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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Der Pfarrgeistliche predigte so lange über:" Ihr sollet werden ein Fleisch," daß die armen Brautjungfern, welche mit dem Gesicht zum Gefolge saßen, schließlich nicht wußten, wo sie ihre Augen rerbergent follten. Aber als Törres hörte, daß die Beiden jetzt unwiderruflich Mann und Frau waren, fuhr er zusammen und sah den Priester an, als ob er ihni etwas zurufen wollte. Aber das ging vorüber, und sie kamen Alle wohlbehalten heimt in's Hochzeitshaus.
Der Bräutigam hatte sich in der Kirche gut gehalten, of gleich er sehr blaß war. Das allgemeine Urtheil war, daß er zierlich war: von Kopf zu Fuß nett und fein, neuer Anzug, ganz kleine Lackschuhe mit Schleifen, hoch geschlossener englischer Kragen und das Haar modern, als ob seine Schädeldecke vom Scheitel aus dünn mit Deffarbe überschmiert wäre, nach vorn gestrichen.
Als er aber heim kami, mußte er hinein und sich auf Mutters Bett legen, wo sie ihm Bouillon mit Ei brachte; inzwischen nahm die junge Frau die Gratulationen entgegen.
Törres näherte sich nicht; er war in das Hotel hinübergegangen, wo das Mittagessen servirt werden sollte, und wo er selbst Jessen bei einem großartigen Arrangement geholfen hatte. Sobald die Gäste versammelt waren und der Bräutigam wieder so veit auf dem Posten war, ging man in dem großen Speisesaal zu Tische.
Bei Tische war es ziemlich steif. Auch Törres verhielt sich ruhig, nicht so sehr, weil er Augst hatte; er hatte 3 var schon viel von seiner Sicherheit niederge rounen, und außerdem war er hier von seinen Leuten umgeben; die jungen Damen von der Ladenbranche lachten sich fast zu Schanden, wenn Herr Wall nur den Mund aufthat, und Alle in diesem Kreise bengten sich vor ihm. Aber sie verwirrte ihn immer mehr die Braut, so wunderschön wie sie dajaß an der Seite von dieseni Jessen. Im Gedränge nach Tisch wurde Törres mit seiner Dame gerade auf die Neuvermählten hingedrängt, und ehe er es merkte, stand sie dicht vor ihm, warm nach dem Essen, süß und lächelnd unter Gästen und Freundinnen.
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Aber plößlich wurde ihr Gesicht fast zu Stein; denn während er auf sie niedersah, wurden seine Augen ganz wild, so wie sie sie in der Zeit ihrer heißesten Liebe gesehen hatte. Und ihr schien bereits, als fühlte sie seine starken Hände, bereit, sie aus der Menge hinauszuheben. Sie faßte ihn schnell an beiden Handgelenken und zwang sich, zu lachen: Wir wollen doch Wall danken Anton für seine gute Hülfe!"
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Törres schöpfte Athem und wachte gleichsam auf; er schiittelte dem Bräutigam die Hand und bahnte sich darauf einen Weg hinaus in die Rauchzimmer, wo es nur Tabat, Kaffee und MannsLeute gab.
Als die feierlichen Gäste gegangen waren, wurde Iuftig getanzt von den vielen Freunden und Freun dinnen des Brautpaares, welche zu„ Nach dem Essen" eingeladen waren. Und es wurde ein un= gezwungener Ball von jungen Kaufleuten mit ihren Damen, zwischen denen der alte Konsul With her umging und sich trefflich amüsirte.
Da eine Hochzeitsreise nicht gemacht werden sollte, war es unter den Nächststehenden verabredet, daß das Brautpaar um halb Eins in aller Stille verschwinden und heimfahren sollte, ohne das frohe Fest abzubrechen. Und je später es am Abend wurde, um so unruhiger wurde Törres, we cher inzwischen am eifrigsten tanzte. Aber in Wirklichteit raẞte er auf jede Minute, die verrann, und wußte immer, wo die Braut war, obschon er nicht mit ihr tanzte.
Und ihr war andererseits so Angst geworden vor der Aufregung, in der sie Törres sah, daß sie schon vor der Zeit ihren Mann bat, nach dem Wagen zu sehen. Jetzt fürchtete sie weniger das erste Alleinsein mit Jessen , als Törres Wall inmitten der großen Gesellschaft.
Ihr Mann hatte auch seinen Muth so kräftig gestärkt, daß er ganz kleine Augen davon bekomment hatte und immerzu lächelte. Und auf seiner etwas
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schwerfälligen Zunge hatte sich ein Wort festgesetzt, daß er andauernd mit listiger Miene wiederholte: Schwupp, meine Damen! Es ist Alles bezahlt." Eine andere Antwort gab er auch seiner kleinen Frau nicht, aber der Wagen war da; sie entwischte aus dem Saal:, ohne daß es Jemand merkte.
Aber Törres fühlte es sofort, und seine Unruhe stieg, während sie oben war, um ihre Ueberkleider zu holen. Er war halb im Saale drinnen und halb draußen auf dem Gange, zu welchem die Thüren der Hize wegen offen standen. Er fommandirte eine große Blumentour und die Damen rissen sich um ihn. Als er aber ein paar kleine, weiße, seidene Schuhe auf der Treppe schimmern sah, verlor er alle Besinnung.
In der Thiir standen einige junge Herren, und draußen im Gange stand Anton Jessen mit seiner Mutter; sie wollte noch im letzten Augenblick ein paar Worte mit ihrem Sohne reden, aber er antwortete ihr nur ungeheuer verschmigt:„ Schwupp, Mutter! Es ist Alles bezahlt!"
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Als die Braut kam ganz eingehüllt bis auf die weißen Schuhe- drängte Törres sich zur Treppe vor und, ehe sie es wehren konnte, umfaßte er sie und trug sie hoch auf den Armen hinaus durch den erhellten Gang, wo Gäste und Hoteldiener lachend zur Seite wichen ganz hinaus auf die Straße, wo der Wagen wartete. Er hatte feinen Gedanken in seinem Kopfe, als mit ihr hineinzuspringen, fort zufahren und sich den Teufel um die ganze Gesellschaft zu kümmern.
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Sie verstand ihn und flüsterte in ihrer äußersten
Noth:
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Grunde fertig war, und das außerdem sein war und blieb, wenn er wollte. Mit tiefer Scham dachte er Jakob's, der ohne Murren sieben Jahre Nahel diente.
Wie er es heute ansah, stand es wieder so fiir ihn, wie es vorgestern und während der ganzen Arbeit mit Jessen gestanden hatte nämlich so, daß es sehr bequem war, Kaja Thorsen mit solch' einem bischen Mannsvolt verheirathet zu sehen.
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Und er dachte an Julie Krüger; jezt könnte er es mit Ruhe ausführen; zu schnell, das hätte ihm hier sündhaft geschienen. Aber die Andere sie, die reizende geschiedene Frau! Ob er je seine Nache haben würde?
Törres kleidete sich an, während er Gott immer dankbarer dafür wurde, daß er ihn im letzten Augenblicke nicht hatte in's Verderben stürzen lassen. Dar auf nahm er seine Bücher und Papiere hervor, notirte sich Wechsel und Darlehen, die in den nächsten Tagen verfielen, und machte die Liste der Schuldner, welche sein Kommissionär im Laufe des Tages heimsuchen sollte.
Er vertiefte sich lange in ein besonderes Buch, in welchem alle Wechsel Cornelius Kundsen's notirt waren, sowohl die eigenen, als die aus der alten Verbindung mit Brandt und der neuen mit Anton Jessen außer dem Garantiedo: ument ein paar kleine Wechsel, welche Frau Knudsen ihrem früheren Kommis nicht hatte abschlagen wollen.
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Ec wurde ernsthaft; in Gedanken verzehrte er sein Frühstück mitten unter seinen Papieren und Berechnungen. Er fonnte noch lange Zeit brauchen, aber er dachte an Jakob und die sieben Jahre- Du bist toll! so lange sollte es jedenfalls nicht dauern.
,, Nein Törres! Nein! Später Liebster- später In diesem Momente fam Jessen heraugestürzt; die Anderen hatten ihn fortgepufft; er stolperte. und fuhr gerade auf Wall los, der eben die Braut in den Wagen gesezt hatte.
" Schwupp! Meine Damen!" rief der Bräutigam vergniigt.
Aber Törres gewann noch einmal Macht über sich. Er nahm den kleinen Bräutigam und beförderte ihn derart in den Wagen, daß Herr Jessen plötzlich in einen äußerst gefränkten Ton umschlug indem er höflich, aber kühl Herrn Handlungsgehilfen Wall darauf aufmerksam machen wollte, daß Alles bezahlt wäre.
Törres schlug die Thiir zu und rief rasend dem Kutscher zit:„ Fahr ab!"
Und als ob die Pferde die Leidenschaft fühlten, die darin Lig, zogen sie an, und der Brautwagen rollte lautlos fort auf den weichen wiegenden Federn.
Aber Törres stiirzte wieder hinein, brachte den Ball in neuen Zug, tanzte und trank bis zum hellen Morgen.
XIV.
Als Törres am nächsten Tage erwachte, hatte er zuerst das schreckliche Gefühl, es wieder mit einem neuen Skandal verschittet zu haben.
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Aber als sie sich verzogen die schweren Nachtnebel, und die Dinge in ihrem Zusammenhange herauskamen, fühlte er mit unsäglicher Erleichterung, daß garnichts Schlimmes vorgefallen wäre, jedenfalls nichts so Schlimmes, daß es nicht bald als Muthwille und Spaß vergessen sein würde.
Er bebte aber, wenn er daran dachte, wie nah er gewesen war! um ein Haar wäre er in den Brautwagen gesprungen! Lange saß er aufrecht im Bett und überlegte.
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Und er kam dazu: das Gefährliche und Fürchterliche an den Weibsleuten das ist, daß sie vollständig unentbehrlich sind. Nie- ist eine Berech mung sicher, wenn sie dabei sind, und dabei müssen sie sein.
Nun hatte er seinen weitreichenden Plan so sicher angelegt, so fest beschlossen; durch mehrmonatliche Beharrlichkeit und Umsicht nach allen Seiten hatte er den ersten Knoten gefuiipft: Jessen's Geschäft und Ehe. Und nun war er schließlich bei sich selbst nicht weiter gekommen, als daß er umt Haaresbreite das Ganze zerstört hätte.
Und das eines Weibes wegen, mit dem er im
Wenn er jetzt zur Bankzeit in's Geschäft tam, war es früh genug. Jm Laden war eine Kousine von Fräulein Thorsen eingetreten, die auch Fräulein Tho: sen hieß, außerdem noch eine junge Dame, und der Laufbursche Renert war zum Kommis mit Pomade im Haar befördert. Das Geschäft war ge wachsen, so daß immer im Comptoir genug zu thun war, wo Törres nach und nach die ganze Arbeit übernahm, während Frau Knutsen, als der eigent liche Prinzipal, ihren Plaz am Pulte behielt.
Aber immer mehr war sie unter den mächtigen Ein luß seiner Arbeitstraft und seiner Jugend ge rathen. Sie fonnte jeden Tag ihren Plaz im Comptoir so ruhig und falt einnehmen, als ob nichts im Wege stiinde, und doch zog eine ne.vöse Unruhe ein mit diesem langen Mannsbilde, das beständig mit ihren Ang legen ei en beschäftigt war, fiir sie arbeitete wie ein Diener, that, als ob er auf ihre Befehle hörte, während sie im Innersten fühlte, daß er schon über sie herrschte.
Er hatte jezt ohne daß sie auf irgend eine Art angeben fonnte, wieso aber sei e Schuld war es, daß sie sich vollständig von ihrem alten Freund und Berather Gustav Krüger getrennt hatte. Sie waren garnicht Unfreunde geworden; es war nie ein böses Wort zwischen ihnen gewechselt, aber es war ihnen nicht möglich, den kameradschaftlichen Ton wiederzufinden. Krüger hatte es probirt, aber es miẞglückte; sie hörten Beide den falschen Ton; es war etwas zwischen sie gekommen, was das Ver hältniß fiir beide Theile zerstört hatte.
Jest tam es nie mehr vor, daß Krüger hinein gelaufen fam mit Vorliebe barhaupt, entweder 31 einer fleinen Unterhaltung oder mit einem Papier zur Unterschrift. Jetzt wurden die Wechsel von einem Boten gebracht, und es war inimer ein peinlicher Moment. Denn Herr Wall notirte sie äußerst genau in das Wechselbuch, obschou es nur Endossements waren; er verglich die Beträge von Mal zu Mal, zeigte die Erneuerungen an und fragte bei jedem neuen Papiere ausdrücklich, ob sie auch das zeichnen sollten.
Und bei alledem hatte er eine Miene, welche sie fränkte und ängstigte. Er sagte einmal: Die vers mehren sich, diese Brandt'schen Wechsel"; das durch fuhr sie. Ihr schien es auch so; überhaupt war es ein Knittern von Wechselpapier und ein Gerenne zur Bant, wie man es zu ihres Manneszeit nie gefannt hatte. Er hatte wohl Necht Herr Wall, daß dies die neue Mode war, und Krüger machte
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