150Die 9?fiic Tßdi. Illustriertes Unterhaktungsblatt.Salzwasier: hier schwimmen nur Goldfischcl„Das also ist das Ende des Festes,—das der Lohn für meine Ritterlichkeit!"mußte ich denken. Es geschah mir freilichrecht. Ich besaß keinen Eigenstolz: ich hattemich sa mit Leib und Seele einem unsteten.tyrannischen, eitlen Mädchen ergeben, Ma»rias Augen zum Spiegel meines Wertes ge-macht. Dieser Spiegel zeigt mir setzt mitFug eine verächtliche Kreatur.Gedemütigt wie noch nie taumelte ichhinaus, von grimmigem Frost geschüttelt,wie der Sturmwind in eine lose Takelagefahrt. O daß ich. der Vernunft gehorchend,ohne Aufenthalt sortgestürzt wäre, dannhätte ich das Schlimmste, wovon eine lie-bende Seele getroffen werden kann, nichterleben müssen. Allein, was mir die Ent»täuschung an Menschenwürde noch ließ, daszerschlug mir die sichrasend aufbäumend«Eifersucht.Zähneklappernd intrauriger Ehrlosigkeitstellte ich mich drau-ßen auf der Lauer.Da die Stube hell er-leuchtet war, konnte Ichtrotz der angelaufenenScheiben jede Bewe-gung deutlich sehen:ich meinte sogar dieWorte und Blicke zuverstehen, welche dieBurschen mit den Mäd-chen wechlelten. Langebrauchte ich wahrlichnicht zu warten. Dieseinen Kavaliere moch-ten, um die.Neue'nicht einzuschüchtern,zuerst einige Zurück-Haltung beobachten.Doch nun legten zweidavon wieder keck denArm um Hals undHüsten ihrer Angebe-tele», und ein dritter— es war dies derSohn des Gießerei-besitzers Galusser, Student am Polytechnikum— nahm behutsam tändelnd MariosRechte. Ja, die Kerle verstanden sich vor-trefflich auf die Abrichtung von lockerenZeisigen und fühlten dabei wahrscheinlichweder moralische noch andere Hemmungen.Mir waren die Glieder steif gefroren:kaum konnte ich noch die Kinnbacken bewe-gen. Derweilen hatten die Verführer in derlustig kreisenden Punschkanne einen wackerenHelfer. Ich sah, wie Maria dem berau-schenden Getränk lebhast zusprach. Schonwarf sie den Kops manchmal übermütighintenüber: ihre Abwehr der zudringlichenHände ließ merkwürdig schnell nach, undendlich— die Hefe der Selbsterniedrigungblieb mir nicht erspart— sahen meine Au-gen das peinlichste Schauspiel. Was ich inIahren liebender Nachbarschaft nicht ge-wagt hatte, vollbrachte ein Räuber in kaumeiner halben Stunde. Unfaßbares Ge-schehenl Da stand ich nun, eine Cchildwachemeiner eigenen Schande... wie ein Stiervor den Kopf geschlagen— Brüllte ich nichtlaut»uf vor Wut? Oder««r das, wassich da zutrug, nur Traum, nicht Wirklich-keit? O. ein herzerstarrendes Winter-mörchen..An der Brust eines anderen lag meinetreulos holde Geliebte. Glücklich lächelndschien sie deflen Scherze zu erwidern, hinge-schmolzen in auserweckter Leidenschast: an-gefeuert von süßem Wein tauschte sie Kuhum Kuß mit dem Fremdling, der sie wohlnie zuvor beachtet und schon morgen wiedervergessen hatte. Der Teppich, auf dem ihrefrohen Füße tanzten, war ein treues ein-fältiges Herz.Ich brach nicht zusammen: auch derwüste Schwall von Mord- und Rachegedan-ken ging bald vorüber. Immer ist es dochdie Größe des Schmerze« und die wahr«Hingebung der Gefühle, was eine geprüfteSeele wieder aufrichtet. Nur der Durch-gänger greift zum Mesier. Armer Mensch,der du dich verraten fühlst und dem Ver-röter oder dir selber wutschäumend nachScheinwerferdem Leben trachtest, wirf weg die Klinge,halte stand den Schlägen, die aus dich nieder-sausen, und merke, daß du in der Schmiedebist, aus der die Feuerfesten hergehen!Einem alten Birnbaum, der nur nochein paar verkrüppelte Aeste gegen den kalt-flimmernden Himmel stieß, vertraute ich diegrausame Rot an. Ich hielt ihn wie einenteilnehmenden Freund umfangen und fühltebald, daß ich keinen anderen Trösterbrauchte. In seine steinhart« Rinde vergoßich meine gerechten Tränen. Wahrlich, wun-derbar ist solch Verströmen eines tiefenSchmerzes, wenn die Schleusen der Leiden-schaft aufgehen und ein zum Zerspringenheißes Herz die Kühle eigener Stärke, denStolz des Ueberwinders atmet.Alsbald schnallte ich mir meine Schlitt-schuhe an, und wild ausholend fuhr ich dieBahn zurück, auf der ich vorhin einen Früh-ling von Liebe in die winterliche» Lüftehauchte.Fast drei Jahre waren feit jener See-gefrörne vergangen, und diese Zeit bedeu-tele für mich mehr al, eine Prüfung in Her-zensnöten: sie brachte mir nach mühseligemRingen und Suchen Schritt für Schritt dieletzten Ausschlüsse über meine innere Be-stimmung.In einer, halllosen Stunde hatte ich dochdie Leidenschast entscheiden lasien. AusTrotz gegen die abtrünnige Geliebte, dienicht zu mir zurückkehrte, nahm ich eineStelle im Welschland an. und ohne Mariaein Wort zu sagen, mit dem Vorsatz, sie durcheinen kühnen Ausstieg zu beschämen, verließich Treustadt. Ja, eine stolze Rache wollteIch üben. Statt deffen mußte ich selbst fürdiesen Hochmut, der im Kern ja nur diu-tige Verzweiflung war, bitter büßen. Wieheiße« all die Berge, die ich seufzend er-klomm, die Flüsie, mit denen ich ziellosreiste, um meine Niederlage zu verschmer-zenl Ein Heide aus eigene Hand suchte ichdas txilcrenf Heil inder Natur und triebeinen wahren Sonnen»kultus. Es gab kaumeinen klaren Morgenoder Abend, an demich nicht meine wundeSeele vorder wunder»tätigen Erbcnmulterentblößt«:.Erlösemich!" Umsonst! Achtinnige Jahresringehatte die Liebe hinein-gebrannt— die konnteselbst dir Sonne nichtmehr tilgen. Die langehartnäckige Verbau-nung kostete mich vielNervenkraft: denn ichkonnte Maria, von dermir die Mutter zu-weilen Grüße bestellteund anflehende Nach-richt gab, nicht emenTag vergeflen. Wiemancher Beschützermuß das zu seinemKummer ersahren.Während er sich mitPausbocken einredete,der Herr im Spielezu sein, mertt« er einesTages, daß er denSchützling, der ihmden Abschied gibt, nichtmehr entbehren kann. Stiere mir nicht sodumm das Verhängnis an,.du Narr, sondernfrage dich redlich:.Was habe ich versäumt!"So ging es auch mir. Unter unjäglichenSchmerzen gewann ich den inneren Stolz,der keine Flaggen und Fanfaren mehrbraucht. Langsam rang ich mir die Erkennt-nis ab, daß ich keinerlei Rechte auf MariasLiebe und Treue hotte.Diese schien, wirklich mein« Freur-dschaslleicht zu entbehren. Es zeig!« sich nämlich— darin hatten sie also ihre Hoffnungennicht betrogen— daß auch die Herren derBleiche Gefallen an ihr fanden. Sie warsozusagen die Zierpuppe des Hauses und eineAugenweide für die Prinzipal«. Wenn dieKäufer von Paris. London und New Parkkamen, um die neuen Musterreihen zu sehenund Bestellungen zu machen, fo mußte diegewandte, mit gute» Manieren begabteMaria den anspruchsvollen Herren auswat-ten. Sie führte ihnen mit Lust und Graziedie seidengeftickten Roben, die Spitzen- und.Wullkleider vor und hat!« gewiß ebenso vielFreude an solcher Verstellung wie dieHerren Beschauer.