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Die Neue Welt. Jlluftriertes Unterhaltungsblatt.
hatte er fie getroffen, als ihn feine Mutter zu ben Haselnußschluchten mitgenommen hatte. Sle machten aber bald einem Dugend neugieriger junger Quälgeifter Platz. Sle fchloffen einen Kreis um ihn, zeigten auf ihn mit Fingern, zogen ihm Fragen und pufften und zwickten ihn. Erst hatte er Angst und ließ sich den Schabernac eine Weile gefallen, dann padte ihn plößlich die But, und fragend und beißend sprang er auf den Frechsten der Bande los. Es war Häng. ohr". Er hatte ihn so benamst, weil er nur eln Ohr aufrecht stellen fonnte; das andere hing, wohl infolge eines früheren Unfalls. Schlaff und bewegungslos herab.
Die beiden befamen sich zu paden und balgten sich nun herum wie richtige Bengels. Sie fragten und bissen sich, rissen sich die Haare aus, rangen miteinander und warfen sich gegenseitig zu Boden.
" Großzahn" war zuerst im Vorteil, mit einer Art Nackengriff glaubte er des Oegners Herr werden zu können. Die Freude bauerte aber nicht lange. Hängohr" wußte fich zu helfen und bearbeitete so mörderisch den Leib seines Gegners, als wolle er ihm fämiliche Eingeweide heraustrommeln. Das half. Schließlich ließen beide los. Doch bald begann die Rauferei von neuem.„ Hängohr" war wohl ungefähr um ein Jahr älter, aber„ Großzahn" ver Heh fein Zorn Riesenfräfte. Auf einmal nahm, Hängohr" doch Reißaus. Großzahn" jagte hinter ihm drein und trieb ihn den Trinfplätzen zu. Doch ber andere, mit der Gegend verhaut, rannte am Waffer entlang, auf einem anderen Beg die Böschung hin,
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auf, quer über den Plaß und stürzte sich in eine Höhle mit weitem Eingang. Groß Bahn" ihm immer auf den Fersen, stürzte fich gleichfalls in den dunklen Schacht. Doch da befiel ihn ein großer Schrecken, und winselnd rief er nach seinem Gegner. Die ser schnatterte voll Spott, sprang ungesehen im Dunkel auf ihn zu und überrannte ihn. Doch ließ er es zu feinem weiteren Handgemenge fommen, sondern machte sich aus bem Staube." Großzahn", der noch nie In einer Höhle gewesen war, faßte Mut und sah sich darin um. Er befand sich zwischen Hängohr" und dem Höhleneingang. Hier fonnte dieser also nicht hinaus. Trotzdem war er aber verschwunden. Großzahn" horchte, tonnte aber den anderen nirgends entdecken. Verwundert setzte er sich an den Eingang hin und lauerte.
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Heraus fonnte er also nicht, davon war er überzeugt, und doch hörte er ihn nach ein paar Minuten dicht neben sich fichern. Wieder setzte er ihm nach, als der andere in die Höhle zurückflüchtete, fehrte aber doch dann an den Eingang zurüd, setzte sich und wartete wieder. Sein Gegner fam auch jetzt nicht heraus und doch nach furzer Zeit ficherte er wieder in nächster Nähe des verdußten Großzahns", der ihn nun zum brittenmal in die Höhle zurücktrieb. Nachdem sich das noch einige Male wiederholt
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hatte, ging Großzahn" tiefer in die Höhle hinein und fuchte ihn,- aber vergeblich. Er begrff nicht, wie ihm der andere immer entschlüpfen konnte. In der Höhle war er nicht, heraus fonnte er nicht, und doch war er dann plötzlich hinter ihm und foppte ihn. So wurde allgemach aus der Rauferei ein unterhaltendes Versteckenspiel, das sich den ganzen Rachmittag, mit leinen Unterbre chungen, fortsetzte und endlich zu einer freundschaftlichen Annäherung führte.„ Hängohr" rannte nicht mehr vor ihm davon, und bald faßen die beiden mit verschlungenen Armen eng beieinander. Dann entdeckte Ihm Hängohr" auch das Geheimnis der Höhle Er nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinein. Sie war durch einen engen Spalt mit einer anderen Höhle verbunden. Die beiden Jungen schlüpften hindurch und kamen durch den Nebenraum wieder ans Tageslicht.
Schnell wurden sie nun gute Freunde. Wenn die anderen Bengels sich zu neuen Quälereien zufammentaten, war Hängohr"
von jeßt ab fein Berbündeter bei Abwehr und Angriff. Und sie beide besorgten es ben anderen ein paarmal jo gründlich, daß diese sie von da an ganz in Ruhe ließen. Hängohr" führte den Freund in der gan zen Ansiedlung herum. Freilich war es ver. schwindend wenig, was er ihm über Sitten und Gebräuche mitteilen founte; dazu reichte der Wortschatz nicht. Aber Großzahn" hatte die Augen offen und lernte so mehr.
So wanderten die beiden zusammen auf den großen, freien Platz und dann in den nahen Wald, wo hängohr" dem neuen Freunde unter den hohen Bäumen einen Grasplatz zeigte, auf dem langwurzelige Rüben wuchsen, die sie sich schmecken ließen. Dann nahmen sie einen frischen Trunk aus dem Flusse und wandten sich auf dem Uferpfad wieder den Höhlen zu.
Auf diesem Wege fam ihnen„ Rotauge" entgegen. Sängohr". der ihn fommen say drückte sich schnell beiseite und duckte fich dicht unter den Uferrand. Unwillkürlich tat " Großzahn" das gleiche. Als er sich dana nach dem Grunde von des anderen Furcht umfah, erblickte auch er den linhold, der mit finsterem, grimmigem Ausdrud seiner entzündeten Augen großspurig mitten auf dem Weg einhertrollte. Großzahn bemerkte auch, daß alle die anderen Kinder sich eben
falls vor ihm versteckten, während die Erwachsenen ihn bei seinem Nahen vorsichtig beobachteten und ihm lieber auswichen, um thm Platz zu machen.
Als die Dämmerung herniederfant, lag der große Platz einsam und verlassen. Die Boltsgenoffen suchten für die Nacht Schuh in den Höhlen. Hängohr" zeigte dem Freunde den Weg zu seinem Lager. Sie fletterten hoch hinauf in den Klippen, höher als all die anderen Höhlen lagen. Dort wintte ihnen ein schmaler Spalt, der vom Fuße der Felsen aus gar nicht zu sehen war. In den zwängte fich hängohr". " Großzahn" folgte mit einiger Schwierig teit so eng war der Eingang und befand sich gleich darauf in einem fleinen Felsengemach. Es war arg niedrig, kaum ein paar Fuß hoch und drei bis vier Fuß in der Länge und Breite. Es langte grade für die Jungen. Hier, eng umschlungen, einer im Arm des anderen, schließen sie die Nacht über.
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Die Höhlen mit weiten Eingängen waren nicht bewohnt; fie dien ten nur den dreifleren Jungen als Spielplätze. Nur die schwer zugänglichen, engipaltigen Höhlen wurden als Wohnräume be nüßt; je enger der Eingang war, um so gefchägter die Höhle; denn die nach- Beute streifenden Raubtiere machten ihnen bei Tag und Nacht das Leben fauer. Gleich am näch ften Morgen fonnte fich„ Großzahn" von dem großen Vorteil dieser engen Höhlenpforten überzeugen. Beim ersten Morgengrauen schlich„ Säbelzahn", der alte Höhlen. tiger, über den Platz. Zwei von der Herde, die sich schon hinabbegeben hatten, flohen schleunigst zurück. Hatten sie nun in der Angst den Kopf verloren, oder war ihnen das Untier zu dicht auf den Fersen, furzum, statt in den höheren Fellen in den engen Höhleneingängen Schutz zu suchen, stürzten fle fich in die weite offene Höhle am Fuße der Klippen, in der die Jungen tags zuvor gespielt hatten. ( Fortlegung folgt.
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Der Krieg der Chemiker.
Bon Hans Sybel.
Der gegenwärtige Krieg hat fo ziemlich alles mobil gemacht, was wir uns an Wihen und Können errungen haben. Der Technifer ist angetreten; der Naturwiffen. schaftler findet seine Aufgaben; der Mathematiter entfaltet seine Formeln; der Dichter besteigt kühn das Flügelroß; der Philosoph hat seine stille Denfertlause verlassen, um über die großen Weltfragen draußen nach zudenfen. Treffend schreibt R. Beule in feinem reichhaltigen Büchlein über den Krieg in den Tiefen der Menschheit", daß für alle Zeiten und alle Bölfer der Sazz geile, daß die Kriegsmittel flets den jewei ligen Gipfel aller technischen Errungenschaften darstellen, und man tann wohl überhaupt fagen, daß im Kriege alles zum Ausdrud fommt, was ein Bolf gelernt hat. Das Arsenal der Waffen in den ältesten
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