Nr. 280,Berlin, Sonntag den 24. Deecmber1865.Zorial Demiilirat.Diese Zeitung erickeint täglichmit AuSnabmeder Sonn« und Festtage.Organ des Allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins.Redigirl von I. B. V. Hosstettcn und I. B. v. Schweitzer.Redaction und Expedition-Berlin,Dresdnerstraße Nr. 85.Abonnement?- Preis für Berlin incl. 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Präsidenten der Vereinigten Staaten,die bekanntlich und unstreitig der Bedeutung einerEuropäischen Thronrede gleichkommt und von dergesammlen Europäischen Presse auch wie eine solchebehandelt wird. Die„Nordd. Allg. Ztg." scheintjedoch nicht dieser Meinung zu sein und zu glau-den, daß man mit dem Oberhaupte einer republi-kanischen Regierung weniger Federlesens zu machenbrauche. Sie erössnet ihren Leiter mit den Worten:Ob Herr Barnum, der Vater der Reclame, der jetzt,wo sein Museum niedergebrannt, vielleicht die nöthigeMuße zu einer Nebenbeschäftigung erübrigen konnte, dieBotschaft an den Nordamerikanischen Congreß redigirthat, wird schwer sestzustellen sein. Bekanntlich ist dasAktenstück von dem Präsidenten Johnson unterzeichnet;redigirt ist dasselbe aber offenbar von einem dieser men-schenkundigen Köpfe, welche uns durch die Dreistigkeitihrer Feder in dem Jnseratentheile der Tagesblättertäglich das alte Wort-„blunstus vult stscijü"(die Weltwill betrogen sein) in'S Gedächlniß zurückrufen.Wenn nun auch die Regierung der VereinigtenStaaten ihre Machtsphäre durch diesen Artikelkeineswegs bedroht sehen und ein internationalerConflict keineswegs dadurch heraufbeschworen wer-den wird, so kann man doch nicht umhin, sich überdiesen Ton eines officiösen Blattes zu wundern,welches sonst, Gegnern gegenüber, in dergleichenDingen keinen Spaß zu verstehen gewohnt ist.— sAus den Elbherzogthümernj wird ge-meldet, daß das frühere Mitglied der schleswigschenStändeversammlung, Herr Hansen-Grumbye am12. d. Bt. in Hadersleben eine Zusammenkunft derdänisch redenden Abgeordneten aus Nordschleswigveranstaltet habe, welche zugleich die einzigen Mit-glieder der Ständeversammlung sind, die ihr Man-dat nicht niedergelegt haben. Als Gegenstand derZusammenkunft wird u. A. ein Vorschlag desÄbg. Krüger- Bestoft bezeichnet, den König vonPreußen durch eine Adresse um Rückgabe Nord-schleswigs an die Krone Dänemark zu ersuchen.* Wien, 20. Dec. sDer Kaiser und Un-garn. Der böhmische Landtag. Aus Un-g arn.j Der Kaiser wird heute Abend Pesth-Ofen verlassen. Er soll beabsichtigen, EndeJanuar in Begleitung der Kaiserin nach Ofenzurückzukehren, aber dennoch seinen Schwerpunctin Wien zurückzulassen. Ob dieses in seiner Machtliegt, ist eine andere Frage. So viel man hübenund drüben auch vom Ausgleiche mit Ungarn redenmag, die Ungarn werden schwerlich darauf verzich-ten, ein vollständiges Ministerum zu haben, undschwerlich sich entschließen, einen gemeinschaftlichenReichstag zu beschicken. Und auf beide Punctescheint der Kaiser und seine Regierung bestehen zuwollen.— Der Rücktritt der vier DeutschenGrafen und Fürsten aus dem Böhmischen L and-tage macht bei Hofe sehr viel Aufsehen. Der Kaisersoll von unparteiischer Seite Bericht darüber er-hallen haben und seinem Statthalter Unrecht geben,der seinerseits nun wieder die ungeschickte Entschul-digung vorbringt, er sei durch den Lärm der Sitzungaußer Fassung gebracht worden, er könne die Heiter-keit derHerren nicht vertragen. GrafBelcredisollnachPrag gereist sein, um die Sache möglichst in Frieden zuschlichten, denn man kann jenen würdigen Staats-diener um deswillen augenblicklich doch nicht gutentbehren, da er— der Staatskasse 40,000 Guldenschuldet und außer seinem abzugsfähigen Gehalte keinVermögen besitzt. Daher mag wohl auch der Trotzund Starrsinn der reichen. Aristokratie kommen,die sich in Oesterreich noch streng von dem nichts-habenden Junker zu scheiden weiß. Fürst Auerspcrghat sich übrigens nicht dazu bewegen lassen, wozuman ihm durch eine neue Wahl Gelegenheit gebenwollte, seinen Entschluß zurückzunehmen. Daß Hr.v. Schmerling ebenfalls plötzlich von oppositionellemEhrgefühl befallen worden, darüber lachte alle Welt.— Aus Ungarn lauten die intimen Nachrichtenfür die Regierung nicht allzu günstig. Es wirdnur die Abreise des Kaisers erwartet, um mit denAnforderungen bezüglich der in Frage gestellten48er Artikel schroffer und entschiedener hervorzu-treten. Zur Stunde wird das oppositionelle Ge-lüst noch durch jenen tief dynastischen Zug im un-garischen Charakter, der gegenwärtig mit großemGeschick in umfassendster Weise verwerthet wird, inSchranken gehalten. Wer kann überhaupt berech-neu, welch' mildernde Wirkung noch im entscheiden-den Moment ein Paar im Fasching auf der OfenerKönigsburg allerhöchst getanzte Czardase auf diewiderborstigen Beschlußmänner ausüben würden.Selbst so ernsthafte Journale wie„Pesti Naplo",„Politikai Hetilap" und„Hon" legen in ihrenLeitartikeln dem Umstände Wichtigkeit bei, daßapostolische Majestät des Magyaren Gottes(Ma-gyar Jsten, trägt natürlich, Schnurrbart) edlesUngarisch mit correctem Accent sprechen und denHusaren-Schnürrock„fesch" tragen.' Frankfurt a.M., 21. Dec. jDie heutigeBundcstagssitzungj, in diesem Jahre die letzte,erledigte fast nur geschäftliche, sodann wenig er-hebliche Feltungs-Angelegenheiten, sonstige Militariannd einige Unlerstützungsgesnche. Nächste SitzungMilte Januar.* Königsberg, 21. Dec.[Die armen Ge-richtsschreiber und der„ressortmäßigeWeg.") Wir haben seinerzeit der traurigen Lageder schlechtbesoldeten Lohnsckreiber des hiesigenStadtgerichts und ihrer Bemühungen Erwähnunggethan, eine Erhöhung ihres Soldes zu erlangen.Dieselben, meist invalide Exunterofficiere, bezieheneinen Lohn von 1 Sgr. 2 Pf. per Bogen, wovonsie, nebst ihren Familien, leben sollen, ein Kunst-stück, das ihnen schwerlich irgend ein Minister vor-machen wird. Sie reichten also eine Petition beimJustizminister ein, welche unberücksichtigt zurückkam,worauf sie sich in einer unmittelbaren Eingabe anden König wandten. Vom Kabinet wurde dieseEingabe, ohne weitere Bestimmung, auf den„ressortmäßigen Weg" verwiesen und gelangte soan den Minister und von diesem an das ostpreu-ßische Tribunal. Von dem Letzteren wurde denArmen in diesen Tagen ein Verweis zu Theil;außerdem wurde ihnen ihre Entlassung in Aussichtgestellt, falls sie derlei Immediateingaben wieder-holt und direct absenden sollten.* JLieSbaden, 22. Dec.[Die Casino-gesellschaft), so wird telegraphirt,(!) hat in ihrergestrigen General- Versammlung den Antrag derOffiziere auf Ausschließung des AbgeordnetenDr. Siebert in geheimer Abstimmung abgelehnt.Der Staat Nassau befindet sich übrigens, den Um-ständen nach, so gesund als möglich und ist ver-läufig gerettet.Ausland.* ParlS, 21. Decbr.[Tagesbericht.) Der„Constitutionnel" giebt heute eine neue Umschrei-bung der im gestrigen Moniteur erschienenen Be-urtheilung der amerikanischen Botschaft und ihres! Verhältnisses zur französischen Politik in der mexi-kanischen Frage. Man muß sich erinnern, daß noch! vor ganz kurzer Zeit die Existenz einer Monroe-Doctrin und die Möglichkeit einer Meinungsver-schiedcnheit zwischen Frankreich nnd Amerika von derofficiellcn und officiösen Preye ganz umgangen wurde,um den wahren Charakter der jetzt eingetretenenneuen Lage zu überschauen, in welcher man dieSchwierigkeiten nicht mehr todtschweigen, sondernsich durch eine ganz unschuldige Erörterung der-selben den Weg zur Umkehr anbahnen will. Wäh-rend so alle Parteien einig sind, in der tranSat-laotischen Politik den Degen einzustecken, wuchertin den höheren Kreisen doch noch immer so vielUniversalmonaribie-Schwärmerei fort, daß manchehochgestellte Persönlichkeiten sich selbst jetzt nocki nichtidarin finden können, die schöne Gelegenheit mitBelgien sei für immer verfehlt.— Ter gestrigeArtikel der„Patrie" hat gerade besonderes Aufsehenerregt, weil man von kundiger Seite versichert,"derselbe verdanke seinen Ursprung den zurück-gestauten Gefühlen der erwähnten Kreise, die sichin irgend einer Weise Luft machen wollten. DerArtikel entspmcht allerdings seinem ganzen Inhaltenach dem Gesichtskreise jener unablässig an wenigenIdeen kauenden bonapartistischen Theoretiker undPraktiker.— Die Studenten bringen auch wiederetwas Leben in die innere Politik. Nicht weil sieheute abermals die Vorlesungen in der Rechtsschule� unterbrochen haben und weil in der Medicinschule. das Auditorium deS Professors Wurtz wieder ge-räumt werden mußte, sondern weil alle diese Bor-fälle der Presse und den politischen Kreisen Anlaßgeben, die tieferen Gründe der Studenlen-Emeute