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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

habe ich nicht Recht, Herr Fedor? Sie werden das auch wissen. Sehen Sie, so war es gestern Abend. Ich lese Hamerling's Ahasver, und wie ich an die Stelle komme von Nero's Gärten, da kann ich mich nicht mehr halten in meinem Entzücken und lese sie ihm vor, und wie ich so recht mitten drin bin, wissen Sie, es ist die wunderschöne Stelle:

In Nero's Gärten singt am Tiberstrand, Am stillen Aventin die Nachtigall

Ihr schönstes Lied. In Nero's Gärten blühen Die Blumen wunderbar..

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Na, und so weiter; wie ich also so recht mitten drin bin, was meinen Sie, was er sagt? So recht aus dem Pluzz heraus fährt er mir dazwischen: , Glaubst Du wohl, daß es in Nero's Gärten auch schon Flöhe gegeben hat?... Ja, Sie lachen!" Die beiden Herren lachten allerdings, trotzdem trat auf Augenblicke ein beinahe peinliches Schweigen ein. Der Doktor nahm zuerst die Unterhaltung wieder auf; er wandte sich nach dem Büchertischchen und nahm den obersten Band: Haben Sie etwas Neues? Ach so, den d'Annunzio! Ekelhaftes Buch!"

" Find' ich garnicht. Er schreibt interessant." " So?"

Sie sah ihn herausfordernd an: Und vor allen Dingen schildert er Männer, Männer, die fühlen können. Dieser Held hier in, Lust', was liegt in dem für Nasse! Welch' ein Ueberspringen aller Schranken, welche Leidenschaft, wenn man so Einem mal begegnen könnte! Ach, zu wissen, daß es so Etwas giebt und selbst nur von Alltagsseelen umgeben sein!"

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,, Alltagsseelen! Sie sind liebenswürdig." Spar­mann versuchte ein Auflachen, dann warf er das Buch mit einer heftigen Bewegung auf den Tisch: Rasse? Leidenschaft, Schmuz ist es. Dieses Wühlen im Erotischen . Efelhaft! einfach ekelhaft! Sie sollten dergleichen garnicht lesen. Sie lesen viel zu viel davon."

Was sagen Sie dazu, Herr Fedor?" Der junge Mann, der mit wachsendem Staunen dem Streite zugehört, fuhr leicht zusammen: Ich..

ich muß gestehen, daß mir das Urtheil fehlt, gnädige Frau... ich kenne den Dichter nicht."

,, Hören Sie mal, dann müssen Sie ihn aber kennen lernen. Ich borge ihnen seine Bücher, da, stecken Sie mal, Lust gleich ein. hab' ich denn Zola's, Nana' nicht auch hier?" Sie stand auf und wiihlte zwischen den Büchern: Nein, wem hab' ich, Nana' gepumpt? Wissen Sie es nicht, Sparmann? Ah, warten Sie mal, hier kommt aber noch etwas Interessantes..." Sie zog aus den zu unterst liegenden Zeitungen ein Packet gras­grüner Hefte heraus. Der Doktor brach in ein schallendes Gelächter aus:" D'Annunzio , Zola und nun die Psyche... Ihr Steckenpferd darf natürlich nicht fehlen..." Und zu Fedor gewandt, fügte er hinzu:" Frau Schubert ist nämlich Spiritistin!"

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Bin ich auch, Sie Spötter, Sie boshafter!" Sie gab ihm mit den zusammengerollten Heften einen Backenstreich." Herr Fedor, sehen Sie mich nicht an, als ob Sie mich für verrückt hielten."

Der junge Mann erröthete wieder, ein verlegenes Lächeln huschte um seinen Mund: Ja, aber. glauben. glauben Sie denn im Ernst daran?" Selbstverständlich glaub' ich daran. Muß man denn nicht daran glauben nach all' den wunderbaren Dingen, die passiren?"

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,, Ach ja, und meinen Schußgeist sahen Sie ja wohl auch hieß er nicht Adelgunde? Adelgunde von Schreckenstein?"

" Jawohl... Adelgunde... Sie sind einfach ein Efel!... Haben Sie selbst sich noch garnicht ein Efel!. mit Spiritismus beschäftigt, Herr Fedor?"

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Gehört hab' ich eine ganze Menge, auch gelesen, aber.. aber eigentlich lacht doch Alles darüber. Ja, wenn man sich mal überzeugen könnte, es müßte herrlich sein den Beweis zu erhalten, daß der Tod fein Ende ist."

,, Nicht wahr, das finde ich auch. Gott , wenn ich meinen Mann für die Sache interessiren könnte, aber dem darf man ja mit so was nicht kommen." ,, Sehr vernünftig von ihm."

,, Sparmann, Sie legen es heute darauf an, mich zu reizen; wenn Sie nur ausgehalten hätten, wir hätten noch viel mehr erlebt in unseren Sigungen, eigentlich sollten wir wieder anfangen. Rinder..." Sie richtete sich auf, Kinder, das ist überhaupt et gottvoller Einfall, das sollten wir wirklich thin, wenn Herr Fedor auch kommt, sind wir Drei.".

,, Glauben Sie, daß Ihr Herr Gemahl damit sehr einverstanden ist?"

,, Ach, den fragen wir einfach garnicht, die Sache geht famos... ganz famos. Nächsten Donnerstag ist mein Mann in der Loge, die Mädchen schicke ich Gott , erlebt, wissen Sie... erlebt... auf Urlaub, dann sind wir von neun bis elf Uhr erlebt

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Ach, Sie haben schon so etwas erlebt?"

" Frau Schubert ist ja sogar selber Medium."

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Sparmann, Sie sind schändlich mit Ihrem Ulfen." Sie sieht Geister und leidet an Ahnungen." " Pfui, nein ich gehe sofort aus dem Zimmer. Sehen Sie, so macht er es immer, Herr Fedor; man fann fein vernünftiges Wort mit ihm reden, und dabei haben wir selbst schon zusammen spiri­tistische Sizungen gemacht."

,, Na ja... und so weiter, und so weiter, davon redet man wohl besser nicht."

" So, und warum denn nicht? Der Tisch hat sich doch bewegt..."

ganz entre nous.. Sparmann, nicht den Kopf schütteln, Sie kommen. Damit basta!... Wollen Sie schon aufbrechen, Herr Fedor?"

" Ich denke, es wird wohl Zeit, gnädige Frau; ich habe Sie schon so lange aufgehalten.

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,, Ach... aufgehalten... mich hält kein Mensch auf. Also hören Sie, nächsten Donnerstag Abend flingeln Sie Jeder dreimal, damit ich weiß, daß Sie es sind; einem Anderen mach' ich nicht auf." " Ja, wenn Sie's wirklich erlauben. Wiedersehen!"

Auf Wiedersehen, Herr Fedor!... Und nichts verrathen!" ( Fortsetzung folgt.)

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Novemberabend.* Novemberabend kühlt und feuchtet.

Die Herne Hirbt in Dämmerduft. Mit matfem Blinzeln nur durchleuchtet Ein Stern die nebelfrübe Tuft. Gedämpfte Glockenlaufe beben Weich lummend über Stoppelfeld. Aus Wiesen- Wiederungen heben Sich dunkle Massen in die Welf.

Ein alter Pflüger mit dem Pferde Bieht müde heim; die Pfeife glimmt. Vom Schäferhund umtummelt, schwimmf Mit Blöken dorfwärts eine Heerde. Mit qualmigdunkler Röthe fäumt Der Himmel lich. Grohleuchtend kauchk Der Mond empor... Die Tandschaft träumt Von Ruhesehnsucht überhaucht.

Bruno Wille .

Zwei Mütter. Die letzte Szene in einem wilden, terzweifelten Kampf um das nackie Leben: die steigende Fluth hat Mensch und Thier hinaufgetrieben auf die ragenden Spizen der Felsen, jezt stoßen ein Weib, das ihr Kind im Arme hält, und eine Tigerin, die mit den Jungen im Maule heraufklimmt, auf der äußersten Kuppe zusammen. Die höher und höher schwellenden Fluthen treiben sie auf die Felsplatte die aber bietet nicht Naum für die beiden Mütter". Der Kampf beginnt. Das Weib hat die Spiße zuerst erreicht, jetzt umklammert die Tigerin mit ihren gewaltigen Pranken den Fels und drängt mit dem Hinterkörper nach; zwei ihrer Jungen hat sie schon fallen lassen müssen, um mit der ungehinderten * Aus ,, Einsiedeltunst aus der Kiefernhaide". Berlin , Schuster& Loeffler.

Feuilleton.

Kraft das letzte wenigstens zu retten. Mit einem Schrei des Entschens setzt sich das starke Weib zur Wehr; fest ftemmt sie ihren Fuß gegen den Felsvorsprung, mit aller Kraft sucht sie das Thier hinabzustoßen... Das Werk, das in seinem kraftvollen Aufbau in der Dresdener Kunst­ausstellung dieses Jahres die Aufmerksamkeit erregte, stammt von Heinrich Epler .

Ein natürliches Orchester, wie es deren in Indien eine große Zahl giebt, schildert H. P. Blavatsky in ihrem Buche ,, In den Höhlen und Dschungeln Hindostans", das auch in deutscher Uebersezung vorliegt( Leipzig , W. Friedrich): Das Phänomen trat in den Bambus­büschen ein, als der Mond aufging. Unmittelbar vor seinem Erscheinen, als der Horizont merklich heller zu werden begann und das jenseitige Üfer einen milchfarbenen Schimmer annahm, erhob sich plötzlich ein Wind. Da bernahmen wir plöglich in der allgemeinen Stille und dem tiefen Schweigen ein musikalisches Klingen, als wenn ein ganzes Orchester vor Aufführung eines großen Musikwerkes die Instrumente stimme. Rings um uns und über unseren Köpfen klang es wie vibrirende Vio­linen, mit Flötentönen vermischt. Gleich darauf fuhr ein neuer Windstoß durch die Weiden, und die ganze Insel erklang wie von den Saiten Hunderter von Aeols­harfen, All dies verwandelte sich ganz plöglich in eine wilde, nicht endenwollende Symphonie. Sie schwoll in den umliegenden Wäldern immer mächtiger an und erfüllte die ganze Luft mit unbeschreibbaren Melodien. Ernst und feierlich flangen ihre gezogenen Weisen; sie glichen den Akkorden eines Trauermarsches, rerwandelten sich dann in Trillertöne und starben mit einem langen Seufzer dahin. Sie hörten jedoch nicht völlig auf, sondern wurden neuerdings wieder lauter, erklangen wie Hunderte von filbernen Glöckchen und wechselten zwischen dem herzzerreißenden Geheul einer Wölfin und den sich überstürzenden Rhythmen einer luftigen Tarantella, zwischen den artikulirten Lauten menschlicher Stimmen und den vagen, majestätischen Akkorden eines Violoncellos, zwischen heiterem Kindergelächter und bitterlichem Weinen. Und alle diese Melodien wurden von allen Seiten von höh= nendem Echo zurückgeworfen.

Nach einer kurzen Pause setzte das unsichtbare Orchester

mit erneuter Kraft wieder ein. Die Töne rollten und quollen in unaufhaltsamen und überwältigenden Wellen hervor. Wir hatten noch nie etwas Aehn iches gehört. Jetzt vereinen sich die mächtigen Töne, jezt vertheilen sie sich im Naume, brechen ab, vermengen und vermischen sich, wie die phantastischen Melodien eines Fiebertraums, einer durch das Heulen und Pfeifen des Windes erzeugten Melodie.

Die Erklärung dieses natürlichen Orchesters aber ist in Folgendem zu suchen: Jedes einzelne der Rohre, deren es Tausende in der Umgebung gab, enthält ein natürliches Musikinstrument. Das Sirka- Gras und die Bambusbüsche beherbergen stets eine ganze Menge win ziger Käfer, die in die hohlen Stengel ganz bedeutende Löcher fressen. Die Fakire erklären die durch den Wind entstehenden Töne für göttliche Orakelsprüche und unter stützen diesen natürlichen Vorgang noch durch künstliche Mittel; sie verwandeln die Pflanzen in musikalische In strumente. Sie erweitern fe nach dem Umfange des Rohres die von den Käfern ausgefressenen Löcher und geben ihnen bald eine runde, bald eine ovale Form. In ihrem gegenwärtigen Zustande kann man diese Rohre als die feinste Illustration der auf akustischen Gelegen beruhenden Mechanik betrachten. Einige der ältesten von Musik handelnden Sanskritbücher beschreiben diese Gefeße auf's Eingehendste und erwähnen manche Musik instrumente, die heutzutage nicht nur ganz in Vergeffens heit gerathen, sondern uns geradezu unverständlich sind.

Hundert schreiben von einer Sache, welche Neun­undneunzig davon garnicht kennen, und Tausend sprechen nach, was Jene geschrieben, weil sie zu dumm oder 31 faul zum Selbstdenken sind. Auf diese Weise entstehen öffentliche Meinungen. W. L. Wesselin.

Alle für die Redaktion der Neuen Welt" bestimmten Sendungen sind nach Berlin , SW 19, Beuthstraße 2, zu richten.

Nachdruck des Juhalts verboten!

Verantwortlicher Redakteur: Oscar Kühl in Charlottenburg. - Verlag: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg .

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Druck: Mar Bading in Berlin .

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