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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
vom nächstfolgenden Daumen von Neuem gehoben zu werden. Soll der Hammer in den Ruhestand vers sezt werden, so wird er in seiner höchsten Stellung durch eine schnell untergestellte Stüße aufgefangen, eine Manipulation, die nur nach langer Uebung gelingt. In dieser Stellung gehen dann die Daumen der Welle, ohne ihn zu treffen, haarscharf am Schwanze des Hammerstiels vorbei. Soll umgekehrt der Hammer in Thätigkeit treten, dann wird die Stiiße, auf der er ruht, weggeschlagen, worauf er niederfällt, um nach einigen Sekunden von der in zwischen in Bewegung gesezten Welle erfaßt und gehoben zu werden.
Diesen Moment hat Friedrich Keller auf seinem Bilde festgehalten. Eine Weile schon haben die Schmiede aufmerksam in das Feuer hineingeschaut. Jetzt sind sie einig, daß das eingefüllte Erz zu einem Klumpen zusammengeschmolzen ist, und sie treffen die nöthigen Anstalten, um diesen aus dem Feuer heraus und unter den Hammer zu bringen. Da es noch grobe Arbeit zu verrichten giebt, indem erst die Schlacken und sonstigen fremden Bestandtheile aus dem Eisen herausgequetscht werden müssen, muß der größte Hammer in Thätigkeit treten.
Der eine der Schmiede stößt eine zugespizte Eisenstange mit großer Gewalt in die breiige Masse und hebt sie mit dieser aus dem Feuer heraus. Der zweite greift mit einer großen 3ange zu, und schnell wird der weißglühende, sprühende Klumpen nach dem Hammer befördert, neben dem bereits ein dritter Schmied zur Bedienung des Hammers Aufstellung genommen hat. Kaum daß der Block auf dem Ambos liegt, läßt er auch schon den Hammer fallen. Dann drickt er schnell mit ganzer Kraft die Stange nieder, die wir in seiner linken Hand sehen. Die Stange steht durch eine Eisenschiene mit dem langen Hebelarme in Verbindung, der oberhalb des Hammergestelles frei in den Raum hineinragt. Durch ihn wird die im Gerinne über dem großen Wasserrad befindliche Klappe bewegt. Ein Druck, wie jeßt nach unten, öffnet die Klappe, und sofort verstummt das Getöse des bisher unbenutzt vom Gerinne niederstürzenden Wassers. Dagegen beginnt es in der, durch einen Bretterverschlag von der Hütte getrennten ,, Nadstube" zu zischen. Das Wasser fällt auf das große Rad, die Welle beginnt sich langsam zu drehen, und erst langsam, dann immer schneller und schneller dröhnt der Schlag des Hammers durch den Raum, so daß die beiden Schmiede vor dem Ambose Mühe haben, während der kurzen Zeit des Aufsteigens des Hammers die nöthigen Drehungen und Wendungen mit dem Eisenblock auszuführen.
Immer glückt das natürlich troz größter Uebung und Geschicklichkeit nicht, und deshalb ist der dritte Mann jeden Augenblick bereit, durch Unterstellung der Stüße den Hammer aufzufangen, während er mit der linken Hand den Wasserzufluß derart regelt, daß die Umdrehung des Rades eine bestimmte Geschwindigkeit nicht übersteigt.
Nach einiger Zeit ist der erst weißglühende Klumpen, der unter den Schlägen des Hammers bedeutend an Umfang verloren hat, nur noch schwach rothglühend. Ein Zeichen des Vorarbeiters, und der Hammer steht still, während die Welle, von der Schwungkraft des Rades getrieben, noch einige Umdrehungen macht. Der Eisenbrocken wandert zurück in den Feuerherd, um abermals auf Weißgluthhige gebracht zu werden, bis er nach wiederholtem Durcharbeiten unter kleinen Hämmern zu einer Stange recht guten Schmiede- Eisens wird.
So ging es bei der Eisenbereitung unserer Großväter zu. Der Dampf hat dieser Art von Eisenproduktion bald ein Ende gemacht, und mit ihr ist auch das Geschlecht der Hammerschmiede alten Schlages ausgestorben.
Der wuchtigste Schwanzhammer von früher ist gegen die Dampfhämmer von heute ein Kinderspielzeug. Wiegt doch der große Hammer bei Krupp in Effen 1000 Zentner bei 3 Meter Fallhöhe, während der große Hammer in Creuzot gar 1600 Zentner wiegt und 5 Meter Fallhöhe hat. Während im Während im alten Eisenhammer der Ambos einfach auf einem in die Erde eingegrabenen und mit eisernen Ringen versehenen Holzkloze befestigt wurde, wiegt die Cha
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botte das ist der Eisenkloß, auf dem der Ambos befestigt ist des Creuzoter Hammers die Kleinigkeit
von 16000 Zentnern. Und dabei sind diese modernen Ungeheuer ihrem Führer, der sie von einer am Hammergestelle angebrachten Gallerie aus lenkt, folgsam wie ein gut erzogenes Kind.
Dasselbe Ungethüm, das sich jetzt mit zermalmender Wucht auf ein zu bearbeitendes Stück Eisen oder Stahl wirft und durch seinen Schlag weithin die Erde erzittern macht, es tänzelt im nächsten Augenblick so leicht und zierlich auf und nieder und trifft so sanft auf, daß man mit ihm Nägel in eine auf den Ambos gelegte Holzleiste einschlagen kann.
Trotzdem sind auch diese Riesenhämmer, ein so ungeheuerer technischer Fortschritt in ihnen verkörpert ist, bereits ein überwundener Standpunkt. Man hat längst schon die Erfahrung gemacht, daß die Einwirkung selbst der allerschwersten Hämmer auf das zu bearbeitende Stück eine vergleichsweise oberflächliche ist, gegen die der hydraulichen Presse. Aus diesem Grunde sind auch die Riesenhämmer der großen Werke zu dekorativen Schaustücken geworden, die nur noch selten in Gebrauch genommen werden, während die Arbeit, fiir die sie bestimmt waren, von den geräuschlos arbeitenden hydraulischen Pressen viel besser und intensiver verrichtet wird. Der kaum faßbar gewaltige Druck der hydraulischen Pressen wirkt bis in den innersten Kern der Eisen- und Stahlmassen und giebt ihnen ein so gleichmäßiges dichtes und zähes Gefüge, wie es durch Schläge auch mit dem schwersten Hammer nicht zu erzielen ist.
Aber auch dieses Verfahren wird bald genug durch noch vortrefflichere Methoden überboten werden. Schon arbeitet man an dem Problem der Metallgewinnung auf elektrischem und chemischem Wege; und wenn dereinst die Elektrizität den Dampf vers drängt haben wird, wie dieser das Wasserrad, dann werden unsere Kinder und Enkel von unserer Erzbereitung wahrscheinlich ähnlich reden wie wir von dem Eisenhammer unserer Großväter.
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Vom Namen.
Von Thomas River.
ir wollen den Versuch machen, bestimmte volksthümliche Anschauungen aus volksthümlichen Gebräuchen und namentlich aus der Sprache zu gewinnen. Die Sprache ist im Wesentlichen ein Erzeugniß des Volksgeistes, und so sehr sie stets in lebendigem Werden sich befindet, so zahlreich enthält sie, gleichsam versteinert, gewisse Formen und Ausdrücke, in denen sich das Denken des Volfes getreulich bewahrt hat. Es sind förmlich ,, Ueberlebsel" einer friheren Zeit, aber so mächtig, daß sie sich ihre Geltung bis heute bewahrt haben. Solche Ueberlebsel können wir an Handlungen studiren, die noch heute bei Kulturvölkern üblich sind; aber die noch heute bei Kulturvölkern üblich sind; aber sie begreifen werden wir am besten im Zusammenhang sie begreifen werden wir am besten im Zusammenhang mit Gebräuchen, die sich bei wilden Völfern finden.
In der Wetterau pflegt man nach den Leichen der Ertrunkenen zu suchen, indem man den Namen des Verunglückten auf ein Zettelchen schreibt, dieses auf ein Stück Brot legt und das Ganze frei schwimmen läßt; man ist überzeugt, daß der Name zu seinem früheren Träger schwimmt. Darin drückt sich die volksthümliche Meinung aus, daß Name und Person untrennbar zusammengehören. Wenn wir damit den Gebrauch mancher Indianerstämme vergleichen, daß Blutsbrüder ihren Namen tauschen, so finden wir etwas Aehnliches. Erst durch den Zusammenhalt solcher Beispiele fönnen wir aber verstehen, welche Anschauung dem Ganzen zu Grunde liegt. Ebenso werden wir uns manchmal nicht auf unsere Muttersprache beschränken können, sondern auch fremde Sprachen zum Vergleich heranziehen müssen.
Wir wollen zusehen, welche volksthümliche Denk anschauungen sich an den Namen, die Bezeichnung von Personen und Dingen knüpfen. Da finden wir zunächst aus zahlreichen Gebräuchen, daß der Name die höchste Bedeutung für das Volksbewußtsein hat.
Die väterliche Gewalt wurde bei den Römern bis in ihre äußerste Konsequenz anerkannt. Der Bater fonnte sein Kind ausseßen, verkaufen, sogar tödten. Ausgesezt wurden besonders mißgebildete und gebrechliche Kinder, aber auch der Aberglaube spielte eine Rolle; so wurden alle am Todestag des Germanicus geborenen Kinder ausgesezt, weil dies ein Unglückstag war. Erst die christlichen Kaiser, die auch das Tödten von Kindern verboten, hoben dieses Recht des Vaters auf, aber noch im 4. Jahrhundert nach Christus wird dieser barbarische Ge brauch als etwas allgemein Uebliches erwähnt; ja, Kaiser Constantin, zu Beginn des vierten nachchristlichen Jahrhunderts, sieht sich veranlaßt, das von seinem Vorgänger erlassene Verbot des Kinder verkaufs theilweise wieder aufzuheben, indem er es bei neugeborenen Kindern im Falle großer Armuth gestattete. Das Schicksal der ausgesetzten Kinder war ein entsegliches, so daß diejenigen noch zu be neiden waren, die einen schnellen Tod fanden. An einen mitleidigen Pflegevater kamen die wenigsten, die meisten wurden ein Handelsobjekt für Spekulanten; sie wurden als Stlaven verkauft, auch von Bettlern aufgegriffen, scheußlich verstümmelt und gezwungen, selbst zu betteln; auch der Prostitution wurden die Findlinge preisgegeben, und Begegnungen solcher Kinder mit ihren Eltern werden von zeit genössischen Schriftstellern erwähnt. Wollte ein Vater also sein Kind vor solchen Schicksalen bewahren, so mußte er es durch eine symbolische Handlung aus drücklich anerkennen; dies geschah durch Aufhebung vom Fußboden. Vollendet wurde die Anerkennung des neuen Familienmitgliedes durch die Namens gebung, die unter großen Feierlichkeiten bei Knaben am neunten, bei Mädchen am achten Tage stattfand. Damit war auch das neue Individuum von den anderen gesondert. Bei der Namengebung selbst Manche walteten die verschiedensten Rücksichten. Familien hielten nur bestimmte Namen für„ standes gemäß", außerdem spielte noch die hohe Meinung, die man von der Macht des Namens hatte, eine große Rolle: man vermied es, Namen zu geben, deren Träger etwa vor Kurzem ein unrühmliches Ende genommen, andererseits schmückte man Kinder gern mit dem Namen populärer Personen.
Ganz ähnliche Erscheinungen können wir noch heutigen Tages auch in Deutschland verfolgen. Erblich ist der Familienname. Die Persönlichkeit erhält aber das neue Familienmitglied durch den Taufnamen. Der Taufaft selbst ist ja bekanntlich mit der größten Feierlichkeit verbunden. Nun beachte man aber noch Folgendes: In mehreren Gegenden Deutschlands Folgendes: hüitet man sich, das Kind schon vor der Taufe zu Darum heißt im Mansfeldischen der
benennen.
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neue Weltenbürger„ Taubendreckchen", gewiß eine höchst unpersönliche Bezeichnung. Und nun die Namengebung selbst. Ganz allgemein wird dem Kinde nicht der Name eines gestorbenen Geschwisters gegeben, damit es nicht gleichfalls sterbe. In den österreichischen Alpenländern pflegt man unehelichen Mädchen in der Taufe den Namen Margarethe ( die Reine) zu geben, damit der Name gewissermaßen eine Entsündigung bedeute. Doch noch andere Gr örterungen lassen sich an die Feier der Namengebung fuiipfen. Der Taufpathe pflegt dem Täufling ein Geschenk zu geben, sich auch im ferneren Leben un ihn zu fiimmern. Dieser Brauch, der auf die urs ältesten Zeiten zurückgeht, hat seinen tiefen Sinn. Es drückt sich darin die volksthümliche Anschauung aus, daß der Namengeber im gewissen Sinne auch der Schöpfer ist. In der That findet sich bei den Inca - Peruanern eine Schöpfungssage, die dies deutlich zur Darstellung bringt. Viracocha, der Weltschöpfer, bildete zuerst steinerne Menschen; dann ließ er diese durch seinen Begleiter beim Namen rufen, und da wurden aus ihnen lebendige Menschen! Aller dings ist im jezigen Voltsbewußtsein diese Anschauung ziemlich verwischt; mit großer Lebendigkeit aber hat sich bis heute der Glaze erhalten, daß der Namens geber eine Macht über den Benannten besitzt, daß die Kenntniß des Namens auch die Herrschaft über die Person verschafft. So heißt es schon in der Bibel, daß Adam die Thiere benannt habe, und eben dadurch wurde er ihr Herr. In den Märchen