Nr. 223.

Berlin , Sonnabend den 16. December

1865.

Social- Demokrat.

Diese Zeitung erscheint täglich Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter- Vereins.

mit Ausnahme

der Sonn- und Festtage.

Redigirt von J. B. v. Hofstetten und J. B. v. Schweiter.

Abonnements Preis für Berlin incl. Bringerlohn: vierteljährlich 18 Sgr., mo­natlich 6 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Königl. preußischen Post­ämtern 222 gr., bei den preußischen Bostämtern im nichtpreußischen Deutsch­land 183/4 Sgr., im übrigen Deutschland 1 Thlr.( fl. 1. 45. fübd., fl. 1. 50. österr. Währ.) pro Quartal.

Redaction und Expedition: Berlin , Dresdnerstraße Nr. 85.

Bestellungen werden auswärts auf allen Bostämtern, in Berlin auf der Expedition, von jedem soliden Spediteur, von der Expreß- Compagnie, Scharrenftr. 1, sowie auch unentgeltlich von jedem rothen Dienstmann " entgegen genommen. Inserate( in der Expedition aufzugeben) werden pro dreigespaltene Petit- Zeile bei Arbeiter- Annoucen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 3 Sgr. berechnet.

Agentur für England, die Colonieen und die überseeischen Länder: Mr. Bender, 8. Little New- Port- Street, Leicester- Square W. C. London . Agentur für Frankreich : G. A. Alexandre, Strassbourg , 5. Rue Brulée; Paris , 2. Cour du Commerce Saint- André- des- Arts.

Politischer Theil.

Berlin , 15. December.

angehen. Sie würden sich Belgien um ihrer selbst­willen annehmen müssen.

"

aber aus Rücksichten für den Tod des Königs der Belgier weggeblieben ist. So beschaffen ist die allgemeine Lage. Wer­Also nicht einmal Etiquettenstreit" fondern fen wir noch einen Blick auf die augenblicklichen lediglich ,, Etiquettenfrage". Wo aber die Grenz­Der Fortbestand des belgischen Staates Verhältnisse. Am Ruder ist ein liberales Ministe- fcheide zwischen beiden liegen soll, das ist wohl eine sollte durch die auf dem Londoner Congresse aus- rium, was ein großer Vortheil gewesen wäre, wenn Frage, über welche sich streiten läßt. So viel dürfte gemachte Neutralität gesichert werden. Vor Leopold es nicht gelähmt hätte. Frère- Orban, der indeß gewiß sein, daß schon häufig eine Etiquetten­zwanzig Jahren schrieb Professor Arendt ein dickes Hauptminister, ist ein ehrlicher und talentvoller frage Anlaß zum Streit gegeben und ein Etiquetten­Buch, um zu erhärten, daß Belgien auf dieser Mann, fühn und in seinen Meinungen hartnäckig, streit sich stets um eine Etiquettenfrage gedreht hat. Neutralität fest und sicher rube. Leopold war aber der alte Leopold hat ihn doch zu dämpfen ge- Doch sei dem wie ihm wolle: Etiquettenstreit oder flüger, er fab ein, daß Belgien seine Existenz nur wußt. Frère- Orban's Wille war halb gelähmt, Etiquettenfrage, beide sind als beseitigt und der der Eifersucht der Großmächte verdankt, und daß auch befißt er nicht die Klarheit und Stärke, welche Friede Europas ist vorläufig als gesichert anzusehen. diese sich an das nicht binden werden, was sie ver- die Umstände erheischten. Wie wären diese Eigen­dem bestimmten, wenn die Verhältnisse einer dieser schaften von dem wohlwollenden Vandenpeereboom, Großmächte die Annectirung des Landes möglich dem Minister des Innern, und den übrigen Mi­machen sollten. So lange Ludwig Philipp auf dem nistern zu erwarten? französischen Thron saß, war Belgien gesichert; seit Der Herzog von Brabant , der Nachfolger Napoleon gebietet, ist Belgiens Lage eine andere Leopold's, ist ein guter Mann, aber steht an geworden. Leopold suchte nun den Staat zu schir- Schärfe der Einsicht und Willensstärke dem Vater men durch rege Theilnahme an den politischen Ver- nach und ist überdies körperlich gebrochen. Vor­handlungen und durch Verbindungen nach allen ausblickende Politiker sind der Ansicht, daß auch Seiten. Er selbst leitete das Aeußere ganz allein; der Minister des Auswärtigen( dermalen der alte Regier) war bles sein Commis, Expedient der föniglichen Beschlüsse. Noch kurz vor seinem Tode hatte er troß seines Alters und leidenden Zustan­des, die Absicht nach Compiègne zu Napoleon zu reifen. Ein deutliches Anzeichen dafür, daß er Belgiens Bestand für schwer bedroht hielt.

ohne Verbindungen zwischen Preußen und Frank­ reich früher oder später des Staates Ende ein­treten dürfte. Die Parteien werden sich eines Tages mit verdoppelter Stärke regen.

Seit Frankreich allgemeines Wahlrecht hat, ist dieses für Belgien unausweichliche Nothwendigkeit. Die Jungliberalen fordern es, die Arbeiter wollen es, ein Bruchtheil der Klerikalen( De Decker, Du­mortier) ist gleidfalls dafür, Frère- Orban würde es eingeräumt haben, aber König Leopold war, die Abneigung der deutschen Fürsten , seiner Vettern, theilend, dawider, und verweigerte es mit äußerster Hartnädigkeit. Darüber mußte Erbitterung um fich greifen. Französische Agenten gehen schon in den Kneipen umber und weisen darauf hin, daß die Franzosen allgemeines Wahlrecht befizen, und predigen für Frankreich und finden offene Ohren!

Deutschland .

Aber auch der diplomatisirende Correspondent der ,, Köln . 3tg." hat, so weit er es vermochte, seine Schuldigkeit gethan, was uns gestern im Drange der Geschäfte entging und wir erst heute nachträg lich gewahr wurden. Er schreibt über das ,, Er­eigniß":

Die Nachricht scheint richtig. Die Botschafter sollen, wie man hört, sich auf das Präcedens der königsberger Krönung berufen, wo die damaligen Botschafter von jener Tafel nicht ausgeschlossen waren, und außerdem hervor heben, daß hier in Berlin unter den 18 hohen Personen, welche die Tafel bildeten, sich auch der Prinz Auguft von Würtemberg, der Fürst und der Prinz zu Hohen­ zollern , sowie der Erbprinz von Sachsen Meiningen be­fänden, die Botschafter aber den Vorrang vor diesen vier Mitgliedern hätten. So wird erzählt. Welche Argumente etwa von der anderen Seite geltend gemacht werden, ist uns nicht bekannt und man muß die nähere Erörte ng benjenigen überlassen, die sich dafür intereffiren und in derartige Fragen der Etiquette eingeweiht sind.

rung

Nach der Aufklärung der Kreuzztg." ist wohl fein Grund mehr zu weiteren Besorgnissen vor­handen.

-

[ lleber die Alpenbahn] schreibt die Brovinzial- Correspondenz":

Sodann ließ der König Antwerpen stark be­festigen. Das feste Antwerpen sollte der Anker des belgischen Staatsschiffes sein. Würde das Land von den Franzosen überschwemmt, gegen welche das belgische Heer das Feld ja nicht halten könnte, so wäre Antwerpen dessen sicheres Lager, bis Eng­land, auf das man am meisten rechnet, und Deutsch­ land , um das Leopold sich freilich nicht verdient gemacht hat, Hülfe brächten. Aber England hätte feine Heere, und sobald sich Preußen mit Frank­ reich verständiget, wären die Würfel geworfen. Als­dann könnte nur die einmüthige, großartige Ent­faltung der inneren Kraft( wenn eine solche vor­handen ist) den Untergang aufhalten und vielleicht, indem ihr Widerstand weitere Verwicklungen ber vorruft, noch abwenden. Um die Selbstständigkeit Belgiens zu unterstüßeu, wurde allerdings eine so­genannte belgische Nationalität" aufgepufft und viel Gerede von ihr gemacht. Diese ist aber nur ein fünstliches Gewächs. Es giebt in Wahr­heit fein belgisches Volksthum und diese neumodische ,, belgische Nationalität" wird demzufolge in Sturm und Drang nicht widerhalten. Das einzige Rich- Die von uns nach der Boss. 3tg." erwähnte Ange- Artikel über das Abgeordnetenfest, Joh. Jacoby's Ver­geber der ,, Naumburger Zeitung" wegen einiger tige wäre gewefen mit Verzicht auf eine Neutrali- legenheit der Botschafter wird von einem Theil der es ist die elfte Preußische Zeitung , welche tät, die nur so lange gelten wird als die Mächti- Bresse mit ſichtlichem Gefallen als ein vermeintlicher ob diesem Thema angeklagt wurde- 11. f. w. Die geren sie gelten lassen wollen, den Eintritt in Gegenstand des Conflicts behandelt. So weit unsere den deutschen Bund unter gleichzeitiger Kenntniß reicht, wird dieselbe in den betheiligten Kreisen erste Instanz batte zu zehn Thaler Geldbuße verurtheilt, das Appellationsgericht erkannte auf fünfzig. Wahrung der Landesfreiheiten zu erstreben. als eine Etiquetten frage behandelt. Zur Beruhigung nicht einmal als ein Etiquetten streit, sondern lediglich* Wien , 12. Dez.[ Ungarische Thron Wäre Belgien deutscher Staat, so würde ein Ueber- demokratischer" Patrioten" dürfte vielleicht dienen, daß rede. Erste Deputirten Kammer- Sigung. einkommen Preußens mit Frankreich die übrigen der Französische Botschafter dem Feste bei Sr. K. H. dem Die ungarische Presse.] Aus Ofen wird deutschen Staaten in einer ganz anderen Weise Prinzen Albrecht wieder beigewohnt hat, der Englische telegraphirt:

Das Maß der Theilnahme Preußens wird allerdings davon abhängen, welche unter den verschiedenen in Vor­schlag gebrachten Eisenbahn- Linien vorzugsweise Aussicht auf Verwirklichung erhält. Für die preußischen Interessen wird, wie fast allseitig anerkannt ist, die Verbindung durch den St. Gotthardt die vortheilhafteste sein, * Berlin , 15 Dec.[ Der jüngste drobende während die Bahn durch den Lukmanier allerdings dem internationale Conflict,] bezüglich der Bot- Intereffe eines Theiles unserer östlichen Provinzen, nicht schafter- Angelegenheit, ist also glücklich beseitigt und aber ebensosehr dem der erheblich betheiligten westlichen die Kreuzztg." bat es, dem Correspondenten der Provinzen entsprechen, die Linie über den Splügen da­Köln. 3tg." zu Hülfe tommend, wie sie sagt: ,, zur gegen unseren Interessen durchaus zuwiderlaufen würde. Beruhigung demokratischer Patrioten", übernommen,-[ Der Sechsunddreißiger Ausschuß den Schleier des Geheimnisses zu lüften. Wie edel und der Nationalvereins- Vorstand] haben von ihr, daß sie sich beeilt, die,( nach der Meinung fich am 11. d. M. in Frankfurt versammelt; Wei­der ,, Kreuzztg.") in einem Irrthum befangene Presse teres ist dabei nicht vorgekommen. aufzuklären! Sie sagt nämlich in ihrer heutigen theilt ist zu Naumburg in zweiter Instanz der Heraus­[ Preußische Preß Schidsale.] Verur Nummer ganz ernsthaft:

"

urtheilung,

"

-

C

11

1

f

f

f

g

il

10

g

FREDE