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Vor fünfzig Jahren!

Fortsetzung.)

Von Wilhelm Liebknecht  .

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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

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das Verfassungswerk vollendet; und am Tage darauf am 29. März 1849 wurde die Neichs­verfassung publizirt." Sie beschränkte im Interesse der Staatseinheit die Ne.hte der Einzelstaaten, denen sie z. B. das Recht entzog, im Auslande ständige Gesandte zu halten. Es sollte nach Außen nur noch eine Vertretung des Reichs geben. Dagegen be= hielten die Fürsten   das Recht, Truppen zu halten und deren Befehlshaber zu ernennen. Der Reichs gewalt war weiter die oberste Gesezgetung übertragen, soweit sie nicht Fragen betraf, deren Regelung lediglich die einzelnen Staaten interessirte. So unterlag ihm die Gesetzgebung über das Zoll- und Münzwesen, über das gesammte bürgerliche, das Gewerbe-, Handels­und Wechsel- Recht. Die Reichsgewalt lag in den daß Gott   sich erbarm'. Gher macht Händen des Kaisers und des Reichstags. Dem ein Stall voll Kaninchen Revolution!

enn vor der Kaiserdeputation mitunter einem der parlamentarischen Kaiserpossen- Dichter gegenüber Zweifel geäußert wurden, pfleg­ten die tapfersten der Besten"( die Besten" waren sie schon damals) unter Erheuchelung des Muthes wildgewordener Hämmel sich in die Brust zu werfen And mit drohender Bramarbasmiene auszurufen: Der König muß, mag er wollen oder nicht, und wenn er nicht will, so machen wir eine

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Revolution." Wir"

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Kaiser, der den Titel: Kaiser der Deutschen" Kaiser   der Deutschen  " führte, stand die Erekutive zu, die er durch ver= antwortliche Minister ansikte. Er erklärte Krieg und schloß Frieden, er schloß die Bündnisse 111d Verträge mit den auswärtige Staate 1, er berief und schloß den Reichstag. Dieser zerfiel in ein Staaten und Volkshaus. Das Erstere bestand aus den Vertretern der einzelnen Staaten, welche zur Hälfte durch die Regierung, zur Hälfte durch die Voltsvertretung des betreffenden Staates auf 6 Jahre erkannt wurden. Das Letztere wurde durch die Abgeordneten des deutschen   Voltes gebildet. Es fam nach den Bestimmungen des Reichswahl gesebes durch direkte und freie Wahl zu Stande Stande auf je 100 000 Einwohner ein A6­geordneter. Wähler war jeder unbescholtene Deutsche, der das 25., wählbar jeder, der das 30. Lebensjahr zurückgelegt hatte. Die Wahlperiode betrug 3 Jahre, Von beiden die Abgeordneten erhielten Diäten. Häuser des Reichstags gemeinsam gefaßte Beschlüsse bedurften, um Gefeßestraft zu erlangen, der Zu­stimmung des Kaisers. Wurde ein Beschluß jedoch Wurde ein Beschluß jedoch drei Sigungsperioden nacheinander unverändert an­genommen, so wurde er auch ohne die kaiser­liche Zustimmung mit Ablauf der 3. Sizungs­periode Geset.

Als von Anderen Revolution gemacht wurde, da fielen wir" vor Schreck fast in Ohnmacht. Dies flägliche Ende der Kaiserposse hatte das Gute, daß für Jeden, der fähig war, die Dinge zu sehen, wie sie sind eine Fähigkeit, die leider sehr eine Fähigkeit, die leider sehr wenig verbreitet ist der Abgrund enthüllt und hell beleuchtet ward, welcher die deutschen   Zürsten von dem deutschen   Volk und von allen modern bürgerlichen Ideen trennt. Diese absolute Verachtung und Ignorirung des Volks, diese Einbildung, höhere Wesen zu sein, diese Berufung auf die Gottheit­Savon war in England seit genau 200 Jahren feine Spur mehr vorhanden, seit jenem Jahr 1648, dem Schicksalsjahr, das durch den westfälischen Frieden das arme, zerstückte Deutschland   nach den Schreck­nissen des dreißigjährigen Strieges aus der Neihe der lebenden Staaten strich und das gleichzeitig den ersten, zunächst blos fiir England entscheidenden Sieg der Volkssouveränität über die Fürsten  souveränität brachte. Hier stand auf einmal, breiviertel Jahre nach dem 18. März, als der Rausch Der Märzrevolution noch die Massen beherrschte, cbgleich die Einsichtigen längst geahnt hatten, daß sie wurmstichig geworden war, vor dem deutschen  Wolf der ganze Aberglaube und Herenzauber des Mittelalters. Das Gottesgnadenthum, das anfangs, als es sich vor der jungen Revolution noch zu schwach fühlte, mit ihr hatte paftiren wollen jezt fühlte es sich stark genug, die Rollen zu ver­tanschen, und verlangte von der Revolution, daß e mit ihm zu paftiren und sich vor ihm demuths boll zu verneigen habe. Das Jeste, die Kraft, war nicht das Volf, sondern die Fürstenschaft. Nicht aus dem Volfe heraus und auf den Schultern des Volkes sollte der Neubau Deutschlands   sich erheben, sondern burch die Gnade der Fürsten   und auf den Schultern der Fürsten  . Alles, was nicht von den Fürsten  ausging, war Revolution. Eine vom Volke oder doch der Volksvertretung geschaffene Krone hatte den " Lubergeruch der Revolution", war ein schmutziger Reif aus Dreck und Letten gebacken."

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Als Grundrechte des deutsche   Volfes wurden endlich erklärt und eingeführt: Freizügigkeit, freies Vereins und Versammlungsrecht, uneingeschränkte Preßfreiheit, Freiheit der Wise schaft und ihrer Lehre, Unverleßlichkeit der Wohnung, des Brief­geheimnisses, Unentgeltlichkeit des Unterrichts für Jedermann in den Volksschulen, fiir Unbemittelte in allen Schulen, Rechtsprechung in Strafsachen durch Schwurgerichte, in Zivilsachen durch gewählte Richter. Beseitigt wurden alle Stundesunterschiede, die Todes= strafe, die gutsherrliche Gerichtsbarkeit, aufgehoben die Familienfideikommisse und Lehen, verboten wurde die Annahme ausländischer Orden. Endlich wurde die Annahme ausländischer Orden. Endlich wurde bestimmt, daß jeder deutsche   Staat eine Verfassung mit Volfsvertretung haben solle.

Die Stellungnahme der verhaßten preußischen Regierung gegen die Reichsverfassung und die be= leidigende Art und Weise, wie der Preußenkönig

die Kaiserkrone abgelehnt hatte, bewirkte, daß die

demokratischen Elemente sich unwillkürlich der Reichs­verfassung zu nähern begannen und sie sympathischer betrachteten. Den Erbfaiser, dies schlechteste Stick der Reichsverfassung, war man durch die Ablehnung des Königs von Preußen ja glücklich los.

Das Parlament, welches den Fußtritt empfangen hatte, war weder in der Stimmung noch in der Lage, den Handschuh und den Kampf aufzunehmen. Es hatte in der tollen Verblendung impotenter Selbst­überhebung, gepaart mit diinfelhaftem, sich unfehlbar glaubendem Doftrinarismus, alle Wurzeln seiner Straft abgeschnitten und sich dem Volke erst entfremdet, dann feindlich entgegengestellt. Vom Volke gehaßt und Inzwischen hatten sich die Kaisermacher" von verachtet, von den Fürsten   verachtet, ohne jegliche substantielle Macht, war das Frankfurter   Parlament ihrem ersten Schrecken erholt, und sie entdeckten bollkommen ohnmächtig und trieb steuerlos einher, ein Spielzeug der Wogen und Winde..

dem Wortlaut den Schluß ziehen fonnte, er würde

einen Strohhalm, an den sie sich anflammerten und der in ihrer Phantasie schnell zu einem Balken Aber im Volfe regte es sich mächtig. Die wurde, start genug, den luftigen Luftbau der Reichs­Reichsverfassung, welche das Parlament so mühsam verfassung zu tragen. Der König von Preußen zure.htgedrechselt hatte, stand wesentlich auf demo- hatte sich bei der Ablehnung der Krone so ausgedrückt, fratischem Boden und enthielt, abgesehen vom Erb- daß man mit Würgen, Drehen und Wenden aus laiserthum, viele sehr gute Bestimmungen. Vor Allem gewährte sie das allgemeine gleiche, die Krone annehmen, wenn die übrigen Fürsten Deutschlands   ihn zum Grbkaiser", kiiren" würden. direkte und geheime Wahlrecht, welches, wenn Kraft bestehend, die Herrschaft der Volksson- Dieser altmodische Ausdruck der alten, vermoderten beränität bedeutete und dem souveränen Volke die Reichsverfassung mit ihren Kur-, d. h. Kür und Möglichkeit bot, den vorhandenen Mängeln abzuhelfen Wahlfürsten, die den Kaiser zu wählen hatten, be­und seinen souveränen Willen zur Geltung zu bringen. wies freilich, daß der König von Preußen an die Es ist hier der Platz, die Hauptbestimmungen mittelalterliche fent ale Reichsverfassung dachte, die der Reichsverfassung mitzutheilen. Mit der Wahl das moderne Prinzip der Volkssouveränität nicht des Königs von Preußen am 28. März- war

kannte, und nicht an eine moderne Verfassung, die

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den Monarchen mit allen, vom Liberalismus erfun­denen parlamentarischen Garantien der Freiheit und der Volksrechte umigab.

Doch derartige Bedenken kamen den Herren Bar­lamentariern nicht in den Sinn. Sie waren ja praktische" Politiker, Realpolitiker"; und das Praktische" unserer liberalen Herren Realpolitifer" hat allezeit darin bestanden, daß sie sich um das Thatsächliche Reale und die Thatsachen nicht

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fümmern und je nach den Umständen oder große Luftschlösser bauen, die Papier  

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kleine

auf dem außerordentlich praktisch" eingerichtet

sind, und nur den, einen praktischen Realpolitiker allerdings nicht störenden Nachtheil haben, daß man nicht darin wohnen kann.

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Sollte es nicht möglich sein, die anderen Fürsten   dazu zu bestimmen, daß sie den König von Preußen zum Erbfaiser fürten"? In Preusen gab es damals schon eine große Partei, auch in den Regierungskreisen bis hinauf in die Hohen­zollernfamilie, die Preußen mit Hülfe einer Volks­bewegung an die Spize Deutschlands   zu bringen bestrebt war; und die Abneigung des Königs gegen die Kaiserkrone wurde von den meisten seiner nächsten Verwandten und obersten Beamten nicht getheilt. Bei dem schwankenden Charakter des Königs war ein Gesinnungswechsel eine Möglichkeit, mit der ge= rechnet werden konnte. Und die übrigen Fürsten  hatten zwar keine Lust, dem König von Preußen, dem sie an monarchischer Würde und Gottesbegnadung ganz gleich standen, gewissermaßen als ihrem Ober­monarchen sich unterzuordnen; allein die Märzrevolu­tion hatte ihnen gezeigt, daß ihre Macht doch gebrech­lich und allerhand bösen Zufällen unterworfen war und es konnte ihnen nicht unangenehm sein, durch Einfügung in ein großes Ganzes größere Sicherheit zu gewinnen. Außerdem waren sie auch in höherem Maße als die Hohenzollern  - Dynastie von der Volts­vertretung abhängig. Und die Mehrheit sämmtlicher Kammern in Deutschland   war für die Reichsverfassung.

Je kleiner die Staaten, desto kleiner die Macht der Fürsten   gegen das Volf. Die kleineren Fürsten  waren denn auch sofort bereit, die Verfassung mit dem Erbfaiser anzunehmen, und elf Tage, nachdem das Frankfurter   Parlament von Friedrich Wilhelm  dem Vierten so grausam und boshaft in den April am 14. April über­geschickt worden war,- gaben die Vertreter von 28 deutschen   Regierungen dem prenischen Bevollmächtigten bei der Zentral­gewalt" in Frankfurt   a. M. eine Note, in der sie die Reichsverfassung und das preußische Erbkaiser­thum anerkannten und erklärten, daß sie zwar gegen

einzelne Bestimmungen der Reichsverfassung Bedenken hätten, daß diese Bedenken aber zurücktreten müßten angesichts der Gefahren, die durch ein Hinausschieben oder gar das Scheitern des Verfassungswerks fiir Deutschland   erwachsen würden. Das sah auf dem Papier recht hübsch aus wie denn noch vieles Andere damals auf dem Papier recht hübsch aussah,

trotz des Fußtritts vom 3. April. Die Sache hatte

nur einen Haken. Unter den 28 die Reichsverfassung

anerkennenden Regierungen glänzten gerade die Re­gierungen durch Abwesenheit, auf welche es anfam, nämlich diejenigen, welche Macht hatten. Deutsch­ land   war ja nach der Märzrevolution mit 36 Re­gierungen und 32 Fürsten   begnadet; es fehlten demnach, da die vier Freien Städte: Hamburg  , B.emen, Lübeck   und Frankfurt   a. M. auf der Liste der 28 waren, sechs Fürsten  : die beiden größten, Hohenzollern   und Habsburg  , von denen der erstere, da er Adressat der Erklärung war, von selbst aus­schied, und auch der zweite, weil Gegner der Reichs­verfassung und des preußischen Erbkaisers

und die

vier Könige von Bayern  , Hannover  , Sachsen  und Württemberg  . Das war ominös. Und waren die Fürsten der Achtundzwanziger- Erklärung auch theoretisch ein Jeder genau ebensoviel werth wie die Großen und Größten ihrer Kollegen, so wogen

sie doch praktisch allzusammen nicht den vierten Theil so viel, wie die vier durch Abwesenheit glänzenden

Kollegen". Und die preußische Regierung war in dieser Beziehung unzweifelhaft praktisch". Sie war auch praktisch, als die Nationalversammlung   am

21. April, auf den Antrag von Rodbertus  , mit 179