Nr. 85.

Berlin  , Sonnabend den 8. Juli

1865.

Social- Demokrat.

Diese Zeitung erscheint täglich Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter- Bereins.

mit Ausnahme

der Sonn- und Festtage.

Redigirt von J. B. v. Hofstetten und J. B. v. Schweizer  .

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Redaction und Expedition: Berlin  , Dresdnerstraße Nr. 85.

Bestellungen werden auswärts auf allen Bostämtern, in Berlin   auf der Expedition, von jedem soliden Spediteur, bei der Expreß- Compagnie, Scharrenftr. 1, sowie auch unentgeltlich von jedem rothen Dienstmann" entgegen genommen. Inferate( in der Expedition aufzugeben) werden pro dreigespaltene Petit- Zeile bei Arbeiter- Annoncen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 3 Sgr. berechnet.

Agentur für England, die Colonieen und die überseeischen Länder: Mr. Bender, 8. Little New- Port- Street, Leicester- Square W. C.   London  . Agentur für Franfreich: G. A. Alexandre, Strassbourg  , 5. Rue Brulée; Paris  , 2. Cour du Commerce Saint- André- des- Arts.

Bestellungen auf das 3. Quartal werden der italienischen Regierung an die europäischen   Ka- Diese Anträge enthielten nichts weiter als die Aus­binete erlassenen Rundschreibens mitzutheilen. Wir führung der von Vegezzi bei seiner ersten Anwesenheit in bei allen Bostämtern noch fortwährend all- geben die von der Köln  . Ztg." gebrachten Angaben,

genommen.

Politischer Theil.

Berlin  , 5. Juli.

Heinrich von Bourton, den man Hein­ rich V.   von Frankreich   nennt, hat ein Manifest an die Arbeiter von Paris   gerichtet.

Man hat gefragt und erörtert, was in diesem Manifefte gesagt sei und man hat gefunden, daß es eine Mischung socialistischer und mittelalterlich­forporativer Gedanken enthalte.

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Aber nicht hierin, nicht im Inhalte des Ma­nifestes liegt seine Bedeutung was könnte Hein­rich von Bourbon uns neues fagen? Im bloßen Dasein, in der einfachen Eriſtenz des Documentes liegt Alles.

durch welche zum ersten Male ein flares Licht auf jene Verhandlungen fällt, die die Aufmerksamkeit von ganz Europa   auf sich gezogen haben, nach stehend fast vollständig wieder:

Die Darlegung beginnt mit Erwähnung des Brie­fes, welchen der Papst unter dem 6. März an den König Victor Emanuel gerichtet hat. Dieses Schreiben hatte die Aufgabe, der Sorge Ausdruck zu geben, welche in Nom die Verlassenheit so vieler bischöflichen Stühle her­vorgerufen hat, und zugleich dem vorgenannten Fürsten  den Wunsch an den Tag zu legen, daß eine Verständi­gung berbeigeführt werden möge, welche dem gegenwär­tigen Zustande ein Ende mache.

Da der Schritt des Papstes von der italienischen Regierung freudig begrüßt ward, so beeilte sie sich, den Commendatore Vegezzi als ihren Unterhändler nach Rom  zu senden, überzeugt, daß diese Wahl beiden Theilen die erwünschte Bürgschaft bieten müffe.-- Nach einer Audienz beim Papste und nach mehreren Zusammenkünften mit Cardinal Antonelli fam man so­gleich über die Punkte überein, welche Gegenstand einer Vereinbarung sein müßten.

Es war eine tausendjährige Tradition, es war die Erinnerung an eine dereinst ruhmvolle Ge­schichte, es war das Frankreich   der Bayards und Es waren die folgenden: 1) Rückkehr der von ihren der du Guesclins, das aus dem Munde Heinrichs Stühlen entfernten Bischöfe; 2) die Einsetzung der feit von Bourbon zu den Pariser   Arbeitern sprach. 1859 präconifirten Bischöfe; 3) die Ernennung von Vi­Freilich längst dahingegangen ist dieses schöfen in solchen Dioceſen, die ohne Oberhirt fich be­Frankreich längst nicht mehr ertönt der Ruf: finden. ,, Es lebe der König!" und die blutigen Wogen der Bewegung von 1789 find stolz dahingegangen über das königlichste Königthum der Erde.

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,, Le peuple de France est taillable et cor­véable a volonté"( das französische   Volk, d. h. das niedere Volk, fann mit Steuern und Frohnden nach Willkühr belastet werden) das war der Grundsatz jenes alten Frankreichs  .

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Und jezt kömmt der Vertreter dieses alten Frank­ reichs  , der Sprosse des ältesten Königsgeschlechts, und buhlt um den Beifall derer, die von seinen Vorfahren ,, nach Willkühr mit Steuern und Frohnden belastet" werden konnten.

Es liegt Ironie in der Weltgeschichte. Daß die Arbeiter von Paris  , die Soldaten der Ideen von 1789 und 1848, für die Lockungen des alten Frankreichs   taub find das wissen wir und bezweifeln es feinen Augenblick.

empfehlen.

Rom   abgegebenen Erklärungen. Der heilige Stuhl ver fannte auch keineswegs die Wichtigkeit der ihm in Bezug und da waren auch keine politischen Schwierigkeiten zu auf das Wesen der Fragen gemachten Zugeständnisse, befürchten.

Anders verhielt sich die Sache mit dem Eide und dem Exequatur. Eine in gewiffen Regionen Roms ver­theidigte und von bedeutenden Einflüssen unterstützte Meinung verlangte, daß diese beiden Bedingungen ver­worfen werden müßten, da sie wenigstens thatsächlich das Bestehen eines Königreichs Italien   anerkannten. Doch wurden fie der Prüfung der Congregation und mehrerer geistlicher Notabilitäten unterworfen, die sich nach ge pflogener Berathung gegen die Annahme aussprachen. Und Italien   soll der Eid und das Exequatur nicht blos in Bezug auf die seit 1859 annectirten Provinzen, son dern auch in Bezug auf die alten Provinzen verweigert bleiben.

So konnte das Einverständniß nur in Einem Punkte herbeigeführt werden, nämlich die Rückkehr der abwesen­den Bischöfe betreffend, über welche man schon eine freundschaftliche Vereinbarung bewerkstelligt hatte.

Hierauf wird bemerkt, bei solchem Sachverhalt habe Begezzi Rom verlassen müssen, es sei jedoch Aussicht auf Lösung der Frage sobald in Rom  die politische Voreingenommenheit verschwun­den sei."

* Wien  , 4. Juli  .[ 3ur Lage.] Eine andere der geistlichen Vorrechte des heiligen Stuhles zu den Staatsminister ist für's erste nicht zu erwarten. Herr Begezzi erklärte, daß seine Regierung bezüglich Ernennung außer der des Grafen Belcredi zum größten Zugeständnissen bereit, aber auch entschlossen sei, Das Ministerium wird zunächst bestehen aus dem die Rechte der Civilgewalt und der Krone zu wahren. Grafen   Mensdorff als Minister des Aeußern Die päpstliche Regierung ihrerseits erklärte sich bereit, und des Kaiserlichen Hauses, der auch noch den nicht bloß den Grundsatz der Einmischung der Regierung Borfizz im Ministerrath behält, aus dem Grafen in die Ernennung der Bischöfe anzuerkennen, sondern auch dieser das Recht zuzusprechen zur Umgestaltung der Belcredi als Staatsminister, v. Majlath als bestehenden Bezirke; sie würde bloß die nothwendige ungarischen Hoffanzler, dem Ritter v. Frand als Rücksicht und eine genaue Prüfung der Verhältnisse Kriegsminister, dem Baron Burger als Marine­minister, dem Grafen Moritz Eszterhazy als Was die Einzelnbeiten und insbesondere die Perso- Minister ohne Portefeuille, v. Mazuranic   als nen betraf, so schien keine Schwierigkeit zu befürchten. So erkannten denn auch Cardinal Antonelli und Hr. wird interimistisch durch den Unter- Staatssekretär croatischer Hoffanzler. Das Finanzministerium Vegezzi, es sei die Zeit gekommen, die Elemente einer Berständigung vorzubereiten, und der italienische Unter- v. Holzgethan, das Handelsministerium durch bändler kehrte nach Turin   zurück, um sich ausführliche den Sektionschef Frhrn. v. Kalchberg verwaltet und genaue Weisungen daselbst zu holen. werden, während die Besetzung des Postens eines gepflogen hatte, wurde für die demselben mitzugebenden Quesar und Baron Raule zu schwanken, das Nachdem das Cabinet mit seinem Gesandten Rath Justizministers noch zwischen dem Staatsrath Weisungen die folgende Grundlage festgefeßt: Polizeiministerium aufgelöst zu werden scheint und Die Rückkehr der abwesenden Bischöfe wurde im bie siebenbürgische Hoffanzlei einstweilen dem Bice­Allgemeinen gestattet und nur mit Borbehalt solcher Aus- fanzler Frhrn. v. Reichenstein überlassen wird. nahmen und Beschränkungen, welche beide Theile als fanzler Frhrn. v. Reichenstein überlassen wird. begründet erkennen würden. Eben so wurden die bereits In Bezug auf das Programm des neuen Mini­präconifirten Bischöfe mit ganz geringen Ausnahmen fteriums wird berichtet, daß es nichts Zufälliges angenommen. war, wenn der Ministerwechsel mit der amtlichen follte sie auf diejenigen Sprengel beschränkt bleiben, die leitet wurde. Damit sollte vielmehr ausgesprochen Was nun die Ernennung neuer Bischöfe betreffe, so Ernennung v. Mailath's zum Hoffanzler einge nach einer bevorstehenden Revision der Bezirke erhalten werden, daß an der Spiße der neuen Politik das bleiben würden. Die königliche Prärogative des Eides Programm Majlath's stehen und daß die neue und des Exequatur blieben vorbehalten, ganz so, wie sie Minister- Combination nach diesem Programm voll­* Berlin  , 5. Juli  .[ Zum Abbruch deren Bestimmungen bes in Kraft beſtehenben öffentlichen 30gen wird. Berschmelzung des Oktober- Diploms Unterhandlungen zwischen Rom   und Ita- Rechtes. Doch sollte bei der Amendirung jebe Verlegung mit der Februar- Verfassung", das ist Majlath's lien] ist die Köln  . 3tg." in die Lage gefeßt, in der päpstlichen Empfindlichkeit und jede sineinziehung Euphemismus für die Verfassungs- Modifikation. genauer Weise den Inhalt eines dieser Tage von von politischen Fragen vermieden werden. Und wie das zu verstehen ist, darüber berichtet man

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Mögen aber durch solche Zeichen der Zeit, wie bas Manifest Heinrichs von Bourbon ist, die Ar­beiter allerwärts in der Erkenntniß erftarken, daß von allen Seiten ihre Sache als die Sache der Zukunft erkannt ist.

Die Sache der Zukunft aber wird auf eigenen Füßen stehen und sich nicht wegwerfen an irgend wen, wer es auch sei.

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