte sich vor und machte große Augen.
Als ob er's geahnt hätte, so sah er jetzt auf; ihre Blicke begegneten sich, sie wurde über und über roth, wie ein ertapptes Kind. Ein leichtes Lächeln hob seine Oberlippe, man sah die schönen weißen Zähne; auf der flachen Hand hielt er ihr das Papier hin. Darf ich Ihnen etwas Obst anbieten? Auf ben primitiven Bahnhöfen, die wir passiren, giebt's nichts Genießbares. Verzeihen Sie, ich wollte nicht unbescheiden sein!"
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Lena hatte sich auf die Lippen gebissen und war in ihre Ecke zurückgefahren was Tem einfiel?! Es wurmte sie, aber gleich darauf kam ihr Alles so komisch vor, sie mußte lachen.„ Sehe ich so hungrig aus?" Und dann streckte sie die Hand aus und nahm eine Frucht und dann, zögernd, ein Butterbrot.„ Ich bin auch hungrig! Es ist gewiß komisch, daß ich sie brach verlegen ab.
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" D, garnicht!" Er hatte eine famose Art, ihr
über die Befangenheit wegzuhelfen.„ Reisegefährten find ja für eine Weile Lebensgefährten
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warum
also nicht?" Er langte wieder in die Tasche und entfortte eine Flasche. Da, bitte, trinken Sie!" Er hielt ihr einen Becher mit Wein hin.
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Ohne Zögern that sie einen tiefen Zug, und och einen. Der Wein war start, die Schatten unter ihren Augen verschwanden, ihre Lippen wurden feucht, und roth.„ Ich fühle mich jetzt ganz anders," murmelte sie, so viel frischer, ich danke sehr!" Ihre Augen glänzten.
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Er fand sie hübsch, viel hübscher, als er aufänglich gedacht hatte. Die schmale Stirn mit den Lockenringeln, der eigentlich zu große Mund mit der charakteristischen furzen Oberlippe waren pikant. Ein Mund, der viel Amiisautes plaudern konnte, den es lockend war, zu küssen.
Mein Fräulein?" Es flang wie eine Frage. Sie nickte.
,, Also, mein Fräulein, erlauben Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle: Bredenhofer, Richard Bredenhofer, Dilettant in allen Künsten und sonst nichts!" ,, O!" Sie schielte nach den Malergeräthschaften, die oben im Netz schaukelten.
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Nein, nein," er lachte halb spöttisch, halb leichtsinnig,„ wirklich nur ein Dilettant, auch hierin. Aber man giebt die Hoffnung im Leben nicht auf. Einmal muß es doch kommen, das, nach dem man Durst hat, das" er schloß die Hand und öffnete sie wieder ich weiß nicht, wie ich's nennen soll!" ( Fortsetzung folgt.)
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,, das
Bom altgriechischen Theater.
( Schluß.)
Von E. West.
n gedrängter Kürze wollen wir nun die Einrichtung der Stätte betrachten, auf der so viel Herrliches, über die Bretter" gegangen. Nach dem Einsturze des ursprünglichen bloßen Brettergeristes, welcher bei einer Aufführung des Aeschylos stattgefunden haben soll, wurde an einen würdigen Steinbau gegangen, der in die Zeit der großartigsten Erhebung des Volkes der Athener fällt, in die Zeit der Perserkriege. Selbstverständlich ist immer, wenn von der griechischen dramatischen Kunst die Rede ist, Athen gemeint. So ist denn das Gebäude an der Südseite der Burg entstanden, das ein Deutscher ( Professor Strack in Berlin ) durch einen glücklichen Fund nach mehr als zweitausend Jahren wieder ent= deckt hat. Mit welcher Liebe daran gearbeitet worden ist, und wie alle Kiinste zur rastlosen Ausschmückung und Verherrlichung dieses Bauwerks haben beitragen müssen, ersieht man aus der Nachricht, daß es erst müssen, ersieht man aus der Nachricht, daß es erst unter Lyfurg, ein Jahrhundert später, vollendet wurde, woraus zugleich hervorgeht, daß, so lange das griechische Volk in Blüthe stand, an der Verschönerung des Theaters unaufhörlich gearbeitet worden ist.
Dieses Theater hat allen anderen in Griechen Land zum Muster gedient. Das antike Theater besteht aus drei Theilen: 1. aus dem Zuschauer raum, dem„ Theater " im engeren Sinne( theatron, Schauraum); 2. aus der Orchestra, dem Tanzplaz des Chores; 3. aus der Stene( Scene), der Bühne des Schauspielers.
Der Naum für die Zuschauer lehnte sich gewöhnlich an einen Hügel und war amphitheatralisch, d. h. die Size erhoben sich in konzentrischen lisch, d. h. die Size erhoben sich in konzentrischen Halbkreisen übereinander, die vernünftigste Gestaltung Halbkreisen übereinander, die vernünftigste Gestaltung eines Theaters, sowie anderer Zuschauerräume, da man hier von jedem Plaze aus gleich gut sehen fann. Mehrere von dem Mittelpunkte aus nach der Höhe zulaufende Nadien bildeten die Abtheilungen und Zugänge zu den Sizen. Ein oder zwei breite Gänge( Gürtel), welche diese Nadien untereinander verbanden, schieden die unteren Sizreihen von den oberen und sonderten so die verschiedenen Stockwerke. Die Sigstufen, 1 Fuß 2 Zoll bis 1 Fuß 5 Zoll hoch und 2 Fuß 5 Zoll bis 3 Fuß 10 3oll breit ( also recht geräumig, ohne modern- raffinirt schmutzige Raumschiuderei), waren in ihrer vorderen Hälfte zum Sigen, in der hinteren etwas vertieften fiir die
Füße der in der höheren Reihe Poſtirten bestimmt. Die obersten Sißreihen umschloß entweder eine Mauer oder eine Säulenhalle. Die einzelnen Size waren durch Linien abgetheilt. Irgend weld, cr Nangunterschied war durch das Höhere oder Niedere der Size nicht ansgedrückt, alle Size waren an Werth einander vollkommen demokratisch gleich. Alle drei Näume lagen unter freiem Himmel, Bedeckung fand in der Blüthezeit des griechischen Theaters durchaus nicht statt, also weder des Zuschauerraumes, noch der Orchestra, noch der Stene.
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Der wichtigste Theil war die Skene. Sie gehörte dem Schauspieler und wurde nur selten auch vom Chor benußt, wie in den Eumeniden" des Aeschylos , wo dieser die selbstständige Nolle eines Schauspielers vertrat. Andererseits steht aber fest, daß der Schauspieler nie in der Orchestra erschien, die nur dem Chore gehörte. So lange freilich Tyrische Chöre den Dionysos verherrlichten und die
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Anfänge des Dramas innerhalb des Chorführers und der Choreuten sich hielten, gab es nur zwei Abtheilungen: Theater( éarpov, Zuschauerraum) und Orchestra. An der Stelle des Zeltes, aus welchem der Schauspieler hervorkam, welches der Sfene ihren Namen gegeben hat, trat ein festes Bühnengebäude, in den meisten Theatern mit fünf gegen die Bühne gerichteten Thüren, welche durch eine Dekoration verkleidet wurden, die ebenso wie das Gebäude selbst den Namen„ Sfene" erhielt. Später wurde das Wort„ Sfene" häufig auf den Vorplaz vor der Bühnendekoration übertragen, auf welchem der Schauspieler auftrat, der genauer Prostenion oder Proscenium, Vorplaz vor dem Bühnengebäude, hieß. Dieses Prosfenion lag zehn bis zwölf Fuß über der Orchestra. Die den Zuschauern zunächst liegende, in die Orchestra hinabsteigende Wand des Prosfenions, welche dieses von der Orchestra trennt, war mit Säulen und Statuen geschmückt und hieß ( ebenso wie der durch sie begrenzte Raum unter der Bühne) Hypostenion.
In der Mitte der Orchestra stand der für die Opfer des Dionysos bestimmte Altar. Von diesem aus bis zum Prosfenion pflegte bei dramatischen Vorstellungen der Sandboden der Orchestra durch ein mehrere Fuß hohes Geriist erhöht und dieses mit der Bühne durch eine Treppe verbunden zu werden. Der Altar selbst wurde in die dramatischen Spiele in keiner Weise mit hineingezogen, wie denn auch die Orchestra in keiner Weise deforirt wurde. Auf den Stufen des Altars befand sich der den Chor begleitende Flötens, ieler, eben daselbst befanden sich die Rhabdophoren, oder auf einem für den Chor errichteten Brettergeriist, von wo aus sie ihres Amtes als Sittenpolizei im Theater walteten.
Die Dekoration des Bühnengebäudes zeigte, da die Handlung auf offener Straße stattfand, ( nicht im Innern des Hauses), gewöhnlich einen Palast( rechts die Fremdenwohnung, links das Sklavenhaus) in der Tragödie; in der Komödie ein bürgerliches Wohnhaus, im Satyrdrama einen Wald oder eine Höhle. Diese Dekorationswand, wohl zu unterscheiden von der Wand des festen Bühnengebändes, enthielt drei Thüren, aus welchen jene Schauspieler hervortraten, die im Innern des Palastes oder Hauses ihren Aufenthalt hatten. Wer anderswoher kam, bediente sich der Eingänge zur Seite der Bühnenwand und zwar ein aus der näheren Umgebung Auftretender des linken, ein aus der Ferne Ankommender des rechten Einganges. Sollte in einzelnen Fällen das im Innern des Hauses Vorgefallene sichtbar werden, so wurde die Dekorationswand auseinander gezogen und auf einer auf Rollen gestellten und zum Schieben einger'chteten Masch'ne, gewissermaßen einer erhöhten kleinen Bühne, das Junere im Inneren gezeigt, nicht aber auf die Bühne selbst hinausgeschoben, wie öfter, wenn ein Leichnam sichtbar werden, soll.
Außer der den Zuschauern zugekehrten Bühnenwand mit ihrer verschiebbaren Dekoration, die nur in sehr seltenen Fällen während des Stückes geändert wurde, gab es an den Seiten des Prosfenions zwischen Orchestra und Bühnenwand je eine dreiseitige drehbare Waschine, die Periakten ge= nannt, welche der Hauptwand entsprechend dekorirt war und durch deren Umdrehung eine Veränderung der näheren oder entfernteren Umgebung der auf der Hauptbühnenvand dargestellten Dertlichkeit be= wirkt werden konnte. Die Räume zur Seite des Bühnenplages, auf welchen diese Periakten angebracht waren, hießen Paraskenien.
Zwischen den Periaften und der hinteren Bühnenwand befanden sich die Seitenzugänge für die Schauspieler, welche nicht aus den Thüren der Hauptdekoration auf die Bühne traten. Zu welcher Zeit an dieser Stelle die festen Flügel des Bühnengebäudes, nach der Orchestra zu, gebaut worden sind( ebenfalls Parastenien genannt), welche wahr= scheinlich zur Aufbewahrung der Theatergeräthschaften, der Garderobe und zum Aufenthaltsorte für Schauspieler und Chor dienten, läßt sich nicht mit Bestimmtheit nachweisen.
Von Maschinerien gab es erstens die schon erwähnte Rollmaschine, auf welcher, nachdem sich