Die Fene Welt

Nr. 7

( Fortsetzung.)

Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Dilettanten des Lebens.

ena wich zurück." Herr Professor, sagen Sie mir, habe ich denn wirklich nicht schlecht gesungen?"

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Er musterte ein klein wenig spöttisch ihr erregtes Gesicht. Zum Schluß sogar sehr gut, künstlerisch eigentlich viel besser als die Krotoschinska aber aber das ist ein Frauenzimmerchen, ha! Wie geschaffen für die Kunst! Macht rapide Karrière! Ihnen"- er gab plöglich ihre widerstrebende Hand frei und machte ein faltes Gesicht Ihnen, fehlt jedes Auftreten!"

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Langsam schritt Lena die Stufen der Seiten­treppe hinunter; von unten blies ihr der Nachtwind entgegen; sie fühlte sich so allein. Was er wohl sagen wiirde? O, wenn sie ihm, ihm wenigstens doch gefallen hätte! Im Konzert war er sicherlich gewesen, gestern hatte er's zugesagt. Ein heißes Gefühl überfam fie plötzlich, trotzdem ihre Glieder in dem dünnen Abendmäntelchen schauerten; sie sehnte fich nach ihm.

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Lena guten Abend Fräulein Lena!" Sie fuhr zusammen, daß sie fast von der Schwelle des Ausgangs heruntergefallen wäre. Da stand er vor der Thür, den Hut in die Stirn gedrückt, das Stöckchen unter'm Arm, bleich, im flackernden Licht der Laterne.

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Ah Sie!" Mit einem glückseligen Lachen reichte sie ihm die Hand. Er drückte sie zärtlich und 30g ihren Arm fester in seinen. Rechts und links berliefen sich die letzten Konzertbesucher wind berwehte Mäntel und flatternde Schleierzipfel. Er fühlte sich ganz allein mit ihr, losgelöst von aller Welt, nur zu diesem Mädchen gehörig.

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Sorgsam, ihren Arm an sich drückend, führte er sie zur nächsten Droschke. Sie sprachen nicht, fie kämpften gegen den Wind an, der die schlanken Gestalten umzuknicken drohte.

Er hob sie in die Droschke; wie im Traum ließ sie sich's gefallen, hörte, wie er dem Kutscher die Weisung gab, fühlte, wie er sich neben sie sezte. Sie konnte garnicht denken, hatte nur das eine Ge­fühl erwartungsvoller Freude, wie sie es als Kind vor Weihnachten gehabt.

Der Wagen rappelte über Pflaster, hinter den angelaufenen Scheiben huschten gelbe Lichter vorüber; jezt fam Asphalt.

,, Lena," sagte er erregt und versuchte vergebens, seiner Stimme Festigkeit zu leihen, Sie, Sie haben gesungen wie ein Engel!"

Und plöglich lag er vor ihr auf dem Boden des engen Wagens, den Kopf an ihre Kniee gedrückt. " Lena," flüsterste er, und doch klang's ihr wie Posaunenton, ich habe Sie lieb, ich habe Dich lieb Dich, Dich, Dich zum Sterben!"

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Roman von Clara Viebig .

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Er richtete den Kopf auf und suchte im Dunkel den Blick ihrer Augen. Lena, sieh mich an" er legte beide Hände an ihre Wangen, hast Du mich lieb?"

Sie nickte; eine unbeschreibliche Seligkeit nahm ihr den Athem, ein unterdrücktes Lachen kam ihr aus der Brust und dann ein krampfhaftes: Ja, ja, ich hab' Dich lieb, ich bin Dir so gut!"

Sie schlang beide Arme um seinen Hals und zog die Lippen nicht zurück vor seinem Kuß.

Draußen scharfer Wind, der durch die Rizen des Wagens pfiff; feuchte Nachtkälte und spärlich flackernde Lichter. Innen in dem ratternden Gefährt eine große Seligkeit. Da war fein Gedanke an die Zukunft; warm floß es aus einem Herzen in das andere, ein köstlicher Strom goldener Hoffnungen.

" Ob sich je zwei Menschen so geliebt haben?" fragte sie triumphirend, ihr glühendes Gesicht von dem seinen hebend.

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Nein, nein, nein!" Er füßte sie stürmisch. , Es giebt feine Liebe gleich der unseren; fie überwindet Alles o Lena!"

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Der Wagen hielt; sie waren schon in der stillen Straße vor dem hochstöckigen Hause.

" Die Mutter!" sagte sie plößlich erschrocken und dann gleich darauf mit einem glückseligen Lachen: ,, Die wird denken, sie träumt; sie glaubt mir's garnicht!"

Ich komme mit Dir, dann wird sie es Dir glauben. Komm, gieb mir Deine liebe Hand!"

Hand in Hand, wie Kinder, die einander führen, gingen sie die Stufen hinan. Noch brannte das Gas auf den Treppen, aber es war schon ganz still im Hause, Niemand begegnete ihnen.

Die letzten Stufen flog Lena hinan. Sie hatte sich losgerissen, nun zerrte sie stürmisch an der Klingel. Innen Pantoffelschlurren.

" Bist Du's, Lena?" fragte die ängstliche Stimme der Mutter.

Ja, ja!"

Die Kette fiel rasselnd, es wurde aufgeschlossen. Mein Kind, es ging wohl sehr gut? Die Anna ist zum Kränzchen. Ich ah!"

Frau Langen wich zurück bis an die Wand des Korridors was wollte der fremde Herr da hinter was wollte der fremde Herr da hinter ihrer Tochter? Er verbeugte sich tief, er griff nach ihrer Hand.

Mutter!" Hastig, mit einer beängstigenden Leidenschaftlichkeit, warf sich ihr Lena an den Hals. Mutter, ich bin so glücklich! Da da ist er" sie zog ihn neben sich ,, wir haben uns lieb weißt Du, der Herr, der mich bei Doktor Neuter begleitet hat der, mit dem ich auch im Herbst gereift bin, und und ich bin so glick=

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1899

lich, Mutter!" Sie brach in Lachen und Schluchzen zugleich aus.

" Mein Gott !" Frau Langen faßte sich an den Kopf, ihre zarten Wangen errötheten tief, rathlos blickte sie den fremden Mann an. " Was ist denn

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was?"

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,, Gnädige Frau," Bredenhofer hatte augenblick­lich gar keinen Begriff von der Merkwürdigkeit der Situation; als habe er keine Sekunde zu verlieren, so sprudelte er hervor: Gnädige Frau, sagen Sie ja' , ja gnädige Frau, ich kann nicht leben ohne Lena! Gnädige Frau" er füßte stürmisch ihre Hand ,, legen Sie uns nichts in den Weg gnädige Frau?!" Er sah sie flehend, treuherzig aus hübschen, offenen Augen an.

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Frau Langen zitterte ant ganzen Leib; an ihrem Halse schluchzte krampfhaft die Tochter, ihre Hand hielt der junge Mann und ließ sie nicht los. Einen Augenblick war's ihr, als sei sie irre oder liege im Bette und habe einen tollen Traum.

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,, Kommen Sie herein," sagte sie halblaut, ich

ich bitte, treten Sie näher!"

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Drinnen im gemüthlichen Zimmer brannte die Lampe ; auf dem Tisch standen Thee und gestrichene Butterbrötchen für Lena. Die vertrauten Umgebungen gaben Frau Langen einigermaßen die Fassung wieder. Sie fühlte sich Herr in ihrem Hause, aber sie mußte sich schnell seßen, die Kniee wankten ihr.

,, Bitte, nehmen Sie Play!" Sie deutete ver­bindlich auf einen Stuhl und versuchte sich mit kühler Gelassenheit zu wappnen.

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Was wünschen Sie, mein Herr Herr Breden­hofer, nicht wahr? Meine Tochter hat mir wohl Ihren Namen genannt, aber wie konnte ich denken?! Lena ist immer so übereilig, so vorschnell, ich Sie sehen, ich bin vollständig fassungslos! Darf ich bitten" sie war jest ganz Dame, ganz fühl mich etwas aufzuklären!"

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O, nicht so, Mutter! Nicht so!" Lena stürzte auf sie zu und schmiegte sich an sie. Sie drückte ihre Wange an die der Mutter und flüsterte ihr in's Ohr.

Bredenhofer fing an zu reden, im überströmenden Gefühl war er beredter denn je. Er sprach von der gemeinschaftlichen Reise, vom Wiedersehen bei Reuter, vom heutigen Konzert. Die Worte flossen ihm von den Lippen; er war ein Dichter, als er von seiner, von Lena's großer Liebe sprach.

Frau Langen war gerührt. Sie streichelte der Tochter das Haar und sagte zugleich vorwurfsvoll: ,, Und ich habe nichts geahnt? Lena, Lena!"

Dann faltete fie die Hände und sah ergebungs­voll drein, die Thränen liefen ihr dabei über's Ge­