Nr. 1416. Berlik, Sonktag den l7. September iss». Dieft Zeitung erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Organ des Allgemeinen deutschen Arveiter-Bereins. Redigirt von Z. 8. v. Hofstetten und I. 8. v. Schweitzer. Redaction und Spedition- Berlin , Dresdnerstraße Nr. 86. Der bevorstehende Abgeordnctentag zu Frankfurt a. M. wird in kläglichem Schau- spiel vor Deutschland und Europa die Wahrheit bloßlegen, daß die deutsche Bourgeoisie zur Lösung d ergroßen nationalen Frage schlechterdings unfähig ist. Machen wir uns in kurzen Zügen klar, worauf diese Unfähigkeit beruht. Die deutsche Einheit würde ein neues, nur auf den Trümmern des Alten mögliches Werk sein. Wer also ernstlich die deutsche Einheit will, dem muß vor Allem klar sein, wo die Grund- säulen der jetzigen Verfassung Deutschlands , wo die Hauptstützen der Erhaltung seiner Zer- rissenheit und seiner Ohnmacht zu suchen sind- WelcheS sitid diese GruNdsäulen und diese Hauptstützen? Doch wohl nicht Bückeburg und Hessen-Hom- bürg, auch njcht Bayern upd Sachsen, sondern das Habsburg'sche Oesterreich und da« Hohenzollern 'sche Preußen. Gegen diese beiden Mächte in> erster Linie also müßte der Kampf sich richten. Was aber haben statt dem die Wortführer der Bourgeoisie gethan? In Oesterreich wollten sie Oesterreich , in Preußen Preußen an die Spitze Deutschlands bringen. Statt also auf das Aufhören des Gegensatzes von Habsburg- Oesterreich und Hohen- zollern-Preußen hinzuarbeiten, haben jene Elen- den den auf dynastischen Interessen beruhenden Hauptgegensatz geschärft ins Volk hinab« getragen. Und warum dies? Weil diese Halbmenschen nie und auf keinem Gebiete einen Gedanken ganz und voll er- fassen können; weil sie, gleichwie sie selbst kraft- und saftlos sind, auch auf die Volkskraft kein Vertrauen haben, daher immer nach einer äußeren Stütze suchen und für unmöglich halten, daß der Geist der Nation im entscheidenden Augenblicke selbst die stärksten Gewalten unter sich beugen könne; weil sie, mit Einem Wort, trotz allen Redegeklingels Kaiserliche Königlich österreichische und Königlich preußische Philister mit liberalem Anstrich, nicht aber deutsche Män- ner sind. Die« wird sich in kläglichster Weise bei Ge- legenheit des bevorstehenden Abg'eordnekentages zeigen. Die Oesterreicher und vielleicht auch die Preußen werden nicht kommen. Die ersteren freilich haben Anspruch auf mildere Beurtheilung; denn sie waren beschei- den, sie haben— in der nationalen Frage— niemals bin Mund voll genommen. Die preußischen Abgeordneten aber haben vas Urtheil des Volkes in unerhörter Weife herausgefordert— mit höchster Anmaßung haben sie sich gegenseitig als Vaterlandsretter und Begründer der deutschen Einheit beräuchert. Ja, sie haben die unglaubliche Kühnheit gehabt, förmlich im Namen der deutschen Nation zu sprechen. Sie werden jetzt, bei Gelegenheit des Ab- geordnetentages, sich als jämmerliche preußische Philister erweisen. Entweder sie werden ausbleiben, oder sie werden sich zu Verfechtern der ganzen oder theilweisen Ansprüche de« preußischen Partien- larismus machen, somit zur Stärkung des dyna- stischen Dualismus, des Krebsschadens in Deutschland , beitragen. Mit Einem Worte: sonnenklar wird zu Tage treten, daß die deutsche Bourgeoisie nicht die innere Kraft hat, aus den Banden des Bestehenden sich herauszuringen zu neuer, kräftiger Idee. ES wird sich zeigen, daß es in der maß- gebenden Bourgeoisie liberale Oesterreicher , Preußen, Bayern , Sachsen u, s. w., nicht aber deutsche Demokraten gibt. Daher hat die Bourgeoisie es auch nie da- hin gebracht, daß eine ihrer Parteien zugleich i,n Wien und in Berlin , diesen Haupt- Machtschwerpunkten und einzig wirklich großen und entscheidenden Städten Deutschlands , Wurzel fassen konnte. Pies aber ist offenbare Porbedingung für einen entscheidenden Erfolg in der deutschen Ein- heitSsache— ohne Wien und Berlin keine nationale Partei in Deutschland ! UnS, der Volkspartei, wird es vorbehalten sein, zu zeigen, daß, wenn eS der Bourgeoisie nicht gelang, irgend eine ihrer Parteien zugleich in Wien und Berlin Wurzel fassen zu machen, die« nicht an innerer Unmöglichkeit lag. son- dern eine Folge des Umstandes war, daß man es nicht vermochte, von der Begeisterung für das große� Vaterland getragen über engherzige dynastische Interessen hinauSzugelaugen. Es wird eine Zeit kommen, wo die jetzt noch junge deutsche Arbeiterpartei gleichmäßig in Wien und in Berlin ihr stolzes Haupt erheben wird. Denn nächst dem Ruhme, daß wir an der Spitze der socialen Bewegung marschiren, ist ja dies unser köstlichstes Kleinod: daß wir kein Oesterreich und kein Preußen, kein Bayern und kein Hessen-Homburg , daß wir nur ein Deutsch ' land kennen, ein deutsches Volk und eine deutsche Sache. — politischer Theit. Deutschland . * Berlin , 16. Sept. lTrotz der Ent« rüstung der„Nordd. Allg. Ztg."j mehren sich die Anzeichen für die Aechcheit des bekannten französischen CircularS. Es ist wahr, daß darin eine Sprache geführt wird, wie man sie sonst in der diplomatischen Welt nur vor Ausbruch eines Krieges anzuwenden pflegt. Trotzdem, wie gs' sagt, scheint das Schriftstück acht zu sein. Die offiziöse Pariser „La France " preist das früher von ihr für unächt erklärte Rundschreiben besonders a"- Sie antwortet zugleich auf die Rüge von„$> Presse", indem sie meint, man brauche nicht gleich Krieg zu machen(das haben England und Frank- reich in der polnischen Frage freilich unzweideutig bewiesen!) und es genüge Frankreich , offen seine Ansicht ausgesprochen zu haben. Hierbei wixd W es also freilich vorerst bleiben, obschon, wie wir bereits bemerkt, außer Zweifel steht, daß durch eins solcho Haltung der sran�ösifchm Regierung die Fortschritte der Habsbürg-Hohenzollern'schen PolitU einigermaßen eingedämmt werden, ein Ergebniß, welches die Stimmung des deutschen Volkes f»jf sich allein leider nicht zu Wege zu bringen ver- mochte.— Auch die„Kreuzztg." bleibt bei der Aechtheit des Schriftstücks, und aus Dresden wird vom Gestrigen telegraphirt, daß auch das offidiellt „Dresdener Journ." auf daS Bestimmteste die Aecht' heit aufrecht erhalte. — lZn den preußischen Preßverhält- nissen.j Gestern waren an Einem Tage vor dein hiesigen Stadtgericht eine ganze Reihe von Anträgen anf„Bcrnichtuna" von Zeitung*' blättern gestellt. 1) Die Wiener „Neue frt� Presse" besprach in zwei Nummern im Juli die Verhaftung May's und Fresc'S und resp. daS Ab' geordnetenfest in Köln ; in den Artikeln ist eine Schmähung der Anordnungen der Obrigkeit gefun- den worden. 2) Das„Frankfurter Journal" in der Nummer vom 1. August 1866 aus der ersten Veranlassung ebenfalls incriminirt. 3) Die„Deutsche Allgemeine Zeitung" vom 24. Juli d. I. wae ebenfalls wegen eines über May's Verhaftung ge- schriebenen Artikels incriminirt. 4) Ferner waren drei Nummern der„Neuen Frankfurter Zeitung vom Juni d. I. zur Vernichtung gestellt.
Ausgabe
1 (17.9.1865) 146
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten