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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

gefommen war, eine Freundin, welche Julie sofort von den bekümmerten Damien trennte.

Frau Steiner war ganz jung mit einem reichen Großhändler in Christiania verheirathet worden; aber da sie schon sehr bald dahinter kam, daß ihr Mann gut um Dinge Bescheid wüßte, zu denen ihr die volle Freiheit fehlte, so hielt sie sich für betrogen und beschloß, sich aufzuopfern, um die gekränkte Weiblichkeit zu retten, damit wenigstens ein Mann für die Unfittlichkeit der Männer gestraft würde.

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Nach einjähriger, hartnäckiger Aufopferung brachte sie ihren Mann so weit, daß er mit Leichtigkeit sich der Scheidung fügte, und jezt lebte sie, reichlich unterhalten ihrer Kunst. Es zeigte sich nämlich, daß sie großes Talent zur Malerei hatte, während sie, ohne sich zu übereilen, auf einen sittlichen Mann wartete, um sich mit ihm zu verheirathen, am liebsten einen Künstler.

Als Julie Krüger aus dem Auslande heim kam, wurde sie sofort auf Frau Steiner aufmerksam, die einzige Dame in der Stadt, wie ihr schien, die europäischen Schnitt hatte. Sie wurden bekannt und schnell unzertrennliche Freundinnen. Julie ging zu ihr und lernte malen sie hatte nämlich auch Talent, aber nicht so großes, wie Frau Steiner, und zum Entgelt öffnete das Krüger'sche Haus sich der schönen Frau aus der Hauptstadt, während die Stadt sie sonst mit unvermischtem Aerger angesehen hatte.

Aber Gustav Krüger nahm sie jezt frendig auf, da er nach dem Tode seiner Frau Thüren und Fenster wieder aufgemacht hatte; sie war gerade eine Dame nach seinem Sinne, munter und furchtlos, eine Dame, mit welcher man über alles mögliche sprechen konnte, in hohem Grade einnehmend und doch sicher den Männern gegenüber, wie Eine, die Alles durch gemacht hatte und Bescheid wußte.

Allein Tante Sophie, Krüger's ältere Schwester, die war die Einzige im Hause, welche die schöne, geschiedene Frau nicht leiden konnte.

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Es ist nicht darum," sagte Tante Sophie, daß sie so frei darin ist, und überall das Unanständigste so geradezu redet, wie wenn es fein-"

" Ja aber, scheint es Ihnen nicht oft, daß es etwas weit geht?" fragte Frau Knudsen vorsichtig und erröthete, was sie sehr leicht that.

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Gewiß nicht, garnicht!" rief Tante Sophie und richtete ihren vollen Oberkörper in die Höhe, es ist gerade gut, daß man über die Dinge spricht, da haben Alle Nutzen davon, und die jungen Mädchen nicht zum wenigsten."

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Glauben Sie wirklich, Julie thut es gut?" " Um der Sache willen fann sie gut mit Frau Steiner verfehren; aber was mich ärgert," sagte Tante Sophie und beugte sich mit ihrer Arbeit vorn­über, das ist die Miene der Erfahrung, die sie sich giebt, als fenne sie alle Mysterien der Liebe und der Ehe."

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" Ja, sie war aber ja verheirathet."

Phi!" blies Tante Sophie mit großem Hohne, , darüber ist gerade zu reden. Sie verheirathet! Nein, dagegen eine Dame wie Sie, obgleich ja Ihr Mann so viel älter war."

Frau Knudsen fing wieder an roth zu werden, aber zum Glück kam ein Mädchen in die Thür und bat Fräulein Sophie, in die Küche hinaus zu kommen.

In der Stube waren Lampen und Lichter an­gezindet, als ob man mehrere Fremde erwartete. Frau Knudsen saß ruhig und ernst bei ihrer Hand­arbeit; sie war im Krüger'schen Hause ganz wie zu Hause. Zwischen den beiden Nachbargeschäften hatte nie irgendwelche Konkurrenz bestanden, obschon sie nach und nach dazu kamen, ungefähr dieselben Waaren zu führen. Aber Cornelius Knudsen hatte beim alten Brandt angefangen und sich mit seiner Hülfe etablirt, da Brandt's Geschäft mehr zu Modewaaren und Lurusartikeln überging. Und nach vieljähriger Arbeit hatte jedes Haus so ziemlich seinen Kundenkreis. Brandt's Geschäft war das alte, feine, und Corne­lius Knudsen wurde Der, der für die kleinen Leute alles Mögliche zu verkaufen hatte.

Darum war es Gustav Krüger gewesen, der Alles für die junge Wittwe ordnete, als Knudsen starb. Er fuhr fort, seinen Namen auf ihre Wechsel und

Geschäftspapiere zu setzen und half ihr jedes Jahr bei der Bilanz. Die Leute in der Stadt, welche nicht glaubten, daß Frau Knudsen den kleinen Herrn Jessen haben wollte, waren überzeugt, daß sie als Frau Krüger enden würde, denn Alle waren einig, daß eine so hübsche und wohlhabende Wittwe sich wieder verheirathen wollte und müßte.

Und als Krüger in seine Stube eintrat und sie so traulich im Lampenlichte an seinem eigenen Tische sitzen fand, sagte er, ohne sich zu bedenken- wie es seine Gewohnheit war:

Das endet damit, daß das Ihr Platz für's Leben wird, Frau Knudsen; Sie glauben garnicht, wie gut Sie sich ausnehmen."

Sie wußte nicht, wo sie mit ihrem Gesicht hin sollte, während sie erklärte, daß Tante Sophie gerade hinausgegangen wäre. Und ihm wurde es seiner­seits etwas heiß um die Ohren; aber er schüttelte das schnell mit einem Spaß ab, wie er es im Ver­kehr mit der jungen Wittwe pflegte. Und sie saßen still und plauderten ungezwungen, bis Julie heim­fam mit ihrer Freundin Frau Steiner und Jolla Blum, die sie gerade vor dem Hause getroffen hatte.

Kurz darauf kam auch Oberlehrer Hammer, um mit Krüger Schach zu spielen; aber es wurde nichts daraus. Denn einen Augenblick später war die ganze Gesellschaft in das Tagesgespräch über die große Tagesfrage verwickelt.

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Es ist bewiesen," rief Frau Steiner und lehnte ihren schlanken Oberkörper in der engen Jerseytaille im Lehnstuhle zurück, es ist bewiesen, daß die Untreue der Männer am schlimmsten für sie selbst ist."

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" So?" antwortete der Oberlehrer und setzte ein höchst bedenkliches Gesicht auf. Es war ein etwas wunderlicher, eingestaubter Herr mit einem Paar großer Augen, aus denen Niemand klug wurde.

Es ist ganz sicher, daß die Unmäßigkeit der Männerwelt sie in kurzer Zeit ganz zerstören wird, ganz vollständig."

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Sie sprach in dem belehrenden sicheren Christiania­tone, der jede Bemerkung zur Unwidersprechlichkeit emporhob.

Wer hat das bewiesen, gnädige Frau?" Die Statistik."

" Ah bah!" sagte der Oberlehrer und fuhr sich über das Haar; das wäre eine schlechte Autorität." Die Liebe erträgt feine Herabwürdigung," sagte Julie gewichtig, wurde aber zugleich feuerroth im Gesicht.

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Die Liebe!" antwortete ihr Vater; Du meinst die Ehe, Kind."

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" Ja, das ist doch-," sie wollte sagen, das wäre dasselbe, aber sie hielt sich zurück und wurde wäre dasselbe, aber sie hielt sich zurück und wurde noch verwirrter.

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Aber Frau Steiner kam ihr sofort zu Hülfe: Wer würdigt die Ehe mehr herab, als die Männer?" Die Frauen," antwortete Gustav Krüger , und alle Anderen lachten, obschon er behauptete, daß es Ernst wäre. Aber inzwischen ging man zu Tische, und das Gespräch ging in die Brüche oder wurde zur Sonderunterhaltung zwischen Zweien und Zweien, während gegessen wurde.

So find es die Frauen?" rief plötzlich Frau Steiner, und fing wieder zu lachen an: wenn Sie einmal ernsthaft reden wollten, Krüger!"

" Nehmen Sie auch gegen die armen betrogenen Frauen Partei?"

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,, Gott bewahre mich davor, Partei zu ergreifen," antwortete der Oberlehrer; ich weiß ja weder aus noch ein; aber was sagt Tante Sophie zu den Be­trogenen?"

Frau Steiner flüsterte halblaut Julie zu: Sollen wir uns noch von alten Jungfern Bescheid holen?" Tante Sophie hatte das wohl verstanden und begann darum den Kopf etwas erhebend, was bedeutete, daß sie den Kampf aufnahm:

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" Ich will den vielen Hausfrauen, die kommen und über die Untreue der Männer klagen, nur das­selbe sagen, was Salomo zu jenem Manne sagte, der ihn fragte, was er thun sollte, um geliebt zu werden. Salomo antwortete nur das eine Wort:

Liebe!"

" Ja, wenn wir nun Alle genug bekommen haben von Essen und Weisheit" sagte der Wirth und erhob sich vom Tische.

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" Ja, mit dem Essen wäre es wohl genug, aber Gott bessere es mit unserer Weisheit!" sagte der Oberlehrer und sah von Einem zum Anderen; es machte ihm Spaß, solche Unterhaltungen im Gange zu halten; ist die Geschichte von Salomo auch ganz historisch?"

Tante Sophie war aber schon hinaus in die Küche gegangen, sehr zufrieden mit sich, und die jungen Damen steckten die Köpfe zusammen; die Beiden lachten über Jolla Blum, die Bescheid und Aufklärung haben wollte, um nichts von der gräß lichen Unterhaltung zu verlieren. Frau Knudsen setzte sich wieder an ihre Arbeit, während die Herren anfingen, in der Ofenecke Schach zu spielen.

IV.

Vom ersten Tage an, den Törres bei Cornelius Knudsen war, bestahl er die Kasse.

Es waren nicht mehr als zehn Dere, welche er am Nachmittag zu sich steckte, während Herr Jessen das Gas anzündete.

Der ganze Tag war mit Arbeit und Unterweis sung vergangen, und mehrmals war er mit einem Schein zum Wechseln an die Kasse geschickt worden. Und da hatte er die Silberlinge in der Schale zu nehmen gesehen und immer mehr Scheine in dem viereckigen Raume daneben.

Jedesmal, wenn er diesen Reichthum sah, war es ihm, als fühle er einen innerlichen Schmerz. Und wenn die junge Dame oder Herr Jessen selbst in der Kasse herumfuhren, das gewechselte Geld über den Tisch streuten, oder die kostbaren Scheine so achtlos in die Kasse warfen, während sie sich mit den Kunden unterhielten, da stand Törres wie auf Kohlen. Wie leicht fonnte es ihnen nicht passiren, daß sie zuviel herausgäben, wenn sie so gedankenlos dastanden, oder von dem Gelde verlören, oder und das war ihm das Unerträglichste ob nicht Herr Jessen und Fräulein Thorsen möglicherweise etwas für sich bei Seite steckten?

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Herr Jessen war den ganzen Vormittag unges heuer wißig auf Kosten des neuen Bauernjungen zum großen Vergnügen für Fräulein Thorsen und den Laufburschen Reinert. Doch das that Törres nicht weh; seine Wißbegier und die Schnelligkeit, mit welcher er Alles begriff, was man ihn lehrte, Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß gaben keinen weiteren Anlaß zu Hohn, und außer die Untreue der Weiber

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Das ist Ernst, Frau Steiner."

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" Wir sprachen von der Herabwürdigung der Liebe; und das thun viele Frauen, die garnicht an Untreue denken."

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Ach, Sie reden mich um, Krüger!" rief Frau Steiner und lachte; Sie wissen gut, daß Sie Un­recht haben."

" Ja, wenn man nur wüßte, wer da Recht hat," begann der Oberlehrer bedenklich.

, Glaub' mir, Professor!" rief Krüger;, wenn die Frauen besser zu dem paßten, was ich die Fest lichkeit der Liebe nenne, da würde in dieses Ver­halten weder Gewohnheit noch Alltäglichkeit hinein kommen."

Frau Steiner gefiel diese Wendung nicht, be­sonders da sie Tante Sophie's Augen fühlte; sie wendete sich rasch an den Oberlehrer:

dem war es im Laden voll.

Wenn zuviel Leute da waren, zog. Herr Jessen an einem kleinen Glockenstrang, und Frau Knudsen kam aus dem Comptoir herab und half. Törres hielt sich ganz nahe zu ihr mit einer flogigen Ehrerbie tung, auf die sie immerhin Werth legte. Herr Jessen meinte nämlich seinem Interesse am besten damit zu dienen, daß er der Stadt den Eindruck gab, als ob er und Frau Knudsen schon auf solchem Fuße miteinander ständen, daß er sich nicht zu genieren brauchte.

Den ganzen Tag ging Törres Frau Knudsen zur Hand und machte sich so niißlich, wie er konnte, indem er aus den Fächern herunter holte und wieder zusammenpackte; und sie lehrte ihn die Stücke zu behandeln und zurückzulegen, schräg in das Fach hin­ein, mit dem Stoße nach außen.

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