Die Steue Welt

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Nr. 22

I.

Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Jakob. W

Noman von Alexander L. Kielland. Autorisirte Uebersetzung aus dem Norwegischen von Leo Bloch.

in paar Meilen landeinwärts vom Meer, wo das Land anfängt langsam gegen die Verge anzusteigen, lagen die kleinen Höfe öde und zerstreut, und flache Moore zogen sich dahin, schwarz, mit schilfbegrenzten Wasserpfiißen zwischen sanft an­steigenden Hängen, an denen kurzes Haidekraut zwischen großen Steinen wuchs.

Die Straße, die nichts Anderes war, als eine einzige gewissenhaft befolgte Nadspur, schlängelte sich zwischen Hiigeln und Steinen, so wie bedächtige ferde sie ausgetreten hatten seit der Zeit, als sie och mit Packsätteln gingen. Und fein Pferd, ge­schweige denn ein Mensch, hatte je über diese eine gewissenhaft befolgte Spur hinaus gedacht.

großen Wasser, wo er eine Gelegenheit suchen wollte, mit dem Boote zur Eisenbahnstation auf der anderen Seite des Wassers überzusetzen.

Den Billetpreis zur Stadt wußte er; er war ungeheuer; aber es war unmöglich, anderthalb Tage zu Fuß zu gehen, so wie er sich jetzt sehnte. Be­

züglich des Fährmannes hatte er auf fünfundzwanzig Dere gerechnet. Als er aber so weit herangekommen war, daß er den großen Stein am Wasserrande sah, wo, wie er wußte, das Boot liegen mußte, da fing der Gedanke in ihm zu arbeiten an, daß Anders, dem das Boot gehörte, möglicherweise nicht zur Stelle wäre. Dann fonnte er sich selbst rudern und sich das Boot zur Ueberfahrt leihen; das foſtete nichts, denn hierher würde er niemals mehr kommen.

Zu Haus hatten sie nichts Besonderes zu Törres

1899

in den losen Kies kam ein Kopf hinter dem großen Steine hervor; und ein Mann, der, wie Törres wußte, Anders war, fragte trocken:

Was willst Du mit meinem Boot?"

In einem unangenehmen Gefühl von Schreck und Enttäuschung ließ Törres sogleich das Steuer fahren. Aber er sagte ruhig, als ob das seine Absicht wäre:

Kannst Du mich hinüber zum Bahnhof rudern, Anders?"" Nein!"

Soo? Ich bezahle dafür."

-

" Das Boot ist vermiethet," antwortete Anders ausspuckend, wandte sich ruhig ab und verschwand wieder hinter dem Steine.

Da wurden mehrere Stimmen laut, die hinter dem Steine lachten und schwaßten, während Törres

Die Straße hinab tam ein großer starter Bauern­bursche mit hellrothem Haar und Sommersprossen. Er gesagt, als er reisen wollte. Er war immer für einen Augenblick betäubt dastand und sich sammelte. ging, das große Gesicht mit dem diinnen Barte nach sich gewesen und hatte wenig auf die Anderen ge­Nordwest gewandt, seewärts, der Stadt entgegen achtet. Das Haus war immer voll von Kindern

und

entgegen dem Golde der Abendsoune, das die

und am Rande der Armenkasse. Törres war nicht

Spigen des Haidekrautes bis hinab zum Wasser der Aelteste, aber er arbeitete auf dem Hofe und röthete, in breiten Streifen hinüber zu dem flachen hatte seine besonderen Geschäfte. Weststrande wogte und scharf in dem schmalen Meeres­

Von Jugend auf hatte er ein ganz unbegreif­

Streifen bis unter den Horizont glizerte. Das Gold liches Glück mit den Mutterschafen gehabt. Be­shien förmlich in ihn hinein durch seine beiden hell- ständig trugen die feinigen zwei Lämmer, und ging blauen, blinzelnden Augen.

eines in den Halden verloren, so war es nie von Und in ihm war Alles Gold; er dachte an nichts ihm. Aber trotzdem war er nicht vergniigt. Immer Anderes, sah nichts Anderes, er ging nur, als ob ging er herum und klagte, daß er es zu nichts brächte; er schon in Gold gefaßt wäre, nordwärts, der Stadt

und da er nie sehr gut verkaufte, konnte Niemand Still und mürrisch

entgegen, der Stadt, die so stopfenvoll war von Gold- merken, daß er Geld hatte. Schillingen , Goldschillingen und Weibern!

ging er unter den Anderen herum und wuchs lang=

Aber als er jetzt die lezten Hügel hinabstieg in der goldenen Sonne, den Wasserspiegel vor sich, da quoll ein neues, unbekanntes Gefühl von Macht und

Doch sein Blut war so in Walling, sein ganzer Sinn so voll von dem goldenen Traumt, daß er laut rief, gerade damit es die Anderen hinter dem Steine hören sollten:

" Ich gebe fünfzig Dere für die Ueberfahrt zum Bahnhof."

Aber ein Lachen ertönte über das stille Wasser,

solch eine Art Lachen, wie Törres es bisher noch

nie gehört hatte, denn es war ein städtisches Lachen, höhnisch, überlegen und frei. Und dann rief man: ,, Raus! Raus der Mann mit den fünfzig Dere! Wir wollen den Goldvogel sehen!"

Ein paar lustige, rothe Gesichter erhoben sich, um ihn zu sehen; und während Törres ein wenig in sich zusammen sant, erblickte er drei Stadtleute mit Fischergeräthen, welche sich im Grase unter dem großen Steine niedergelassen. Sie hatten ein weißes Tuch zwischen sich gebreitet, und Flaschen lagen im

Und doch hatte Törres Schnurzwall nicht viel sam heran. richtiges Gold in seinem Leben gesehen. Ein paar bergoldete' Rahmen im Pfarrhause hielt er so ziem lich dafür. Aber gestern hatte er zwei echte Gold­Schillinge vom Viehhändler bekommen, der Schafe Gewalt in dem jungen Bauernburschen auf. Er hatte Kreise herum; da standen Gläser mit Nothem und

für den Engländer kaufte.

Törres nahm die Goldstücke mit sich in seine

weder Nanzen noch Stab, aber er mußte etwas in den Händen haben, und da nahm er zwei runde

Dachfammer; er preßte sie in der Hand, ließ sie Steine aus einem Bachbett, einen in jede Hand.

Und die ganze Nacht

borsichtig gegen einen Nagel flingen, roch daran und big bedächtig in den Nand. hatte er sie bei sich im Bett, legte sie unter die Bange oder rieb sie im Halbschlaf aneinander, un 3u hören, ob noch beide da wären.

Er wollte zur Stadt, sofort und allein. Am nächsten Tage war er wie umgeschaffen. Er, der immer von der Stadt redete, aber nie Muth hatte, wenn die Anderen zu Markte zogen, er, der immer zur Reise in die Stadt gespart hatte,

Die schlug er beim Gehen aufeinander, so laut er konnte, und sang dazu: konnte, und sang dazu: Gold und Weiber; Weiber und Gold" er sang laut und stampfte dazu auf, obgleich er nicht ſingen konnte.

-

Es war, als zerträte er etwas beim Gehen,

Gelbem drin, Butter in einer Glasschale, feines Stadtbrot, offene Blechbüchsen, Hühner in Papier, Törres sah das Alles auf einen Blick, ohne etwas Anderes zu denken, als daß das immäßig thener wäre, und so sant er ganz zusammen in Muth­losigkeit.

Komm', Junge, und trint' ein Glas!" rief der Aelteste von ihnen, ein Herr mit dickem, rothem

während er selbst wuchs, über seine zwanzig Jahre Kopfe.

hinaus wuchs, so groß wuchs, daß er seinen Mund mit den starken Zähnen öffnen mußte, gleichsam, um seine eigene, ungeheure Begierde zu verschlingen.

Und als er das Boot nun in der Brandung auf

Aber Törres stand finster und antwortete nur: Ich muß über das Wasser- ich."

" Ach, von mir aus reise zur Hölle!" rief der Dicke und leerte das Glas selbst; wir rudern mit

aber nie genug hatte, er war jetzt auf einmal fertig der Südseite des Steines liegen sah und keine Menschen dem Boot."

und nicht mehr zurückzuhalten.

am

dabei, da stürmte er den legten Abhang hinunter,

Mit all' seinem Celde, das er in fleinen Düten innerlich lachend und jubelnd, und gleich zum Boot

ganzen Leibe vertheilt hatte, ging er nun die

Straße hinab in der Nachmittagssonne, hinunter zum

am Strande.

Aber bei dem Geräusch von seinem letzten Sprunge

"

" Ist noch Play, Anders?" fragte einer von den Anderen.

" O ja! Du weißt, da ist wohl schon Play," antwortete Anders.