Rr. 2« Berlin  , Donnerstag den 25. Januar 1866. Zweiter Iahrgaog. Socifll-Dnnlilinit. Diese Zeitung erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festlage. Organ der social-demokratischen Partei. Redigirt von J. v. v. Hofstetten und Z. B. v. Schweitzer. Redaction und Expedition- Berlin  . Dresdnerstraste Nr. 85. Abonnements-Preis sllr Berlin   incl. Bringerlohn: vierteljährlich 18 Sgr., mo- natlich 6 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Königl. preußischen Post- ämtern 22Vs Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch  . land I8»/4 Sgr., im übrigen Deutschland 1 Thlr.(st. 1. 4b. südd.. st. 1. 50. österr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärt? aus allen Postämtern, in Berlin   auf der Expedition, vo» jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Eompagnie, Spandauerbrücke 3, sowi« auch unentgeltlich von jedemrothen Dienstmann" entgegen genommen. Inserate(in der Expedition auszugeben) werden pro dreigespalten- Petit-Zeile be> Arbeiter-Annoncen mit 1 Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 3 Sgr. berechnet. Agentur sür England, die Eolonieen und die überseeischen händer: dlr. lit-nder, 8. Little New-Port-Street, Leicester- Square W. C.   London  . Agentur sür Frankreich  - G. Ä. Alexandre, Strassbonrgr, 5. ßue Brulee; Paris  , 2. Cour du Commerce Saint-Andrd-des-Arts. Bestellungen auf denSocial-Demokrat" Verden   noch fortwährend auswärts bei den Postämtern entgegengenommen, die bereits erschienenen Nummern nachgeliefert. politischer Theil. Deutschland  . * Berlin  , 24. Januar.  [Die Habsburg- Hohen zollcrn'sche Allianz wird immer morscher, immer lockerer, das Vorpostengefechl zwischen beiden Mächten, die gegenseitige Polemik der officiösen Presse, immer heftiger, immer erbit- terler. So geräth heute dieNorddeutsche All- gemeine Zeitung" gegen das Wiener   Preßbureau in Harnisch   und constatirt, daß ein gegen Preu- ßen gerichtetes österreichisch  -fran zösisches Bündniß an dem Tage eine fertige Thatsache sein werde, an dem Frankreich   einwillige. Ein anderer Artikel derNordd. Allg. Ztg." wendet sich in noch weil heftigerer Weise gegen die officiose Wiener  Debatte." In demselben heißt es- Wir begreifen, daß cS im österreichischen Interesse liegt, in Frankreich   gegen Preußen die öffentliche Mei-- nung aufzuhetzen. Aber etwas wählerischer könnte man dabei in seinen Mitteln sein. Ob das österreichische Pu- blikum leichtgläubig genug ist, sich einzubilden, daß die österreichischen Correspondenten und auch die höchsten Spitzerl, intime Aeusterungen fremder Staatsmänner hinter verborgenen Thüren belauschen, mag dahin gestellt sein. Austerhalb Oesterreichs   wird man xiber Akt nehmen von dem Geiste der Feindseligkeit und Verlogenheit, der die ofstciöse Presse Oesterreichs   durchweht, und welcher natürlich das vollständigste Mißtrauen gegen die Quellen erregt, aus welche derselbe zurück- geführt werden muß. Wir denken, das ist deutlich gesprochen! [Zur Elbher zogthumerfrage] sagt das dem französischen gesetzgebenden Körper im Gelb- buche vorgelegte Expose der Regierung über die allgemeine Lage des Kaiserreichs in Beziehung auf jene Frage-Da der Charakter der Stipulationen des Wiener   Bertrages wesentlich provisorischer Natur sei, so wünsche die Regierung, daß diese Angelegenheit durch ein Arrangement ihren Abschluß finde, welches mit den Ideen, die dieselbe früher ausgesprochen, in Einklang stehe." [Aus den Elbher;ogthümern,j aus Holstein, meldet heute der Telegraph noch nach- träglich, daß die Börsammlung der schleSwig  -hvlstei- nischen Vereinenunmehr doch" stattfinden werde. Nach derSchlesw.-Holst. Ztg." hat esnur einer einfachen Aufklärung bedurft, um die Genehmigung der Landesregierung zur Abhaltung der Versamm- lung zu erwirken." Aus Altona   wird vom 23. d. M. telegraphirt: Die heulige Massen-Versammlung der schleSwig-hol- fieinschen Vereine war sehr stark besucht. Den Vorsitz führte Jessen  . Derselbe theilte mit, daß eine Bespre- chung der politischen Lage de« Landes die Tagesordnung bilde, daß es auch erlaubt sei, die Einberusung der Stände zu besprechen, daß aber Resolutionen nicht gefaßt werden dürsten. Dazu habe sich der engere Ausschuß der Re- gierung gegenüber verpflichtet. An Gästen waren an- wesend: Müller von Frankfurt, Metz   von Darmstadt  , Kolb, Praetorins von Alzey  . Dem von mehreren Rednern ausgedrückten Wunsche nach Einberufung der Stände wurde von der Versammlung mit stürmischem Beifall zugestimmt. [Die französische   Thronredej wird von den europäischen   Kabinetten, d. h. von deren Organen in der Presse, allerwärtS mit hoher Be- friedigung anfgenouimen. Auch wir haben keine Ursache, uns darüber zu beklagen. Napoleon   und das Kaiserreich fangen an, alt- zu werden. Wir gedenken morgen ausführlicher darauf zurückzu- kommen. [DieN ordd. Allg. Ztg."s rühmt heute, gelegentlich einiger Aeußerungen über die französische  Thronrede, diemaßvolle Haltung" des Präsidenten Johnson. Die Medizin desPr. Staatsanzeigers" scheint gewirkt zu haben. [Preußische Prestschicksale.j Gegen dieRhein. Ztg." ist wegen de« Artikels in Nr. 15(Berlw 13. Jan.- die Thronrede und die Ausgabe des Abgeordnetenhauses) und in Nr. 17(2. Bl.)(Berlin   15. Jan.: die prcuß. Politik in SchleSwig-Holstein  , au« der Augsb. Allg. Ztg.) Anklage erhoben. Vernehmung nächsten Mittwoch. * Wien  , 22. Jau.[Ungarn   und Croa- tien. Der Carneval.j Nicht nur, daß die Regierung nicht mit den Ungarn   und Crösten fertig werden kann, sondern diese werden es auch unter sich nicht. Beide Landtage zeigen ein Bild der Uneinigkeit und Verwirrung, das der Regie- rung alle Hoffnung benehmen muß, diese Elemente zu einigen. Die Partei Deal in Pesth   ist gleicher Weise in voller Auflösung, wie die Fusionspartei in Agram, und während aus ersterer sich bereits eine sogenannte Rechte unter Graf Apponyi   und ein linkes Centrum herausgesondert haben, zer- spaltete sich die Fusionspartei CroatienS bereits wieder in eine magyarenfreundliche und in eine entschieden autonom-(selbstständig) nationale. Dazu soll die serbische Regierung in Belgrad   mit allen Kräften, mit Geld und Versprechungen gegen den Ausgleich Ungarns   mit der österreichischen   Re- gierung thätig sein. Die im ungarischen Landlag anwesenden österreichischen Serben zeigen sich jeden- falls sehr wenig versöhnlich; sie haben sich ent- schlössen, im Landtag nur serbisch zu reden, während andererseits auch die wenigen Slowaken, die ge- wählt sind, sich ihrer Sprache bedienen wollen. Die herrschende Confusion geht gegen jede Vor- stellung und erinnert lebhaft an den babylonischen Thurmbau. Unterdessen tanzt ganz Wien  fescher" und lustiger wie je, als ob es der letzte Carneval wäre, aus den man mit Sicherheit zählen könnte. Iserlohn�   23. Jan.[In der Untersuchung gegen C.W.Tölcke und gegen denSocial- Demokrat") wegen Beleidigung des Bürger- meisters Hüls   mann u. s. w. ist vom hiesigen Kreisgericht auf Antrag des Angeklagten Tölcke, der in allen Anklagepunkten den Beweis der Wahrs heit führen will, der auf morgen bestimmte Audienz-- Termin aufgehoben. Neuer Termin ist noch nicht anberaumt.____ Ausland. * Paris  , 22. Jan.[Tagesbericht- Kam- mereröffnung. Eindruck der Thronrede. Das Gelbbuch über die Elbherzogthüiner- frage und über Mexiko  . Päpstliche An- leihe demenlirt. Preßproceß.j Die franzö- fischen Kammern wurden heute in der herkömmlichen Weise eröffnet. In der Kammer wurde natürlich die Thronrede mit pflichtschuldiger Begeisterung anfec,,»., im Puvttluin inaaue sie leooa) einen entschieden schlechteu Eindruck; denn sie entspricht nach keiner Seite hin den gehegten Erwartungen. Man sieht deshalb sehr Hefligen Debatten im ge- setzgebenden Körper entgegen. In der Rede fielen besonders drei Stellen auf, zuerst die in Betreff Deutschlands  . Man wollte daraus ersehen, daß man in den Tuilerieen die Vorgänge in Deutsch  - land keineswegs wohlgefällig betrachtet, und daß gewisse Hinlergedanken nicht verscheucht sind. Die zweite Stelle ist der Paragraph über Mexiko   und Amerika  . Der Kaiser kündigt an, daß Betreffs der Räumung Mexikos   eine Convention abge- schlössen werden soll, was man als eine Concesston an Amerika   betrachtete, dem er aber zugleich zu verstehen gäbe, daß es ihn nickt zu scharf drängen, der Ehre und Würde Frankreichs   nicht zu nahe treten dürfe. Man betrachtete dieses gerade nicht als eine Art von Drohung, aber man wollte doch daraus ersehen, daß die Schwierigkeiten, die in dieser Beziehung vorliegen, noch sehr groß sind. Die dritte Stelle endlich ist die, wo von den inneren Angelegenheiten die Rede ist und dieKrönung des Gebäudes" noch auf lange Zeit hinausgeschoben wird. Dem gesetzgebenden Körper ist mit dem Gelbbnche ein Expos« der Regierung über die allgemeine Lage des Kaiserreichs vorgelegt worden. Es enthält Andeutungen der Stellung, welche die Regierung gegenüber der Elbherzogthümer- uud gegenüber der Mexikanischen   Frage einzunehmen wünscht. In Betreff der Erstereu wird auf ein Arrangement der Großmächte hingewiesen und hin- sichtlich der Letzteren heißt es: Als die Regierung die Expedition unternommen, hat sie sich ein Ziel vorgezeichnet, dem sie die Ausführung von Anfang an unterordnete und vo» dem sie auch noch jetzt ihre endlichen Entschließungen abhängig macht. Wir sind nach Mexiko   gegangen, um Genuzthuung zu ver- langen, nicht, um dem monarchischen System Pro- selyten zu machen. Wenn die Arrangements mit dein Kaiser Maximilian getroffen sein werden, welche noth- wendig sind, um eine Garantie für die Sicherheit unserer Landesangehörigen zu geben, dann wird es leicht sein, den Zeitpunkt festzustellen, wo unser ExpeditionscorpS wird heimkehren können.