Nr. 27 Illustriertes Unterhalkungsblakt t9lS L\jox fcl) i cht I i'ch R o m a n v o zoch davon ließen sich„Großzahn" und„yängohr" nichts träumen, als sie sich plötzlich im Feindes- lager befanden. Ihr erster Ge- dante war, sich schleunigst aus dem Staube zu machen. Sie drückten sich leise beiseite und spähten neugierig nach dem Dorfe ihrer Hauptfeinde zurück. Zum ersten Male erblickten sie die Frauen und Kinder des Feueroolks. Die Kinder liefen meist nackt umher, die Frauen waren mit Tier» fellen bekleidet. Das Feuervolk wohnte st» Höhlen, genau so wie„Großzahns" Volksgenosien. Der offene Platz vor den Höhlen neigte sich sanft nach dem Strome zu. Viele kleine Feuer brannten auf dem Dorfplatze. Diese wurden wohl zum Kochen benutzt, doch konnten die beiden Jungen dies« Kunst bei dieser Ge- legenheit nicht beobachten. Wie das Höhlen- voll, so trugen auch diese Feuermenschen Wasser vom Flusie in hohlen Kürbissen herauf. Eine große Menschenmenge wogte hin und her über den Platz, und die Frauen und Kinder machten viel Lärm. Viele Kin- der spielten und gebürdeten sich genau so wie die Kinder in„Großzahns" Dorf. Die Kinder des Feuerstammes sahen übrigens den Kindern des Höhlenvolres viel ähnlicher als die Erwachsenen gegenseitig. „Großzahn" und„Hängohr" hielten sich nicht lange auf. Einige halbwüchsige Bur- schen des Feuerstammes übten sich mit Pfeil und Bogen. Die beiden Freunde schlichen in den Urwald zurück und suchten den Strom wieder auf. Dort fanden sie ein kleines Floß, ein wirkliches Floß, offenbar das Werk eines Feuermenschen. Die beiden Baumstämme waren klein und gerade und wurden zusammengehalten durch Querhölzer und zähe Wurzelfasern. Beide Abenteurer verfielen bei diesem willkommenen Anblick auf dieselbe Idee. Sie wollten aus dem Gebiet des Feuer- volles entfliehen. Wie konnten sie das besser als durch Uebersckreiten des Stromes auf diesem Floß? Sie sprangen aus die Stämme und stießen ab. Irgend etwas gab einen plötzlichen Ruck und schleuderte das Floß stromabwärts gegen das Ufer zurück. Der Ruck kam so unerwartet und heftig, daß die Jungen beinahe ins Wasser gefallen wären. Das Floß war mit einem aus gedrehten Wurzeln verfertigten Tau an einem Baum festgebunden. Schnell banden es die Inn - gen los und stießen zum zweitenmal ab. Ehe sie in die Mitte de« Stromes ge- langten, waren sie von der Strömung so- weit fortgerissen worden, daß sie sich direkt vor dem Feuerdorf befanden. So beschäf- tigt waren sie und so vertieft In ihr Rudern und ihr Ausspähen noch dem jenseitigen Ufer, daß sie ihre gefährliche Lage nicht eher merkten, als bis ein lautes Geschrei hinter ihnen sie darauf aufmerksam machte. Sie wandten sich hastig um. Da war das Feuer- O. Delling: Alt-Berlin, Am Nikolai- kirchplatz. oolt. In großen Gruppen standen sie am Ufer, laut gestikulierend und nach den Aben- teurern weisend. In Scharen kamen noch andere aus den Höhlen. Die beiden Freunde vergaßen ihr Rudern und betrachteten die Menge. Ein großer Lärm erhob sich am Lande. Einige Feuermänner schössen ihr« Pfeile auf die Jungen ab. Ein paar davon fielen in der Nähe des Flosses nieder, aber die Entfernung war zu weit für die Schützen. n �acFvtonöo vr Gortleftun«.) Es war ein Tag großer Ereignisse für die Wagehälse. Im Osten bedeckte der von ihnen angelegte Waldbrand den halben Him« mel mit einem schwarzen Mantel. Und nun saßen sie hier in völliger Sicherheit auf dem breiten Flusse und fuhren an dem befestig« ten Dorfe des Feuervolkes vorbei. Ein un- widerstehliches Lachen überkam sie, während sie sich von der Strömung davontragen ließen. Nach Süden, dann nach Südosten und Osten, ja selbst nach dem Nordosten umschwingend, trieben sie dahin, dann wie- der nach Osten, Südosten, Süden und Westen herum. Der Strom machte hier eine große Doppelkuroe und band sich fast selbst in eine Schleife. Bald war das Feucrvolk außer Sicht. Das Landschaftsbild wechselte. Und nun trauten die Jungen kaum ihren Augen. Die Umgebung sah plötzlich bekannt aus. Dork war ja wahrhastig ihr alter Trinkplatz, von dem aus sie so oft die wilden Tiere beobach- tet hatten, wenn sie zum Trinken aus dem Urwalds kamen Jenseits , das wußten sie, war das Nllbenfeld. und noch weiter fluß- abwärts waren die Höhlen und ihr alter Dorfplatz. Da kamen auch schon einige Frauen und Kinder der Horde in Sicht, die in ihren Kürbissen Wasser holten. Beim Anblick der Abenteurer auf dem Floß liefen alle davon, eine Reihe weggeworfenen Kür« bisse im Stiche lassend. Die Jungen landeten. In der Eile oer« gaßen sie natürlich, das Floß festzubinden, das nun lustig den Strom hinnbtrieb. Sehr vorsichtig schlichen sie einen Pfad hinauf. Das Volk hatte sich in den Höhlen verkrochen. Nur hier und dort ließ sich ein Gesicht im Halbdunkel der Eingänge sehen. Von„Rest- auge" war kein Anzeichen zu erblicken. Die Jungen schlichen nach ihrer eigenen kleinett Höhle hinauf. Zuerst mußten sie ein Paar kampflustiger Jungen hinauswerfen, die in« zwischen davon Besitz genommen hattett. Dann machten sie es sich zu Hause bequem und schliefen nach langen Irrfahrten zum erstenmal wieder sicher und bequem in ihrer guten alten Kammer.— Die Monate kamen und gingen. Labe- kümmert um die Drohungen der Zukunft knackten die Jungen Nüsse und lebten in den Tag hinein. Die Nüsse waren In diesem
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35 (7.7.1918) 27
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