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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

der Bauer, und schließlich auch der Ingenieur und Celestyne.

Die Meisten von ihnen schliefen, ausgenommen die Bäuerin, der Ingenieur, und vielleicht auch der Preuße, der in seinem halbfinsteren Winkel kaum zu sehen war, und von dem man nicht wußte, ob er schon schlafe oder noch faue.

Das müde Licht beleuchtete nur die nächsten Gegenstände. Die Mehrheit der Gesichter war kaum zu unterscheiden, nur auf Celestynens Antliß fiel das volle Lampenlicht. Sie schlief sanft. Ihre Lippen umspielte auch in Schlummer ein liebliches Lächeln und auf ihren Wangen blühten die Rosen. Aus dem um ihre Schultern gezogenen Pelz ragte nur der schlauke.weiße Nacken und ihr schöner Kopf hervor, aus dem schwarzglänzenden Fell wie eine römische Biste aus Elfenbein aus einer schwarzen Sammt­umhüllung.

Auch der Ingenieur war miide. Seine Augen fehrten immer wieder zu Celestyne zurück. Er sah sie wie durch einen Schleier oder wie im Traume, der sie von der übrigen Welt geschieden hatte.

Der auf und ab schreitende Herr langte bei Celestyne, an. Sein Fuß stockte. Nach einer Weile kehrte er um und wandte sich an den Kellner.

" Schwarzen Kaffee," befahl er. Dann seßte er seine Promenade fort, jedoch mehr in seiner früheren Ruhe. Etwas schien ihn aufzuregen. Er pfiff Leiſe vor sich hin, blieb für Augenblicke stehen, seufzte öfters, rieb sich die Stirn und die Hände, die er dann wieder auf dem Rücken zusammen legte. Er ging nicht mehr durch den Saal, sondern nur noch um den Ofen herum, und so oft er Celestyne nahe tam, verlangsamte er seine Schritte.

" Noch einen Schwarzen," befahl er, nachdem er die Tasse mit dem anregenden Getränk in einem Zuge ausgetrunken hatte. Und wieder ging er im Kreise um die Gattin des Ingenieurs herum, der im Halbschlummer darauf nicht achtete. Er mochte das Gefühl haben, daß der Fremde nur um den wärmenden Ofen herumgehe. Der scharfe Blick seiner stechenden, beobachtenden Augen wurde von dem Schirm der Reisemüze verdeckt.

,, Kellner," sprach der Fremde leise, nachdem er auch die zweite Tasse geleert hatte seiner Sprache nach mochte er ein Berliner   sein- befindet sich augenblicklich auf der Station irgend Jemand im Dienst... ein Beamter, Schußmann, oder etwas Aehnliches, irgend eine staatliche Autorität?" Sie wünschen?"

Eine kleine Anzeige....

Den Dienst hat augenblicklich nur der Bahn­beamte. Aber wenn ich nicht irre, gebührt ihm nach der Instruktion auch so eine Art Amtsgewalt auf dem Bahnhof."

Ich danke."

Der Fremde verließ den Saal und ließ sich zu dem diensthabenden Beamten führen. Dort legiti­mirte er sich durch einige Dokumente und verhandelte unter dem Siegel des Amtsgeheimnisses. Darauf schrieb er noch im Bahnbureau eine Starte, legte ein paar Briefschaften bei, die er, wohlversiegelt, einem herbeigerufenen Arbeiter übergab, damit er sie sofort nach der Stadt trage.

Durch eine Verbindungsthür kehrte der Fremde in den Wartesaal zurück. Hier hatten inzwischen ein Maschinist, ein Kondukteur und zwei Bremser von dem Zuge der Nordwestbahn Plaz genommen, nach­dem sie den Zug für die morgige Rückfahrt fertig gestellt hatten.

Von dem Dienst ermüdet und start frierend, ver­hielten sie sich ruhig. Nachdem sie sich durch wär­mende Getränke etwas erholt hatten, verließen sie sämmtlich wieder den Saal, um in der Wagen­remise einer furzen Nast zu pflegen.

Im Saale   wurde es wieder ruhig. Man hörte nur das gleichmäßige Ticken der Pendeluhr, das Summen im Ofen und das ruhige Athmen der Schläfer, welches nur zeitweise durch leises Schnarchen, furzes Histeln, oder auch einzelnes unwillkürliches Aufſeufzen unterbrochen wurde. Dazwischen vernahm man immer noch den leisen Schritt des Fremden, oder von Außen her schwaches Geräusch im Holz= und Eisenwerk, wie es der starke Frost verursachte.

Der Fremde warf einen Blick auf die Uhr, dann auf Celestyne. Dann nahm er einen Stuhl und stellte ihn neben den des Ingenieurs und nahm darauf Plaẞ.

Der aus seinem Halbschlummer aufgerüttelte Ingenieur heftete einen langen Blick auf den Un­bekannten. Der grüßte höflich. Dann stüßte er die Ellenbogen auf die Knie und verharrte so in ge­bückter Stellung. Ab und zu streifte er, anscheinend absichtslos, seinen Nachbar mit einem flüchtigen Blick. , Sie langweilen sich?" bemerkte lächelnd der Ingenieur. Ich kann nicht schlafen, und es wird mir angenehm sein, wenn wir uns die Zeit gegen­seitig verkürzen."

"

" Ich langweile mich nicht," erwiderte nachdenk­lich mit gedämpfter Stimme der Fremde. Im Gegentheil, allerlei Gedanken nehmen mich in An­spruch, und es wird mir lieb sein, wenn ich sie abschittle."

Hm!?"

Eh... lassen wir es lieber. Eine traurige Ge­schichte, als Nachtunterhaltung auch wenig geeignet."

Der Fremde versant in sein früheres Schweigen. " Wohin reisen Sie," begann nach einer Weile der Ingenieur; er frug zwecklos, nur um etwas zu sagen. Seine Neugierde, welch' traurige Gedanken den Fremden beschäftigten, war nicht groß. Die Müdigkeit machte ihn ganz apathisch.

Nach Chrudim  . Ich bin Assessor Vogt vom föniglichen Kreisgericht in Glaz  . Habe morgen in Chrudim   ein Geschäft, das mich zwingt, die Nacht­ruhe zu opfern. Hier habe ich über anderthalb Stunden Aufenthalt-die Staatsbahn fährt, glaube

Verluste beigebracht hat. Der Rechnungsführer, der bei der Geschichte nicht ganz ohne Schuld gewesen sein mag, hat nun eingesehen, daß es nicht anginge, zweien Herren zu dienen, er reiste selbst nach Preußen, um die fremde Firma zur Herausgabe der Beute zu bewegen. Und Frau Chladek reiste ihm nach. Beide wurden nun in Glaz verhaftet. Warum, weiß ich nicht...."

"

,, Auf die direkte Requisition des Herrn Chladet. Dieser Herr befürchtete, daß der Rechnungsführer seine Frau entführen wolle, und daß sie Beide mit der preußischen Firma ein abgefartetes Spiel treiben. Die Lächerlichkeit dieses Verdachtes kam bald an den Tag, und der Rechnungsführer wurde frei gelassen. Und jetzt, wie ich vermuthe, hilft er aus Rache seinem Herrn nicht und läßt ihn stecken. Aber Frau Chladek halten wir noch fest, wegen allerlei falscher Aussagen, wie sie die leichtfertigen Frauenzimmer, wenn sie den Gerichten entrinnen wollen, immer bei der Hand haben. Sie verwickelte sich in Widerspriiche, und unser Staats­anwalt ergriff nun blutdürstig einige der Fäden, unters sucht auf's Neue und sucht die Frau in eine roman tische Schwindelaffaire zu verwickeln. Es würde Sie ermüden, wollte ich Ihnen die Sache nach der juri stischen Seite hin auseinander sezen. Mir thut die arme Frau leid.... Und so nahm ich mich der Sache an und habe es nur mir selbst zuzuschreiben, wenn ich morgen in Chrudim   sein muß."

-

,, Und Sie thun recht," erwiderte der Ingenieur und fuhr lächelnd fort:" Ich kenne Frau Chladek. Sie ist ihrem Gatten täglich zehnmal untreu, sie haßt ihn und begeht in einemfort Ehebruch mit Um Anderen aber Alles nur in ihrer Phantasie. Un diese Sünden jedoch thatsächlich zu begehen, dazu fehlt es ihr an Wagemuth und auch an Charakter. Sie ist eine von jenen nichtsnuzigen Frauen, die in einemfort sich und Andere belügen. Ich weiß selbst, ,, Hm. Aergerlich!" daß sie mit dem Rechnungsführer kokettirte, aber sich " Und mit wem habe ich die Ehre?" frug nach für ihn in eine Gefahr zu stürzen, dazu ist sie zu einer Weile der Assessor.

ich, nach zwei Uhr hier durch, gegen vier Uhr früh bin ich in Pardubiz, von da muß ich eine Fahr gelegenheit suchen eine schlechte, elende Verbin­dung!"

Ingenieur Baul aus Prag  . Fahre hinüber in's Mährische. Auch ich muß hier auf den Zug warten, freilich den der anderen Bahn, der Nord­westbahn, mit der Sie gekommen sind. Mein Zug kommt sogar erst nach drei Uhr hier an und bringt mich über Geiersberg und Stralik weiter. Dann habe ich noch die mährische Grenzbahn zu passiren, bevor ich das Ziel meiner Reise erreicht habe."

Auch eine langweilige, zerstiickelte Reise." " Freilich. Aber ich ärgere mich nicht darüber; erstens wiirde es mir nichts niißen, und dann sind wir Techniker solche kleine Annehmlichkeiten schon gewohnt. Die Herren vom grünen Tische.. freilich.

"

JJ

Den Teufel! Wir Gerichtsbeamte müssen auch sehr häufig die persönliche Bequemlichkeit dringenden Pflichten unterordnen, und thun es gern, wenn es sich um einen interessanten Fall handelt. So zum Beispiel heute... sehen Sie, da fahre ich aus eigenem Antriebe, weil mich der Fall interessirt und auch amüsirt."

"

Ein amüsanter Kriminalfall?"

" Ja. Ich will mich einmal galant erweisen. Wir halten nämlich bei uns in Glaz eine Dame aus Chrudim   in Haft. Und der möchte ich gern aus der ungemüthlichen Situation heraus helfen...." Ah... Frau Chladek?"

"

Wie... Sie wissen etwas davon?"

Ja wohl. Nur daß ich es beinahe schon wieder vergessen hätte. Ich las dariiber einige kleine Zei tungsnotizen..."

" Zeitungsnotizen! Ja freilich. Die Zeitungen sind die Fundgruben und privilegirten Quellen für alle Indiskretionen. Das Gericht prüft erst nur und untersucht, aber die Zeitungen... das heißt, . das heißt, das Zeitungspublikum... die richten gleich. Also Frau Chladek ist schon gerichtet? Apropos, was wissen Sie von der Geschichte?"

" 1

, Chladek nebenbei gesagt, mein ehemaliger Chef- hat sich irgendwo bei Chrudim   angekauft. Er wollte sein Geschäft als Unternehmer aufgeben und von seinen Renten leben. Bei dem Rechnungs­abschluß hat sich nun herausgestellt, daß ein preußi­scher Geschäftsfreund dem Chladef recht empfindliche

feige, da liebt sie sich selbst viel zu sehr. Kommt es zu einer Katastrophe, brennt sie durch und läßt den Galan in der Klemme und wird sich noch freuen, daß sie so glücklich entschlüpfte. Und dabei bleibt sie nicht nur vor der Welt, sondern auch vor sich selbst eine rechtschaffene, tugendhafte Frau und bringt es noch fertig, darauf stolz zu sein."

Sie bestätigen durchwegs meine Wahrnehmungen. Ich danke Ihnen," sagte der Assessor. Solcher Frauen, wie Sie sie geschildert, giebt es leider übergenug. Sie sind vielleicht schuldig vor ihrem Gewissen, aber nicht vor dem Gesez. Wir werden sie freilassen müssen...."

Die nach den Bahnbureaur führende Thür wurde leise geöffnet, und in den Saal trat ein Beamter, mit der rothen Miiße auf dem Kopfe.

Assessor Vogt zog die Augenbrauen in die Höhe und sah den Beamten fragend an.

Dieser gab mit dem Kopfe ein verneinendes Zeichen, musterte neugierig die Schlafenden und dann den Assessor.

Der preußische Gerichtsbeamte fühlte keine Lust, die Neugierde des Mannes mit der rothen Müze zu befriedigen, und ignorirte seine Blicke. Dieser zog sich langsam wieder zurück und verschwand.

"

vollends

Eine geraume Weile blieb Alles wieder ruhig. , Ein Viertel auf 3wei. Ja freilich, um diese Stunde steht Niemand gerne auf, und.. wegen solcher..." brummte, mehr für sich, der Assessor.

"

Entschuldigen Sie. Ich habe Sie nicht vers standen," sprach der in seinem Schlummer gestörte Ingenieur.

"

Schadet nichts.... Ich stelle nur so meine Betrachtungen an über den sonderbaren Weihnachts­abend heute. Sonderbar für uns, und erst fiir ste. Es werden heute nicht Viele sein, die nicht wenigstens einen frohen Sinn und irgend eine bes scheidene Freude mit hinüber nehmen in ihren Weih nachtsschlummer und wir... Hier.

"

Die Worte des Assessors erstarben in einem lei en Gemurmel. Er heftete einen langen Blick auf Cele styne, dann strich er sich ein paar Mal über die

Stirne.

" Ja, wir Beide freilich, sitzen hier wie auf Kohlen,

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