Rr. 8SBerlin, Donnerstag den 6. Juli18«S.IocialDtmoliwt.Diksc Zeitung erscheint täglichmit Ausnahmeder Sonn- und Festtage.Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins.Redigirt von I. B. v. Hofstetten und I. B. v. Schweitzer.Redaetion und Expedition:Berlin,Dresdnerstraße Nr. 85.Abonnement?-Preis für Berlin incl. Bringcrlohn: vierteljährlich 18 Sgr., monatlich ö Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Kijnigl. preubischen Postämtern 22>/s Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischcu DeutschBestellungen werden auswärts auf allen Postämtern, in Berlin auf der Expedition,ferner auf dem Centralburean der Expreß-Eompagnie, Scharrenstr. I, sowieauch unentgeltlich von jedem„rothen Dicnstmann" entgegen genommen.land IM/« Sgr., im übrigen Deutschland 1 Thlr. sfi. I. 45. sildd., st. I. 5V. öfter r. Inserate(in der Expedition auszugeben) werden pro dreigespaltene Petit-Zeile beiWähr.) pro Quartal. Arbeiter-Annoncen mit I Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 3 Sgr. berechnet.Agentur für England, die Evlonieen und die überseeischen Länder: Mr. Bender, 8. Litfle New-Port-Street, Leicester- Square W. C. London.Agentur für Frankreich; 0. A. Alexandre, St rassbjanrg, 5. Eue Brnlee; Paris, 2. Cour du Commerce Saint-AndnS-des-Arts.Politischer Theil.Deutschland.* Wien, 4. Juli.[Sur Krisis� ist nichtsNeues zu melden, als daß die deutsch-liberale cen-tralistische Partei, welche jetzt auch von einer un-anlastbaren„Rechlscontinuität"(der Februarver-fassun�) spricht, bereits ziemlich deutlich dem noch!(ar nicht endgültig bestehenden Mimstcrinm Oppo-ition macht. Nichts in der That ist geeigneter,das innere Chaos der trostlosen österreichischen Zu-stände bloßzulegen, als diese Krisis, bei der alleElemente sich regen und in hundertfachen Zungenreden. Ein sonderliches Vertrauen auf das Ge-lingen des neuen StaatscxperimcnteS, welches nun-mehr in Angriff genommen werden soll, ist bis jetztnoch nirgends hervorgetreten.Stuttgart, 4. Juli. sParlamentarisches.jDie Kammer der Abgeordneten beschloß in ihrerheutigen Sitzung 1) einstimmig, die Regierung zuersuchen, das Wahlrecht unter Aufhebung des Er-fordernisses des OrtsbürgerrechiS auf alle diejeni-gen Staatsbürger auszudehnen, welche für Kapita-lien, Renten, Dienst- oder Berufseinkommen Steuerentrichten; 2) mit 74 Stimmen gegen 5, die Re-gierung um Einführung der geheimen Stimmab-gäbe zu Ersuchen.Ausland.� Paris, 3. Juli. sSittliche Zustände.Orden. Die Pariser Deputzirten. Be-suche der englisch-französischen Panzer-Schiffe.j Im Senate wurde neulich bei Gele-genheit einer Petition über die Prostitution derVersuch gemacht, über die zunehmende Sittenver-wilderung in Frankreich ein ernstes Wort zu reden.Die allen Herrn beeilten sich jedoch, die Sitzungzum geheimen Comite zu erklären, so daß der Bc-richt der Prüfungs- Commission bei geschlossenenThüren erstattet und demselben die Veröffentlichungdurch den Moniteur versagt wurde. Der ältereDupin mußte seinen Köcher voll Pfeile, den er be-reit hatte, murrend wieder heimtragen, und hatjetzt seine Rede unter dem Titel:„Gutachten desHerrn General-Procurators Dupin, Senators, überden zügellosen Luxus der Frauenzimmer", als Ma-nuscript drucken und in Umlauf setzen lassen.„DiePolizei, das will ich meinen," äußert der alte Prac-ticus,„thut ihre Pflicht und hat von oben bisunten herunter genug zu thun; denn man sprichtwohl von den untern Klassen, aber von den höhernRegionen schweigt man still, da diese schwerer zuerreichen sind, obwohl sie nicht weniger in dieAugen fallen.... Das dringt(der LuxuS nämlich)in die unteren Schichten aus Nachahmnngssucht,auch aus Gleichheitssinn. Jede will so prächtigangethan sein, wie jede Andere. Lafontaine spöt-telt in seiner Fabel vom Frosch, der so dick seinwill wie der Ocbs; mit unfern jetzigen Modenhätte er leichtes Spiel; das Thierlein brauchte jabloß seinen Leib in die jetzt üblichen elastischen Um-risse zu hüllen, die es so dick machen würden, daßes sein Musterbild leicht erreichen würde...."Minder glücklich als jcnes Mal war der Senatam Freitage, wo ein anderer Satiriker, der Mar-guis v. Boissy, eine beißende Straftede gegen diein der französischen Männerwelt jetzt immer mehrüberhand nehmende Ordenswuth hielt. Um denScandal vollständig zu machen, entfaltete der Red-ner einen ganzen Raritälenkasten von Ordens-bändern der verschiedensten Farben— im Ganzen27 Stück—, eine Sammlung, die er, wie er ver-sicherte, von einem einzigen Kleide aufgelesen habe.Wer der beneidenswerlhe Inhaber dieses siebenund-zwanzigfach beordevtcn.PrachlgewandeS sei, sagte derehrenwerthe Senator nicht. Unter Anderem schwangder Marquis die Geißel über die Erfindung man-cher kleinen Potentaten, welche ihren Orden dadurchmehr Gewicht zu verleihen sich bemühen, daß sieallerlei und oft die allcrwunderlichstcn Kreuzesfor-men und Bandfarben-Zusammensctzungen erklügel-ten, damit das Ding recht in die Augen stäche.Die Herren Senatoren, die Anfangs bedenklicheGesichter machten, ließen dem Redner schließlichfreies Spiel, und die selbstbebänderten alten Her-ren lachten zuletzt auö vollem Halse und erklärtensich durch die echt gallische Galle des Marquis besiegt.— Die Deputirten von Paris, Carnol, Havin, Gue-rcult und Darimon, die für das Anlehen der Stadtgestimmt haben, werden im Temps ziemlich scharfmitgenommen. Dieses Blatt hebt hervor, wie dieRedactcurc des Eibele und der Opinion Nationalein ihren eigenen Blättern kaum wagen, ihr in derKammer abgegebenes Votum zu vertheidigen.—i Die gegenseitigeu Besuche der englisck-französischenPanzerschiffe geben der officiellen Welt viel zuschaffen. Admiral Laronciere le Noury ist heuteNachmittag um 4 Uhr vom Kaiser empfangenworden, um alle Einzelheiten festzustellen.� 4. Juli. sAmerika betreffend.) Die„Patrie" glaubt zu wissen, daß Frankreich und Eng-land im allgemeinen Interesse des Friedens undder Versöhnlichkeit sich in Einvcrständniß gesetzthaben über die Hauptpunkte, welche ans der Si-tuation der gegenwärtigen politischen Verhältnissein Amerika sich ergeben könnten.zch. London, 3. Juli. fWahlaufruhrin Nottingham. Lohnfrage der Neger.) Daman in Deutschland alles Ausländische bewundert,dürste der folgende Wahlkrawall eines englischenWahlmeetingS(nichts Seltenes!) von Juteressesein. Es wurde bekannt gemacht, daß die HerrnPaget und Morley, die liberalen Candidaten fürden Distrikt, mit Herrn Mason Jones, welcherkürzlich für Coventrh als Radikaler durchgefallenwar, am 26. Juui auf dem großen Markt zu Not»tingham zu ihren Wähler« sprechen würden, undi die Befürchtung circulirte, daß die Anhänger SirRobert Clision'S, des populären Kandidaten, denGeschäftsgang slörcn wollten, weßwegen man zurGegendemonstration eine große Menge Landvolkmit den Arbeitern der Herrn H. und R. Morleyin die Stadt kommen ließ. Ebenso wurden dieMeetings für die Stadtviertel abgehalten, welchein Proccssionen zum Markte zogen. Man ließ vonLincoln, Derby und dem Lande 120 Polizeimänncrkommen, weil man hinlänglich Ursache halle, einenAufruhr zu befürchten. Diese durch 70 Mann ver»stärkt, wurden in der Börsenhalle aufgestellt. Um>6 Uhr kam ein Eisenbahnzug mit 1000 MannWählern von Mansfield und eine Menge in derStationsstraße begann das Tagwerk mit Stein-werfen, welchem man sehr lebhaft entgegnete; mitMühe kamen jene auf den Markt, wo sie sich umdie Tribüne aufstellten. Sie waren die Zielscheibeeiner tobenden gesetzlosen Menge, welche sich vonallen Seiten her auf dem Platze versammelte. AusFurcht vor einem allgemeinen Aufruhr waren alleLäden geschlossen, und man brachte von Zeit zuZeit durch große Steine Verwundete zum allgemei-nen Spital. ES dauerte nicht lange und her wü-thende Haufe bemächtigte sich der Tribüne, welche'gänzlich zerstört wurde, zerbrochene Stücke trug manim Triumphe in den Straßen herum und aus denResten wurde ein großes Frcudenfeucr gemacht.Man bildete dann verschiedene Prozessionen undrangirte sie gegen den Marktplatz, welchejedoch jedesmal einzeln angegriffen und durcheinen Steinhagel zurückgeschlagen wurden. Inder Wheelcr-Gate-Straßc, welche zum Markte führt,unterhielt sich eine große Menge der Aufwieglermit der Steinigung des Comitalokals der HerrenPaget und Morley, während eine andere Abthei-lung, welche in diesem Cravall ein großes Ver-gnügen zu finden schien, gegen die Expreßofficezog und die Fenster der Häuser der Herren Syl-vester und Sweet in einer unglaublich kurzenZeit total zerstörte. Jetzt erst zogen starke Polizei-Abtheilungen gegen die Menge, welche an manchenStellen ohne Widerstand schreiend und tobend da-von lief; auf dem Markte aber wurden sie voncirca 5000 Mann mit einem starken Steinhagelempfangen, und man hatte große Mühe, d>eMenge auseinander zu jagen. Es wurde einDutzend der wüthendsten Stcinwerfer verhafte� undzur Börsenhalle gebracht, wobei 4 Polizeinianneram Kopfe stark verwundet worden sind. GegenAbend, als sich der Aufruhr schon gelegt hatte, kamdas Militair von Sheffield; ohngeachtet dessen warfman in der Nacht den Comitemitgliedern die Fen-ster ein. Am nächsten Morgen ließ man 20 derAufrührer, welche vor den Polizeirrath gebuchtwurden, unter der Bedingung, daß sie versprachen,„nichts mehr derart zu thun", wieder frei.— DieHerren Paget und Marley begaben sich darauf miteiner Deputation zum Polizeirath mit der Klage,daß die Polizei unterlassen habe, sie gegen Ttwatt-thaten zu schützen, und Herr Mundalla, ei« M't-glied der Deputation, sagte, dast es um 4 llhr der