heil suchte, welches überhaupt daS individuelle Seelenheil zur Voraussetzung und zum Ziele hat. Dennoch gelang es bis jeyt den Anhängern des ZellengefängnißspstemS in Frankreichs , mit offener Verletzung des Gesetzes vom 5. August 1850, die Unmündigen, welche zu einer längeren Haft ver- «riheilt wurden, dem amerikanischen Pönitentiar- shstem zu nmcrwerfen. Die Umwandlung des Ge- fängiiisseS La Roquette in ein Zellengefängnift datirl dom Jahre 1837 und gegen das Jahr 1840 wen- dete man schon die isolirte Einsperrung bei Tag Und Nacht auf alle verurthcilte Unmündige an. Grade um dieselbe Zeit aber wurde daS diametral entgegengesetzte System in einer von Demeh ge- gründeten ländlichen Strafcolonie, wo gemeiuschafl- lich Ackerbau- und Industrie- Arbeiten betrieben Verden , in Anwendung gebracht. Mettray wurde im Jahre 1839 gegründet. Bald wurden nach dieser Musteranstalt, die herrliche Resultate lieferte, ähn« liche Colonieen für junge Sträflinge in der Nähe »on Marseille , Toulouse und andern Städten durch den Staat, sowie freie Colonieen zur Erziehung derwahrloster Kinder angelegt. Eine vergleichende Statistik der genannten ländlichen Strafanstalten Vit La Roquette hat längst die Superiorität der ersteren bewiesen. Aber erst nachdem JuleS Simon feine Stimme im gesetzgebenden Körper gegen die ebenso schädliche und grausame, wie ungesetzliche Anstalt von La Roquette erhoben und in der gan- Jen demokratischen Presse ein Echo gefunden hatte es war dies um die Mitte des Juni— geruhte S. M. der Kaiser, eine Untersuchungscommission v dieser Angelegenheit, und I. M. die Kaiserin lur Präsidentschaft dieser Commission zu ernennen. Die Letztere besuchte, wie ich Ihnen im vorigen Monate berichtete, selbst das Zellengefängnijj und liberzeugte sich von der Verkehrtheit und Grausam- ieil dieses Pönitentiarsystems. Sofort begann die Kommission ihre Arbeiten. DaS Resultat ist jetzt in einem vom Moniteur veröffentlichten Berichte des Depulirten Matthieu bekannt gemacht. Zu- fällig oder nicht, die Stimmen waren in der Kommission getheilt, sechs für, und sechs sge- Kn die Aufrechthaltung des bestehenden Systems den La Roquette, und da die präsidirende Kaiserin (ich den Gegnern anschloß, so ist daS System verworfen, und es wird nächstens in der Nähe von Paris eine ländliche Arbeiterkolonnie nach der Mu- iteranstalt von Mcttray für die jungen Sträflinge Angelegt werden, wo diese gemeinschaftlich Feldbau und die damit zusammenhängenden Industrien un» � ter der Leitung geeigneter Aufseher betreiben kön- i neu. Liest man den Bericht der Commission, so I hat man in mehr als einer Beziehung Ursache, sich über den Triumph der gemeinschaftlichen Arbeit über das Jsolirungssystem zu freuen. Erstens zeigt die statistische Zusammenstellung der moralischen Re- sultate, welche in einem laugen Zeiträume(20 bis 25 Jabre) durch das Jsolirungssystem einerseits, und die gemeinschaftliche Arbeit andrerseits erreicht wurden, welchen enormen Vorzug die Letztere über i das Erstere für die Ausbildung des Menschen hat. Der Procentsatz der nach der Freilassung wieder I rückfällig gewordenen Individuen war in La Ro- 1 quette ungefähr drei Mal so groß, als in den� Strafcolonieen bei Marseille , Lyon, Ronen, Tou-> louse:c., oder in den freien Colonien, sämmtlich nach dem Muster von Mettray eingerichtet, obschou ein Vergleich der Lebenslage und Äntecedentien der jungen Leute und ihrer Familien sowohl in mora- lischer wie geistiger Beziehung zu Gunsten der Sträflinge von La Roquette ausfällt, welche unter- richleier und weniger bemoralisirt waren, als jene der Colonieen, zur Zeit, als sie ihre Strafe antra- len. Sodann ist die Einführung wirklicher Er- ziehungSanstallen statt Strafanstalten ein Zeichen vom allmähligen Siege humanerer und gesunderer Jdeeen im Criminalsysteme. Endlich ist daS gänzliche Aufgeben der ZeUengefängnisse als CorrektionS- und Strafanstalten ein sicheres Symptom vom Un- tergauge der individualistischen Principien der Bourgeoisie, welche seil der Reformation mehr und mehr zur Herrschaft gelangt waren und im Zellensystem ibren Blüthestand erreicht hatten. Auch ist der Com- missionsbericht durch die Logik der Thatsachen ge- nöthigt anzuerkennen, daß die Gesellschaft unter ge-! wissen Umständen die Familie ersetzen kann und muß; und daß sie dieselbe mit Vortheil ersetzt, geht schon aus dem Umstände hervor, daß die aus den Strafkolonieen Entlassenen als Arbeiter wegen ihrer Tüchtigkeit ein Unterkommen finden, obgleich sie vor ihrem Eintritt in die Colonieen verwahrlost oder straffällig waren, und sonst doch ein großes Vor- urtheil gegen entlassene Sträflinge herrscht.— Der Unterrichtsminister hat in seiner Rede beim Schlüsse des Schuljahres in der Sorbonne wieder einige cha- rakteristische Aeußerungen zu Gunsten des allgemein obligatorischen und unentgeltlichen Unterrichts fallen lassen. Ueberhaupt hat diese Rede im Ganzen einen günstigen Eindruck gemacht. Man hat überdies be- merkt, daß die Schuljugend die Stellen, und nur die Stellen beklatschte, welche einen demokratischen Geist bekundeten. Auch der Umstand, daß der mo- hamedanische Emir Abb-el- Kader, der ein direkter Abkömmling des Propheten sein soll, neben dem Erzbischof von Paris Platz nahm, hat diese Sitzung interessant gemacht. Die Optimisten geben sich der Hoffnung hin, daß die Regierung nächstens politische Concessiouen machen werde. Demnach stände man am Vorabend des goldenen Zeitalters der religiösen und politischen Freiheit und Gleichheit. Die sociale wird wohl nachfolgen. Einige Stürme scheinen jedoch noch vorher gehen zu müssen, unter andern ein kleiner europäischer Krieg wegen— Schleswig- Holsteins . Warten wir diese Dinge ruhig ab. Für die deutsche Bourgeoisie kann ein wenig„Blut und Eisen" nur heilsam sein, zumal da sie von Neuem bewiesen hat, daß sie für die Demokratie und für jeden ernstlichen Fortschritt abgestorben, ja schon verfault ist. Hier weiß mau recht gut, um was es sich bei dem preußisch-vsterreichischen Conflikt eigentlich handelt, daß nämlich Preußen dabei daS nationale, Oesterreich das liberale Element vertreten will; aber man glaubt nicht an die Aufrichtigkeit dieser Tendenzen der beiden Kabinette.— Morgen ist wieder einer von jenen Jahreslagen, die in der ersten europäischen Revolution daS Schicksal der modernen Demokratie entschieden haben. Am lOten August 1792 eroberte das Volt seine Souveränität und setzte den König wegen Baterlandsverrath und Verfassungsbruch im Anklagezustand, oder wie sich ein hiesiges Abendjournal ausdrückt:„das Volk significirre dem König in seinem Domizile, den Tuilerien, sprechend mit den Schweizern, die zur Bewachung der Monarchie angestellt waren, daß, nachdem der Contrakt von einem der beiden Eon- trahenlen gebrochen worden, der andere nicht mehr gesonnen sei, ihn aufrecht zu halten." * Paris , 9. August. sTagesbericht.) Im Lager von ChalonS werden gegenwärtig große An- stalten zum Empfange des Kaisers getroffen, der dort am 11. erwartet und bis zum 20. verweilen wird. Der kaiserliche Prinz wird den Kaiser nach dem Lager begleiten. Den Festen in Cherbourg und Brest wird der Kaiser zwar nicht anwohnen, dieselben sollen aber äußerst glänzend werden, und auch an einer politischen Kundgebung wird es nicht fehlen. Der französische Marine- Minister wird am 15. August eine Rede halten, welche in sehr energischer Weise den Gefühlen der Sympathie, Feuilleton. Sonn. Zu Bonn , am freien, am deutschen Rhein ,— Wo unsere Prinzen studiren, i Die künftigen Landesväterlein, Wie verfassungsgemäß zu regieren,— Dort gaben sie jüngst,— wo wär' ein Fest Ein deutsches, bei dem man nicht fräße?— Ein Festmahl dem Arndt, dem Verfasser der Germanischen Marseillaise. I Der Marseillaise, der deutschen ?— Fürwahr, s Als solche ward sie betrachtet lind auch verboten; so manches Jahr Hat vergebens nach ihr man geschmachtet. j Die Frage nach unserm Vaterland:— | Das ist uns're Marseillaise ! Wahr ist eS und mögt Ihr belachen auch ! Die Behauptung als eine Fadaise! Nun dürfen wir frisch, fromm, fröhlich und frei DaS deutsche Lied wieder singen; Da» Vaterland singen wir kühn herbei, Das müssen— die Lieder unS bringen! Doch indeß nach dem deutschen Vaterland �Dlan frägt in den deutschen Landen, Erinnert unS freundlich die Polizei, Dio unsere Wiege gestanden, Und speditirt un» freundnachbarlich Zu den heimathlichen Revieren; �u. ist eS daher, zu beeilen sich Mit dem— Raturalisiren. �och zum Festmahl zurück I Man feierte dort i�es ehernen Standbild'« Enthülluug, �a« dem alten Arndt sie einstweilen gesetzt. «'S zu seiner Wünsche Erfüllung. Da« war ein Mannt Fest hielt er, hieß Festhalten un» am Rechte: „Der Gott , der Eisen wachsen ließ, Der wollte keine Knechtet" Ein Streiter in der Geisterschlacht, War auch ein Mann der That er, Ei» muthiger Freiheitskämpfer und Ein trefflicher, weiser Berather. Ihm galt die Feier, ihn wollte man Und seinen Freimuth ehren, Bei Braten und Wein toastiren;— wer kann, So dachten sie, da« uns wehren? Hofräthe sogar und Professor'n Beschlossen, zu toastiren treisinniz und kühn und höchst liberal iich beim Feste de« Arndt zu geriren. Auch sollten au« Köln , das nun zu dem Dom Noch ein— unvollendete» Fest hat, Gesandte erscheinen, wohl Männer wie Rom Sie einst barg und nicht jegliches Nest hat; Denn das mannhafte Köln , das vor Kurzem noch Für Recht und für Freiheit gestritten, Es hat der tapsern Männer wohl viel, Die nimmer ein Unrecht litten; Vor Allen den Elassen-Kappelmann, Den großen, entschlossenen Bürger, Den so Viele blickten bewundernd an, Den gewalt 'gen Despoten-Erwürger! Dem patriotische Damen sogar Der Alpen Rosen gesendet, Dem au« aller Welt Telegramme man Und Ehrengeschenke spendet. Auch hat er sich wirklich, zu jener Frist, In Köln gehalten nicht übel, Und nur sein Verschwinden nach Vervier ist So Manchem nicht recht plausibel. Der große Elassen-Kappelmann Ward also gesandt auf Verlangen Zum Feste nach Bonn und dort sogleich Mit Jubel am Bahnhos empfangen. Zum Ober-Bürgermeister von Bonn War indessen die Kunde geflogen: Der Marrast von Köln sei da und schon Zum Festmahl zugezogen. Den Ober-Bllrgermeister von Bonn Erfaßte darob ein Grausen, Da ruft er aus: Ißt Jener mit, Verboten wird dann das Schmausen! Darüber waren wohl Alle ergrimmt Und sprachen stolz: Mit nichten! Der tafelt mit! So ist'« bestimmt! Nun mögt Ihr darnach Euch richten!? O nein, o nein! Ganz anders kam's; Noch wird in den fernsten Tagen Von den Helden von Köln und den Helden von Bonn Verwundert man singen und sagen: Der große Bürger,— wie edel doch!— Er ging,— um das Mahl nicht zu stören! Und die Andern schwiegen und aßen noch Und tranken und ließen sich hören Mit Toasten„aus die, so nicht da sind," Aus Deutschland und aus die Damen—-- Das ist die Mähr', wie die Helden von Bonn Mit den Kölnern zusammenkamen! Sind da« die Männer der Thatkraft, die Die Freiheit uns sollen erringen? Ist das die Blüthe der Bourgeoisie, Die den herrschenden Adel will zwingen? Ein herrlich' Geschlecht I— Sie preisen beglückt Bei Austern, Ehampagner und Braten, Vom glorreich errungenen Siege entzückt, Des deutschen Bürgerthums Thaten. I. B, ▼. H.
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1 (12.8.1865) 115
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