Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

stenmute den runden Ellenbogen auf den Tisch, legte das Köpfchen auf die Seite und sah ihn von unten herauf sehr ernst an. An wen schreibst Du?" wiederholte sie noch einmal; an Tante Lena? Bist Du ihr bös?"

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Er nickte stumm. ,, sei ihr nicht bös arme Tante Lena?!" arme Tante Lena?!" Die Thränen standen ihr rasch in den Augen, wie vorhin bei der Erzählung von Hagar . Sie schittelte den Kopf: Du bist nicht bös? Da ist doch nir bös zu sein, Väterchen!" Dann lächelte sie, daß man die kleinen weißen Zähne blizen sah, ihre Stimme flang sehnsüchtig zärtlich: Tante Lena! Schreib ihr, sie soll mich bald besuchen. Ich hab' sie lieb!" " Ich hab' fie lieb," sagte sie noch einmal, der Thür zutrippelud.

" Lieb? Lieb gehabt," sprach Langen leise, als sich die Thiir hinter Lora geschlossen hatte. Dann. ließ er den Stopf schwer auf die Brust sinken und die Feder aus der Hand fallen er konnte Lena jezt nicht schreiben, wie sie's verdiente.

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( Fortsetzung folgt.)

Sonne. In unserer gemäßigten Zone freilich, wo die Sonne nicht die Straft wie in den Aequatorial­ländern besigt, treten die Kampfmittel der Pflanzen nicht so ausgeprägt hervor, und man würde sie hier wohl noch jetzt nicht in dem Maße kennen, wenn man nicht durch die ähnlichen, aber weit gewaltigeren Waffen, welche den Pflanzen heißer Länder eigen sind, auf diesen Kampf in allen seinen Einzelheiten aufmerksam gemacht worden wäre. In den Tropen­ländern, in denen unter dem Einfluß einer im Zenith stehenden Sonne die Temperatur einen ungeheuren Grad erreicht, müssen die Pflanzen, besonders die­jenigen, welche auf sterilem Boden wachsen, über energische Mittel verfügen, um sich gegen den schäd­lichen Einfluß der Sonne erfolgreich wehren zu können.

Unter den Pflanzen, die sich gegen Trockenheit schüßen müssen, ist die Einrichtung der Blattver! lei­schüßen müssen, ist die Einrichtung der Blattverklei­nerung sehr verbreitet. Je kleiner die Blätter werden, um so geringer ist auch die Fläche, welche der Ver­dunstung ausgesetzt ist. So haben die meisten Steppen pflanzen und zu ihnen gehören auch Bäume- ganz winzige oder sehr schmale Blätter. Schon unsere Haidekräuter, der Feldbeifuß und der ge­friimmte Mauerpfeffer( Sedum reflexum), die auf trockenen Sandäckern wachsen, haben winzige Blätter,

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Der Kampf der Pflanzen mit der Sonne. und der Sauerampfer, der ſonſt ſchönes breites Laub

Von Curt Grottewig.

as Licht und die Wärme der Sonne ist den Pflanzen zu ihrem Gedeihen ebenso unentbehrlich wie die Luft und die mineralische Nahrung des Bodens, in dem sie wurzeln. Unermeßlich vielgestaltig ist die Wirkung der Sonne auf die Pflanzenwelt. Im Frühjahr ist es thatsächlich nur das Tagesgestirn, anf dessen erwärmenden Kuß die schlummernde Vege­tation, die welfen Stauden, die blätterlosen Bäume, die ruhenden Samen warten, um zum Leben zu er wachen und den uralten Streislauf des Wachsthums bon Neuem zu beginnen. Die Sonne ist es, deren helles Licht die geschlossenen Blüthen öffnet und deren Wärme die grünen Früchte reifen läßt. Und wenn die Länder des Aequators unsere Zonen an Neichthum der Pflanzenformen, an Urwichfigkeit der Bäume, an Schönheit der Blumen übertreffen, so ist es die Sonne, die diese Kraft und Fülle schafft. So mächtig ist die Wirkung des Tagesgestirns, daß Forscher wie Adolf Bastian sich versucht sehen, alle Lebewesen nur als Umwandlungen der Erdoberfläche durch die Sonne aufzufassen, und bezeichnend ist es, daß Dubois- Reymond gelegentlich den Wein als

umgeformtes Sonnenlicht bezeichnete.

Aber die Sonne, diese Freundin des wachsenden Lebens, wird doch vielen Pflanzen auch verderblich. Und obwohl gerade diese Licht und Wärme am wenigsten entbehren können, so wird ihnen doch sehr oft die Sonne zur gefährlichsten Feindin. Sie trocknet den Boden aus, so daß die Pflanze infolge von Mangel an Wasser und den in ihm gelösten Nahrungsstoffen verfiimmern und zu Grunde gehen muß. Aber die Hiße der Sonnenstrahlen greift auch die Blätter der Pflanze direkt an, zwingt sie zur Verdunstung des in ihr aufgespeicherten Wassers und läßt sie dadurch vertrocknen. Denn die Blätter find mit kleinen Deffnungen dicht besetzt, durch welche die Luft und die bei dem Lebensprozeß der Pflanze entstandenen Gase freien Eintritt oder Austritt haben. Durch diese kleinen Boren dringt num die durch die Sonnengluth ausgedörrte Luft herein und erzeugt eine gewaltige Verdunstung des Wassers, das in dem Gewebe der Pflanze aufgespeichert ist. Die furchtbare Hize der Sonne, wie sie in den Tropen­ländern und besonders in den Steppen und Wüsten etwas Alltägliches ist, wird daher den Pflanzen zu einer verderbenbringenden Macht.

Wie aber die Pflanzen Waffen besigen, um sich gegen die Angriffe von Thieren zu vertheidigen, wie sie sich mit Dornen, Stacheln, Gift, Brenneinrich­tungen gegen den Verbiß des Weideviehs und der Nagethiere schiizen, so haben sie sich im Verlaufe einer unberechenbaren Entwickelungsperiode die Ver­theidigungsmittel erworben, um den ausdörrenden Strahlen der Sonne erfolgreich zu widerstehen. Und so führen viele Pflanzen einen stillen, aber darum nicht weniger nachdrücklichen Kampf mit der

entwickelt, hat sich auf Dedland in eine sehr schmal­blättrige Art verivandelt. Aber in heißen Gegenden geht die Reduktion der Blätter so weit, daß viele Pflanzen überhaupt keine Blätter mehr treiben. Dann entstehen jene merkwiirdigen, todt aussehenden, starren Pflanzenformen, wie sie besonders die Kakteen zeigen. Ein Jeder kennt diese, von den unseren so sharf abweichenden Pflanzen, die die trockene Stuben­luft und den feinen Staub unserer Zimmer so leicht ertragen. Bei uns bleiben sie freilich in bescheidenen Größenverhältnissen, aber in ihrer Heimath, beson­Größenverhältnissen, aber in ihrer Heimath, beson ders in den heißen Wüstengegenden Merifos und Chiles , erreichen viele von ihnen die Höhe gewaltiger Bäume. Ihre bizarren leblosen Formen machen sie ungeheuren Grabdenkmälern ähnlich, welche der öden Wüste ein trauerndes, unheimliches Aussehen ver­leihen. Wo sie sich jedoch nicht durch besondere Größe auszeichnen, da erhöhen sie jedenfalls mit ihren grauen, wie mit Staub bedeckten Stämmen den Eindruck der Trockenheit, den die Wüste hervor­den Eindruck der Trockenheit, den die Wüste hervor ruft, ganz ungemein. In seiner Reise eines Natur­forschers um die Welt" schildert Darwin die Vegetation einer südamerikanischen Wüste, die durch die Aus­

wurfsmassen eines früheren Vulkans gebildet wird:

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Ein zerflüftetes Feld schwarzer, basaltischer Lava, welche in die verschiedenartigst zerrissenen Wellen geworfen und von großen Spalten durchsetzt ist, wird überall von verkümmertem, sonnverbranntem Buschholz bedeckt, welches nur wenige Zeichen von Leben giebt. Die trockene und ausgedorrte, von der Mittagssonne erhizte Oberfläche gab der Luft ein eingeschlossenes und drückendes Gefühl, wie ein Ofen... Obschon ich mit vielem Fleiß versuchte, so viele Pflanzen als nur möglich zu sammeln, erhielt ich doch nur sehr wenige, und derartig elend aussehende fleine Kräuter wiirden einer arktischen Flora viel besser anstehen, als einer äquatorialen. Das Busch werk sieht aus einer kurzen Entfernung so blattlos aus, wie unsere Bäume während des Winters, und es dauerte eine Zeit lang, ehe ich entdeckte, daß jetzt jede Pflanze nicht blos sich in vollem Blätterschmuck befand, sondern daß die größere Zahl in Blithe stand."

Wie durch die Einschränkung ihres Blattwerks, so schüßen sich viele Pflanzen dadurch vor der aus­dörrenden Wirkung der Somme, daß sich ihre Stengel und Zweige verholzen. So finden wir zum Beispiel Wolfsmilcharten, die bei uns kleine, milchartigen Saft absondernde Kräuter darstellen, in den Wüsten des Kaplandes als holzige Sträucher oder Bäume wieder. Das Holz vermag den sengenden Sonnen strahlen ganz anders Widerstand zu leisten, als ein griines, frautiges Gewebe.

Die Wüstenpflanzen bilden darin den geraden Gegensatz zu den Wasser­pflanzen, deren Stengel außerordentlich weich, biegsam und saftig sind. Auch Verholzung von Blättern kommt bei den Wiiſtenpflanzen nicht selten vor, und zwar nehmen in diesem Falle die Blätter die Form von Dornen an. Dadurch schlagen sie gewissermaßen

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3ivei Fliegen mit einer Klappe. Sie schiißen sich gegen die Sonnenhige und zugleich gegen die Angrie von Menschen und Thieren.

Das sinureichste Mittel aber, um das harte Leben in der Wüste zu ertragen und den Kampf mit der Sonne siegreich zu bestehen, besigen die­jenigen Gewächse, welche ihren Stamm und ihre Blätter zu großen Wasserbehältern umgebildet haben. So wie der Mensch, der einen langen Marsch durch Sonnengluth und dürres Land zurückzulegen hat, sich mit einer durststillenden Flüssigkeit reich versieht, so tragen diese Pflanzen ihre Flasche" immer bei sich. Viele Kakteen haben eine dicke, bauchige Form, sie sind zu einem einzigen Wasserreservoir umgewandelt. In der Regenzeit, die oft nur sehr kurze Zeit anhält, sammeln sie mit ihren bisweilen neßartig verzweigten Wurzeln alle Flüssigkeit, deren sie habhaft werden können, gierig auf, um damit ihre Gewebe stroßend voll zu füllen. Von diesem Wasser, das durch die verschiedenartigsten Einrichtungen des Behälters, meistens harte, pergamentartige Häute, vor Ver­dunstung geschüßt ist, zehren nun die Pflanzen bis zum nächsten Regen, der sich vielleicht erst nach einem halben Jahre wieder einstellt. Eine Mammillaria ( ebenfalls eine Kattee), die auf der trockenen Hoch­ebene in der Nähe der Stadt Merito wächst und deren Stamm ebenfalls zu einem Wasserbehälter umgeformt ist, hält sich fast ganz im Boden versteckt, so daß ihr die Sonnenstrahlen nur wenig anhaben können. Bei vielen Pflanzen sind nur die Blätter in solche Wasserbehälter umgewandelt. Solche Ge­wächse zeichnen sich dann durch äußerst dicke Blätter aus. Eine ganze Pflanzenfamilie, die sogenannten Crassulaceen oder Fettblättergewächse, haben von dieser Eigenthümlichkeit ihren Namen. Zu ihnen gehören unsere einheimischen Fettheunenarten, das Sempervivum und die sehr dekorative Escheveria. Dicke Blätter haben aber vor Allem die Agaven und Aloës, von denen viele bei uns als Zimmer­pflanzen fultivirt werden. In allen diesen Pflanzen ist so viel Flüssigkeit enthalten, daß diese häufig genug gesammelt, in trockenen Gegenden als Getränk verwendet oder anderweitig benutzt wird. Wie sehr übrigens manche Pflanze für die verschiedensten Eventualitäten gerüstet ist, das zeigt eine auf der Insel Malta wachsende Kornblumenart, die den botanischen Namen Centaurea crassifolia führt. Diese Pflanze bildet zwar während der heißen Zeit ebenfalls sehr dickfleischige Blätter, in denen sie Wasser

aufspeichert, im Frühjahr dagegen, wo es ihr an Wasser nicht mangelt, entwickelt sie ganz normale dünne Blätter wie die übrigen Pflanzen.

Die dicken, mit vielem Wasser erfüllten Blätter der Agaven und ähnlicher Gewächse widersprechen nun ganz und gar der sonstigen Neigung der Wüsten­pflanzen, ihre Blätter möglichst zu reduziren. Es ist deshalb klar, daß diese Wasser aufspeichernden Organe noch in ganz besonderer Weise gegen die Sonne geschüßt sein müssen. Meistens sind dieselben nun in derselben Weise wie die Stämme der Kakteen

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mit einer dicken, pergamentartigen Oberhaut bedeckt. Viele derartige Blätter sind aber auch metallisch glänzend, so daß von ihnen die Sonnenstrahlen, anstatt sie zu wärmen, zurückgeworfen werden. Es herrscht also hier dasselbe Prinzip, das der Mensch benutzt, indem er im Sommer in hellen, im Winter in dunkeln Kleidern geht. Die Blätter vieler Pflanzen - und das brauchen nicht immer nur Fettpflanzen zu sein sind mit einem dichten Haarfilz bedeckt, zu sein der sich so eng über die Poren legt, daß dadurch die Verdunstung von diesen zurückgehalten wird. Eine sehr charakteristische Pflanze dieser Art besigen wir in der Sand- Immortelle( Helichrysum arenarium), die so sehr mit einem dichten, weißen Haarkleid überzogen ist, daß die ganze Pflanze dadurch ein weißes, wolliges Aussehen bekommt. Bei anderen Pflanzen sind die Blätter mit Wachs überzogen, das den Pflanzenkörper gleichsam gegen außen fest verschließt und die Transpiration möglichst verhindert. Wieder andere Gruppen sondern einen dicken, öligen Saft ab, dessen Duft sich rings um alle Organe der Pflanzen fein vertheilt und dadurch eine undurch, dringliche Luftschicht um sie bildet, die den Wasser­dampf nicht nach auß: n gelangen läßt.