7lr. 29Illustriertes Unterhaltungsblatt1918iHm v o r<5 q fei) T cl)t 1 TeV) Roma n von der allen Lieblingsgegend beimBlaubeerenried, wo„Großzahns*Mutter wohnte, und wo er und.Hängohr" einmal ihr erstes Nestgebaut hallen, traf er die.Flinke"wieder. Die Begegnung kam ihm ganz un-erwartet- Er halle unter einem großenBaume Hall gemacht und hörte plötzllch diebekannten sanften Laute. Er blickte überraschthoch- Die„Flinke" saß auf einem Ast,schaukelte sich und lachte ihm zu.'„Großzahn" stand wie angewurzelt undtraute seinen Augen kaum. Ihr Anblickmachte ihn sehr glücklich. Dann mischte sicheine gewisse Unruhe und Pein in sein Glück.Er kletterte auf den Baum, sie aber zog sichneckend zurück. Er jagte ihr nach, doch alser schon glaubte, sie haschen zu können,sprang sie nach dem nächsten Baum hin»über und schaute nach ihm durch das Blät-tergewirr. Dann lockte sie ihn wieder mitweichen Lauten. Cr sprang auf sie zu, dieJagd ging weiter, und bald fear die Situation wieder die gleiche. Sie war ihm wiederentwischt und lachte ihn neckisch aus derBlätterlaube des nächsten Baumes an.Es kam„Großzahn" zum Bewußtsein,daß sich seit den alten Spieltagen etwas inihm geändert hatte. Er verlangte heftignach ihr, und dies Verlangen kam ihm klarzum Bewußtsein. Sie merkte dies offenbarauch. Darum ließ sie ihn nie nahe genugheran. Er vergaß ganz und gar, daß siein der Tat die„Flinke" war, und ihn imBäumeklettern unterrichtet hatte. Rastlosverfolgte er sie von Baum zu Baum, undsie hielt ihn immer neckisch von sichfern, obschon sie ihn dabei freundlich an-blickte, ihn sanft lockte und nur eben außerReichweite verführerisch auf und abtanzte.Je mehr sie ihn hinhielt, um so eifrigerstellte er ihr nach. Aber die langen Nach-mittagsschatten fanden ihn noch immer beiseiner vergeblichen JagdWährend dieses Liebessplels hatte„Groß-z-thn" genügend Gelegenheit, in seinenRuhepausen vom nächsten Baum aus Be-trachtunaen über die„Flinke" anzustellen.Sie hatte sich ebenfalls verändert. Sie wargrößer, schwerer geworden und sah reiferaus. Ihre Formen waren abgerundeter,ihre Muskeln voller. Ein unbestimmtesEtwas, das ihn an ihre Reife mahnte,- waran ihr neu und reizte ihn. Drei Jahrelang war sie verschwunden gewesen, min-bestens drei Johre: vielleicht waren es so-gar vier gewesen. So genau konnte sich„Großzahn" keine Rechenschaft geben. Aberdie Veränderung an ihr war deullich.Wö sie gewesen war, warum sie oer-schwand, und was ihr während ihrer Ab-Wesenheit zugestoßen war, konnte„Groß-zahn" freilich nicht erfahren. Sie konnteihm nichts darüber mitteilen, ebensowenigwie er selbst und„Hängohr" dem Vollehätten erzählen können, was sie auf ihrerlangen Fahrt erlebt hatten. Vielleicht hallesie eine ebenso abenteuerliche Reife hintersich, wie die beiden Jungen. War sie etwaganz allein seinen Spuren gefolgt? Mög-lich ist auch, daß sie dem bestialischen„Rot-auge" ausgewichen war. Wahrscheinlichhalle der Unhold das Mädchen zuweilenbeim �Umhcrstretchen erblickt und war ihrnachgelaufen. Das wäre sicherlich ein guterGrund gewesen, um sie aus der Gegendzu vertreiben. Bei näherem Zusammen-leben mit ihr kam„Großzahn" im Laufeder Zeit auf den Gedanken, daß sie weitnach Süden fortgewandert war, über eineBergkette.und am User eines fremdenFlusses entlang, fern von ihrer eigenenArt. Viele Baummenschcn lebten dortunten, und diese waren es wohl, welche siewieder nach der alten Heimat zurückgetrie-ben hatten.Die Schatten wurden immer länger, alser so dasaß und sie sinnend betrachtete. Soeifrig er auch seine Jagd fortsetzte, er konntesie nicht einholen. Sie gab sich den An-schein, als machte sie verzweifelle Anstren-gungcn, um von ihm fortzukommen, da-bei hielt sie sich aber mit Leichtigkeit immergerade aus seinem Bereich. Er vergaßschließlich olles— die Zeit, das Nahen derNacht, die Raubtiere. Cr war liebestrunkenund dabei auch ärgerlich, weil-sie ihn nichtnäher kommen ließ. Zorn und Liebe strit-ten in ihm um die Herrschaft, und. schließlich-stachelte der Zorn nur um so starker seinVerlangen an.Er wurde gleichgültig gegen alle Ge-fahren. Beim wilden Rennen.über eineLichtung sprang er mitten in einen Schlau-n? o n ö oGorUetzuNg.)genknäuel hinein. Es war ihm ganz Ne-benfache. Sein Blut kochte. Die Schlangenschnappten nach ihm, doch er wich ihnenaus und rannte weiter. Auf einem Baumbegegnete ihm eine große Pythonschlange.die ihn unter gewöhnlichen Umständen krei-schend auf die Baumwipsel gejagt habenwürde. Die Schlange trieb ihn auch wirk-lich hoch auf den Baum hinauf. Doch die„Flinke" schien außer Sicht zu kommen.Er sprang auf den Boden mit einem Satz,der ihm sonst vielleicht den Hals gebrochenhätte. Dabei hätte ihn die Schlange bei-nahe erwischt. Sein alter Feind, dieHyäne, fand sich ebenfalls ein. Sie schloßaus„Großzahns" Benehmen, daß irgendetwas im Gange war, und folgte ihm ftun-benlang nach. Einmal scheuchten die bei-den Liebenden eine Herde Wildschweine auf,und diese schlössen sich der Jagd an. Die„Flinke" machte einen weiten Sprung vonBaum zu Baum.„Grohzahn" wagte diesenSprung nicht, und um auf dem Bodennachzufolgen, mußte er an den Wildschwei-nen vorbei. Cr zögerte keinen Augenblick.Dicht neben einem Schwein sprang er aufdie Erde, und die ganze Herde setzte ihmnach, schnitt ihm verschiedene Male den Vor-sprung ab und zwang ihn, auf Umwegenüber die Bäume seiner Liebsten zu folgen.Endlich mußte er doch wieder zur Erdeseine Zuflucht nehmen. Er lief seitwärts,dann quer über eine Lichtung, die ganzeHerde grunzend, mit knirschenden Hauern»und gesträubten Borsten, ihm auf den Fer-fen. Wäre er' gestolpert oder gestürzt, sowäre es um ihn geschehen gewesen. Aberer fiel nicht: er ließ es ruhig darauf ankam-men. In seiner augenblicklichen Stimmunghätte er es selbst mit dem alten„Säbel-zahn" aufgenommenn. Ja, ein TruppFeuermensihen mit Pfeil und Vogen hätteihn. nicht bekümmert. So liebestoll war er. fDie„Flinke" dagegen behielt ihre Be-sinnung. Sie war schlauer. Sie gab sichkeine unnötigen Blößen. Während„Groß-zahn" von den Wildschweinen gejagt wurde,entfernte sie sich nicht well von ihm, sondernwartete, bis er ihr wieder ungestört folgenkonnte. Auch hielt sie immer dieselbe Rich-tung ein.Endlich kam die Dämmerung. Die-