Nr. IV8 Berlin, Freitag den 13. October SocialGemolimt. Di-i« u°s«ch Organ des Allgemeinen deutschen Arbcitcr-Vcrcins. Edition- der Sonn- und Festtage. Redigirt von I. V. v. Hofstetten und I. B. v. Schweitzer. Dr-Sdnerstr-steNr. 85. Abonnement?-Preis für Bertin inet. Bringerlobn: vierteljährlich 18 Sgr., mo­natlich Sgi. einzelne Nummern 1 Sgr.: bei den Königl. preußischen Post- ämtern Sgr.  , tei den preußischen Postämtern im nilptprenßischen Deutsch  - land 18�/4 Sgr., im übrigen Deutschland 1 Thlr.(fl. 1. 45. sildd., st. l. 50. österr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärts aus allen Postämtern, in Berlin   aus der Expedition� von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Compagnie, Scharren str. l. sow« auch nnentzeltlich von jedemrotheu Dienstmann" entgegen genommen. Inserate(in der Expedition aufzugeben) werden vro dreigeivaltcne Petit-Zeile Arbeiter-Annoncen mit t Sgr., bei sonstigen Annoncen mit Z Sgr. verechncl. bei Agentur siir England, die Eolvnieeu und die libeisecischen Länder'>tr. konllsr, 8. L-ittls New-Port-Street, Leicester- Square W. C.   London  . Agentur für Frankreich  : G. A. Alevandre, Strassbourg  , 5. Rae Brnl'ee; Paris  , 2. Cour da Commerce Saint-Andre-des-Arts. Vestellnnlfcn für das vierte Quartal wer- den fortwährend(auswärts auf den Post- ämtern) angenommen. V v r t r a g vor der allgemeiiirii Ärbriter-Versammliing in der Berliner  Alhambra  ", am 8. October l. I. (Mit einiger AuSseilnng nach stenograph. Aufzeichnung.) (Fortsetzung.) Meine Herren! Wir müssen damit beginnen, uns klar zu machen, was eine Maschine ist, und zu diesem Zweck zunächst feststellen, was man unter einem Werkzeug versteht. Ein Werkzeug m. H. ist AlleS, was dazu ge- eignet und bestimmt ist, die Arbeit durch Ermvg- lichung oder Erleichterung eines bestimmten Er- folgcS zu fördern. Vermittelst der Werkzeuge wer- den Naturkräste zu bestimmten Zwecken in Wirk- samkeit gesetzt. Eine Maschine nun, ni. H. ist nichts weiter als dastelbe in größerer und zusam- mengesetzterer Weise; durch eine Maschine werden im Großen die Kräfte der Natur den Zwecken der menschlichen Arbeit dienstbar gemacht. Es ist also vollständig richtig, wenn Hr. Schulze hervorgehoben hat, daß durch die Errungenschaften der Wissen- schalt, welche zur Herstellung neuer Maschinen führen, Arbeilskräste erspart, d. h. lurch Jnwirk- samkeilsetzung von Naturkräften die nienschliche Ar- beit ausgiebiger gemacht wird, so daß bei Anwen- dring von geringerer menschlicher Arbeitskraft der- selbe Erfolg, oder, bei Anw�udung derselben Arbeits- kraft, ein größerer Erfolg erzielt wird. Es ist mit einem Wort, vollständig richtig, daß die Maschine an Stelle der Menschenkraft arbeitet. Aber. m. H., ist denn die Sache damit abgethan? Fragt es sich nicht vielmehr� wem dieser unleugbare Vor- theil zu Gute konimt, ob der Gesa mnitheit oder dem Einzelnen, der Arbeit oder dem Kapital?! M. H.! Wir haben um nun an unfern vor- hin unterbrochenen Gedankengang wieder anzu- knüpfen festgestellt, daß die Maschinen Werk- zeuge in besonders großartiger und zusammenge-> setzier Weise sind. Eben deshalb sind sie auch kostspielig, lheuer zu beschaffen. Nun haben, wir aber früher festgestellt, daß die Beherrschung der Arbeit durch das Kapital darauf beruht, daß Einer, der selbslständig arbeite» will, schon im Besitz bereits vorhandener Werlhgegenstände, unter andern der erforderlichen Werkzeuge, sein muß. Wenn nun die Maschinen besonders theure, schwer anzuschaffende Werkzeuge sind, so treten sie offen- bar als erschwerende Vorbedingung zur selbstständigen Arbeit auf. Es ist leicht hier- aus zu folgern, daß somit, in Folge ihrer Nothwen- digkeit oder Nützlichkeit, unter den jetzigen Verhält- l nisten die Beherrschung der Arbeit durch ras Capital durch sie gefördert wird. M. H., verallgemeinern wir die Sache! Je großartiger, je umfassender überhaupt die Erzeugung von Werthgegenständen betrieben wird, desto schwieriger sind die Vorbc- dingungen herzustellen desto mehr also muß sich in immer fortschreitender Weise die Arbeit unter daS Capital beugen, bis sich die Herrschaft dieses letzteren zu einer im großartigsten Maßstabe be- lriebeimn Ausbeutung der Arbeit steigert; was zuletzt dahin führen muß, daß eine kleine Elaste von Großcapitalisten die industrielle Production zum Zwecke noch weiterer eigener Bereicherung in die Hand bekommt, und Wiillionen von Arbeitern zu dem kärglichsten Lohne ihre Arbeitskraft für die fort» während steigende Bereicherung jener Wenigen auS- nutze» lasten müssen. Denn es bedarf keines Bewei- ses, daß, je bestimmter und unifastender obiges Sack- verhältniß hervortritt, desto mehr die Arbeit der Gnade und der Willkür, des Kapitals an- Heiingegeben sein muß, mit andern Worten: daß das Kapital, welches keine andere Rücksicht kennt als seine fortwährende Bermehrnug, die be- ständig steigende Bereicherung seiner Inhaber, daß dieses Kapital unaufhaltsam bis zur unbarm- herzigsten und schonungslosesten Ausbeu- tung und Aussaugung aller?lrbeitskräste voranschreilet. M. H.! Das große Glück, welches die deut- scheu Arbeiter haben, besteht darin, daß sie an an- deren Ländern, in welchen die industrielle Groß- Production bereits weiter vorgeschritten ist als bei uns, deutlich erkennen können, wohin die Fort- entwickelung der bei uns vorhandenen Producticns- Verhältnisse führen muß, wohin der betretene Weg ausmündet. Sie haben das große Glück, daß sie, angesichts dieser nahenden Zukunft jetzt schon, be- vor sie, wie es in England vielfach der Fall ist, im innersten Lebensnerv gebrochen find, sich gegen das ihnen drohende Loos erheben können. M. H.! Ich habe Ihnen gezeigt, warum die Fortentwickelung der jetzigen Productionsverhält- niste zu einer vollständigen Aussaugung der Arbei- ler durch das Kapital füllen muß. Die Probe auf diese innere Beweisführung werde ich Ihnen in dem Nackweise der äußeren Thatsachen liefern, welche in denjenigen Ländern, in welchen die Pro- duction bereits weiter vorgeschritten ist, offen zu Tage treten. Ich werde Ihnen zu diesem Zwecke, selbstver- ständlick nach amtlichen Quellen, einige Thatsachen von durchschlagender Bedeutung vorführen; That- fachen, welche ich entnehme einem amtlichen Bericht aus den dreißiger Jahren über französische   Arbei- terzustände, und, zur Abwechselung, einem amtlichen Bericht aus diesem Jahre über englische Ar- beiterverhältniste. In den dreißiger Iahren erlheilte die franzö- sche Academie des sciences morales et politiqaes zweien ihrer Mitglieder, worunter der bekannte E>r. Villerme, den Auftrag, einen eingehenden Berichs über die Arbeiterzustände im gesammten Frankreich  zu liefern. Dieser Bericht wurde aufgetragenerm»'' ßen erstattet, und hat feiner Zeil ein ungeheures Aussehen erregt, so daß Sie vielleicht fragen können, wie diese Akademie dazu gekommen ist, einen Berichs zu veranlassen, der in so starker Weise die öFeul' licke Aufmerksamkeit auf die Lage der arbeitenden Klassen zu richten geeignet war, was doch die berr» schenken Klaffen sonst nicht lieben. Der Grund zu dem Auftrage, jenen Bericht herzustellen, ist zu sin' den in einem Artikel des Gesetzes vom 25. October 1795 eines Gesetzes aus der Revolutions  - zeit welcher Artikel feststelltdaß jedes Jahr mehrere Mitglieder der Akademie, entweder einzeln oder zusammen, die Departements von Frankreich  bereisen sollen, um Nachforschungen über verschic' dene Gegenstände, von welchen jedoch der Ackerbau ausgeschlossen bleiben solle, anzustellen." In der Geschichte der französischen   Arbeiter-AssociaticneU von Siegmund Engländer") findet sich über den f» eben behandelten Gegenstand Folgendes gesagt: Der Bericht, den Or. Villerme über seine Reift veröffentlichte, mußte für die reichen Leute, die gu>e Geschäfte machten und sich amüstrten und im steten Luxus lebten, eine schreckliche Ueberraschung sein- Es war, als ob in einer reichen Familie, die jähre- lang glücklich und friedlich gelebt, ein alter Schrank geöffnet und in demselben ein Skelett gefunden wird, das zur Entdeckung eines unheinilichen Fa- milien-Geheimnisses führt." Dr. Villerme fragte, spionirte, überraschte das Elend der arbeitenden Welt. Er mischte sich unter die Arbeiter und wurde zum Vertrauten ihrer Kla- gen und Freuden, ihrer Laster und Tugenden- Sein Werk ist durch die Nachweise des socialen Deficils, die es enthält, ein Spiegel, den Jemand einem Menschen, dessen Gesichtszüge sich häßli-d verzerrt haben, plötzlich vorhält. Auf dieselbe Art sah die französische   Gesellschaft plötzlich ihr Co«- terfei vor sich." Man trat mit Villerme das erste Mal in ras Innere der Wohnungen der Arbeiter, wenn mau z. B. die Keller in Lille  , in welchen die Arbeiter dieser Stadl wohnen müssen, weil sie keine höhere Miethe bezahlen können, Wohnungen nennen kan»- Man las Beschreibungen von einzelnen Zimmern, von denen jeder einzelne Winkel an verschiedene Personen vermiethet war, ja man hörte sogar, dav mehrere Familien in einem und demselben Ziw' wer wohnen. Man las von den unglaublich gerin- gen Beträgen, von denen ganze Familien sich er nähren müssen, las, daß Viele niemals Fleisch oder Bier genießen konnten." *) Wohl wissend, daß der Verfasser diese« Blickes häufig fremde(z. B. Louis Blanc  'sche) Gedanken* eigene giebt, mußte Redner doch an« dem erwähnten Buche vorlesen, weil er ein anderes, zunächst gewünschrrs zusüllig nicht zur Hand hatte.