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( Fortsetzung.)

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Dilettanten des Lebens.

err Hermann Bredenhofer hatte eine sehr ge­störte Nachtruhe gehabt, ganz entgegen seinem sonstigen Bärenschlaf. Er hatte von der jungen Frau geträumt; immer tauchte sie vor seinem Bett im Dunkel auf mit trostlosen Augen, mit langen offenen Haaren, die Hände ineinander gerungen. Wenn er aufwachte, schimpfte er und drehte sich auf die andere Seite; es dauerte nicht lange, da war der Traum wieder da, noch intensiver, noch unan­genehmer.

Er war froh, als die ersten Hähne frähten; noch früher als sein Faktotum, Weber's Johann, an die Thür donnerte:" Fünf Uhr, Harre!" Erlöst fuhr er in die Kleider und trat dann hinaus auf den Hof.

In den Ställen brüllten die Kühe und schnauften die Pferde. Die Knechte kamen mit Mistgabeln und Eimern; die Pumpe quietschte; Laternen, auf der Brust der Träger hängend, leuchteten wie Glüh würmchen über den noch nächtigen Hof. Der, Harre machte die Runde durch sämmtliche Ställe; er wetterte viel, noch mehr als sonst, aber die Leute wußten ihn zu nehmen. Sie sagten jo, jo," und thaten dabei ruhig ihre Arbeit in der von ihnen begonnenen Weise fort.

Endlich am Himmel der erste Frühschein. Ein fahles Morgenlicht graute den Hof an, die Glüh würmchen verlöschten. In der Scheune begannen sie zu dreschen. Klipp klapp flipp flapp gingen die Flegel. Bredenhofer hieß sie eiligst schweigen und schaute dann besorgt nach dem Fenster, hinter dem der Gast schlief. Die arme Frau, die Nuhe war ihr noch zu gönnen; sah so elend aus!

Roman von Clara Viebig .

Fräulein Hannchen schlich sich auf den Zehen. hinaus und in ihr Stübchen. Dort stand sie mit gefalteten Händen vor der Kommode und sah schwim­menden Blickes zu dem Bilde ihres beinah Ver­mählten auf. Gelt, Du bist mir nicht böse," ſagte sie leise, ganz verschämt, daß ich ihr die hundert Mark gab, die ich für Dein neues Marmorkreuz gespart habe? Ich will Dir so gern eins seßen lassen, ich spare auch wieder. Sei schon nicht böse!"

Er ließ sich den schwerfälligen Braunen satteln und ritt hinaus auf's Feld. Es gab draußen eigents lich nichts zu sehen, auch war die Morgenkühle em­pfindlich. Er ritt aber doch; wenn er wiederkam, würde sie wohl aufgestanden sein, dann wollte er sie noch einmal fragen und hören, was ihr Herz augen­scheinlich so schwer bedrickte.

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Und dann pugte sie ihren Kanarienvogel und begoß ihre Rose. Dabei liefen ihr die Thränen über die Wangen.

Armes Ding ist was los hm, hm," brummte der Reiter und setzte mit Gepolter über den nächsten Graben. Verfluchte Wirthschaft!"

Als er zwei Stunden später in's Haus trat, tam ihm Schwester Hannchen wie eine Trauerweide entgegen, die Arme herunterhängend, das Häuptchen gesenkt.

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Nanu?" fragte er und zog die buschigen Augen­

brauen.

XVII.

Die Unschuld vom Lande bei Bredenhofers hatte sich Filzpantoffeln anschaffen müssen, sie durfte nicht mehr mit nägelbeschlagenen Schuhen trapsen.

" Fort ist sie," stöhnte Hannchen und brach in Thränen aus." Du hast so gepoltert, das konnte sie nicht vertragen; das arme Ding ist so zart von Gefühl. Sie weinte und sagte, Du hättest sie be­leidigt, und auf Richard hättest Du auch so ge­scholten."

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Der Herr war frank. Er lag schon seit Tagen auf dem Sopha mit fiebrig glänzenden Augen und gespannter, gerötheter Haut über den Backenknochen. Er hatte sich in den Herbststürmen eine Grippe ge­holt; un fonnte er die garnicht los werden.

Unten vor dem Hause hielt das Coupé von Doktor Allenstein ; er selbst saß oben, glänzend vor Gesund heit und Wohlleben. Er wurde fett.

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Nur Muth," sagte er zu Lena, die ihn mit weiten, glanzlosen Augen fragend ansah, die Sache ist garnicht so schlimm. Die Lungen sind ein bischen angegriffen, aber bei der Pflege" er fiißte der jungen Frau galant die Hand ,, muß ja Alles besser werden!" Allenstein war Frauenkenner; die stille Wehmuth, die um Lena schwebte, gab ihr einen eigenthümlichen Neiz. Da möchte man ja selber Patient sein," seßte er mit einem satten Lächeln hinzu.

Ich ich?!" Bredenhofer war ganz fassungs­Ios. Nicht ein Wort habe ich gesagt, nicht einen Ton! Bei diesem", Mopskopf' wollte er sagen und streckte schon das Bein vor; da fiel ihm ein, er hatte Stiefel an. Keine Silbe habe ich gesagt!" Ach, Du mußt doch," weinte die Schwester. " Ich sag's ja immer, wenn Du mir auch böse bist, diese Kraftausdrücke sind ein Verderb. Sie war so unglücklich, sie ist mir ein paarmal um den Hals gefallen, und dann kroch sie auf den Wagen. Der Müller von der Station war nämlich hier, er fam gerade durch und wollte mit Dir wegen der Getreide­lieferung sprechen, da hat sie die Fuhre benutzt."

,, Und Du hast sie gehen lassen?" grollte er. " Hanne, Du bist eine dumme Gans!"

Sie that, als wenn sie das Kosewort garnicht hörte. Die armen, armen Kinder," jammerte sie, fie haben kein Geld, feinen Pfennig sie müssen verhungern!"

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Alles zu gleichen Theilen, eine Stunde gekocht. Brrr" er schiittelte sich das wird schmecken!" Lena, die am Fenster saß, die Hände um's Snie geschlungen, stand nicht gleich auf.

Der Patient hiistelte. Schwager, glaubst Du, daß ich bald wieder bei Wege sein werde?" fragte er matt. Ich habe so kolossal viel vor. Ich will nun doch mein Buch über Schumann schreiben, ab­gesehen von den kleinen Artikeln, die ich Lena diktire. Und dann habe ich ein famoses Bild in Gedanken." Er richtete sich halb auf und stopfte sich das Sopha­tissen als Stiiße hinter den Rücken. Du glaubst nicht, welch' originelle Idee das ist! Ich freue mich wirklich auf die Arbeit. Ich habe eine wahre Gier darnach," stieß er hervor; seine Augen flackerten.

Warum nicht gar? Blödsinn!" Er ließ sich am Frühstückstisch unsanft nieder und stieß die Tasse fort, daß sie klirrte. Mag der Junge nun ausfressen, was er sich eingebrockt hat." Er fnurrte und stützte den struppigen Kopf in die Hände. So saß er regungs­Jos eine lange Weile.

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Lena," sagte er mit erhobener Stimme, hier! Hörst Du denn nicht?"

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Sie fuhr zusammen und sprang hastig empor. Er hielt ihr die Arme hin: So, und nun hilf mir mal aus dieser guten Sammetjoppe; die alte thut's jetzt auch. Hol sie, rasch, rasch!"

Sie lief, gab eilig dem Mädchen den Auftrag, zur Apotheke zu gehen, und fam nach wenigen Mi­nuten mit der alten Joppe zuriick.

Du mußt Dich ruhiger halten," meinte Allen­ stein und strich den wohlgepflegten Bart. So eine rechte echte Seelenruhe gehört unbedingt zum Wohl­ergehen. Ich finde es sehr vom llebel, daß dieser Doftor Neuter Dich besucht, der Mann stachelt Dich ur. Du mußt, wie ich so sagen möchte, innerlich duseln; dann sollst Du mal sehen, wie Dein Körper gedeiht. Mich regt nichts auf." Der stattliche Mann drückte den Brustkasten heraus und hielt dann seinen Arm hin. Fühle mal; famos bei Leibe, nicht?"

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Er hatte nicht gewartet, sondern sich schon allein den Rock abgezogen; nun lehnte er in Hemdärmeln auf dem Sofa, erregt athmend und ganz erschöpft. Wo bleibst Du denn? Du bleibst ja so lange! Ha, wie mich das angegriffen hat! Es ist schrecklich, wenn man so auf Andere angewiesen ist! Dante, danfe; habe ich sie mir allein ausgezogen, kann ich sie mir auch allein anziehen. Laß nur!"

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Bredenhofer lächelte, zugleich ein wehmüthiges und malitiöses Lächeln. Das glaub' ich wohl- Du" sagte er. Dann strich er über den eigenen mageren Arm:" Da kann ich nicht fonfurriren. Lena," wandte er sich an seine Frau, hast Du das legte kleine Feuilleton zur Post geschickt?" ,, Du bist rastlos," tadelte Allenstein .

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Er hustete, schloß die Augen und streckte sich lang aus. Ich will jetzt schlafen."

,, Mach mich nur bald gesund, dann kann ich Großes beginnen und hab's nicht nöthig, meine Straft in dieser armseligen Feuilletontagelöhnerei zu versprißen."

Auf den Zehen schlich sie zum Fensterplatz zurüd; dort nahm sie ihre frühere Stellung wieder ein. Draußen Schnee; schon seit Wochen lag er. Seit Wochen lag auch Richard Bredenhofer. Das heißt, er lag nicht fest; nur die ersten Tage, zu Beginn der Krankheit, in hohen Fieber hatte er das Bett hiiten müssen. Jezt stand er alle Morgen auf, ging mit langen Schritten durch's Zimmer und glaubte sich genesen. Es war noch nicht Mittag, da lag er schon wieder auf dem Sopha; die Schwäche, die Schwäche, die war's!

Ich werde doch lieber noch einen Stollegen mit­bringen." Der Doktor erhob sich, schlüpfte in den eleganten Pelz und zog die gefütterten Glacés au. Einen Spezialisten fiir Hals und Lunge. Adieu, auf Wiedersehen, Nichard! Auf Wiedersehen, schöne Frau!"

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,, Was ist das nur?" fragte sich Lena und fah mit bangen Augen zum Sopha hinüber. Sie blieb sich selbst die Antwort schuldig. So ging es u schon wochenlang; seit ihrer verunglückten Reise zun Onkel war er frank.

Er ging, der Kranke sah ihm verdrießlich nach. Er versteht nichts," nörgelte er, ich müßte längst gesund sein. Ich fühl's ja, das bischen Grippe ist . nicht der Nede werth; er müßte mir was geben, um die Kräfte zu heben, eine paar belebende Tropfen. Lena, ich will doch den Thee trinken, den Mutter vorgeschlagen hat; hier" er zog ein zerknittertes Papierchen aus der Brusttasche der Saminctjoppe- laß mal holen: Jeländisch Moos, Kandis, Anis;

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O jene Reise! Die Blicke der jungen Frau vers düsterten sich noch mehr. Wie war sie heimgekommen, überraschend schnell, und wie hatte er sie empfangen?! Es war der trostloseste Abend ihres Lebens, den sie da mit einander verbracht. Richard hatte ihr erst heftige Vorwürfe gemacht und den Onkel heraus gestrichen; dann hatte ihn ein namenloser Zorn gegen den Hartherzigen gepackt. Auf den Knieen lag e vor seiner Frau und bat ihr Alles ab; und zwischen die Liebkosungen für sie mischten sich die Zornes ausbrüche gegen den Onkel. Zulegt weinten sie Beide zusammen; sie wußten nicht mehr aus noch ein.

Zwei, drei Tage vergingen, in Sorgen und aus sichtslosen Grübeleien nach Rettung verbracht. Dan war ein Brief von Tante Hannchen gekommen. Die junge Frau am Fenster hob den Kopf und lauschte nach ihrem Mann hinüber; er schlief. Nun zog sie vorsichtig ihre Nähtischschublade auf, fie mußte den Brief noch einmal lesen.

Da war er. Krizlige, blasse Buchstaben einer unausgeschriebenen Hand; Tante Hannchen unterschied nicht Haar- noch Grundstrich, auch goß sie gern Wasser in die Tinte.

wie Kaum mehr sichtbar waren die Buchstaben, verwaschen, aber Lena kannte den Inhalt fast auss wendig.

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, Liebe Nichte', schrieb die alte Tante ,, er wat sehr außer sich, daß Du so plöglich abgefahren warst; er wußte nicht, daß er Dir ein böses Wort gesagt. Ich habe ihm Eure Verhältnisse flargelegt, so gut ich founte; Du hättest das gewiß besser gefonnt. D er wirklich sehr gut ist, wie ich Dir ja schon sagte, hat er mich beauftragt, Dir eine Anweisung über tausend Mark zu schicken. Du friegst das Geld auf der Reichsbank, da sollst Du Dir's holen. Bedanke Dich nicht etwa bei ihm, da wird er grob, we er auch immer über die Undankbarkeit schilt. 3 Neujahr schicke ihm eine Gratulationsfarte, das wird ihn doch freuen. Richard soll lieber ganz schweige, auf den ist er sehr böse. Ich denke so viel an Dich liebe Nichte, und wünsche Dir Gottes Segen. Seht

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