Nr. 5a.Berlin, Dienstag den 6. März l866.Zweiter Zahrgang.-Dtinalimi.Diese Zeitung erscheint täglichmit Ausnahmeder Sonn- und Festtage.Organ der social-demolratischen Partei.Redigirt von Z. v. v. Hofstetten und I. B. v. Schweitzer.Redaction und Expedition-Berlin,Dresdnerstraße Nr. 85.ktzoanementS-Preis für Berlin incl. Bringerlohn: vierteljährlich 18 Sgr., mo-natlich 6 Sgr.� einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Königl. preußischen Postämtern 22'/! Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichlpreußischen Deutsch-land 18�/e Sgr., im übrigen Deutschland 1 Thlr.(st. 1. 45. südd., st. 1. 50. Bsterr.Währ.) pro Quartal.Bestellungen werden auswärt« auf alle» Postämtern, in Berlin auf der Expeditionvon jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Eompagnie, Scharrenstraße 1, sowieauch unentgeltlich von jedem„rothen Dienstmann" entgegen genommen.Inserate(in der Expedition auszugeben) werden pro dreigespaltene Petit-Zeile beiArbeiter-Annonccn mit t Sgr., bei sonstigen Annoncen mit 8 Sgr. t-erechnet.Agentur für England, die Eolonieen und die überseeischen Länder: ilr. keoäer, 8. l-ittlo I�sw-?ort-Strest, Leicester-Square W. C. London.Agentur für Frankreich: G. A. Alexandre, Strassbonrg, 5. Rue Brulee; Paris, 2. Cour du Commerce Saint-Andrä-des-Arts.politischer Theil.Deutschland.* Berlin, 5. März. �Dic Habsburg-H ohenzollern'sch e Allianz� balancirt fort-während auf der Degenspitze. Das Säbelgerasielwird von beiden Seiten mit großeni Eifer fortge-setzt. Die halboffiziösen„Hamburger Nachrichten"schreiben:Es ist Grund vorhanden zu der Annahme, daß dieDinge zum äußersten Grade von Spannung gelangt sind.Man vermeint in Wien, die preußische Regierung seiwegen der inneren Zustände außer Stande, einen Krieggegen Oesterreich zu führen, und hält daher den gegen«wärtigen Moment besonders geeignet zum Auslrag derDifferenzen. In Berlin glaubt man diese Dispositionzu erlennen und der Absicht Oesterreichs, die Krisi« jetztzum Aeußersten zu treiben, die Spitze bieten zu müsien.In Berlin wie in Wien scheint die Kriegspartei dieOberhand zu haben und wenn nicht in letzter Stundenoch unvermuthele Einigung erfolgt, so ist der Uebergangzur Aclion nur als Frage der Zeit zu betrachten.Die„B. B. Z." meldet:Ueber die Beschlüffe de« Minister-ConseilS am letztenMittwoch erfahren wir von zuverlässiger Seite so viel,daß von der Regierung der Gasteiner Vertrag sofortformell gekündigt werden wird, um freie Hand für dieErzielung de« Definitivums auch bezüglich Holsteins zuerhalten. Da ein Zurückgehen auf den Status quo vordem Gasteincr Vertrag— Gemeinsamkeit der Verwal-tung in beiden Herzogthiimern offenbar nach Lageder Dinge ganz unmöglich, so muß eine definitive Aus-einandersetzung die unausbleibliche Folge des RücktrittesPreußen« von dem Gasteiner Vertrage sei». Daß jederder beiden Mächte zu jeder Zeit der Rücktritt von jenemVertrage freisteht, brauchte nicht besonders stipnlirt zuwerden, es liegt in der Natur de« provisorischen Abkom-mens. Eine Einschränkung de« natürlichen Rechtes zumRücktritte hätte ausdrücklich festgestellt werden müssen.—Eine Vermehrung der preußischen Truppen in Schleswigwird sehr bald erfolgen.Von anderer, inehr glaubwürdiger Seite hörenwir, daß in dem fraglichen Conseil die Abscndungeines Ultimatums, eventuell ein kriegerisches Vor-gehen gegen Oesterreich, vorläufig noch abgelehntworden seien, da der König, der Kronprinz, Grafv. d. Goltz und v. Manteuffel dagegen gewesenseien. Graf v. d. Goltz soll mit einem, für denfranzösischen kaiserlichen Prinzen bestimmten Schwar-zen Adlerorden abgereist sein. Daß man es zumAeußersten kommen lassen wird, zu einem Kriegemit Oesterreich, dem sich die Mittelstaaten unbedingtanschließen würden, bezweifeln wir. Auch Oester-reich wird sich zweimal besinnen. Zum Kriegführengehört vor Allem Geld, und mit neuen Anleihenhat es in Oesterreich ei» Ende. Für die deutscheNation aber wäre so ein Krieg gar kein Unglück;denn dann müßte eS sich zeigen, welche Kraft nochim deutschen Volke liegt, sich wie Ein Mann zuerheben, oder ob eS verdient, zu den Todten ge-zählt zu werden.— fZur Elbherzogthümerfrage� sollendie Mittelstaaten AlleS aufbieten, Oesterreich zu be-stimmen, die schleSwig-holstein'sche Angelegenheit vorden Bund zu bringen.—[Aus den Elbherzogthümern, s ausSchleswig, enthalten die„Hamb. Nachr." eineMitlheilung aus Rendsburg über die Resolutionender Generalversammlung deS dortigen Schleswig-Holstein-Vereins, welche sich scharf gegen die Neun-zehneradresse aussprechen. Hinsichtlich des jüngstenReskripts des k. k. Statthalters sprach die Ver-sammlung sich dahin aus, daß sie, wiewohl erfreutüber die in demselben kundgegebene Fürsorge fürdas Wohl des Landes, dennoch nicht die Ansichtdes Statthalters theile, daß die jetzige Ständever-sammlung ein neues Wahlgesetz festzustellen habe.Die Versammlung hegt die Ueberzeugung, daß imStaatsgrundgesey von 184K ein zu Recht bestehen-deS Wahlgesetz bereits gegeben sei.— Aus Kielwird telegraphisch eine Bekanntmachung der Landes-regierung gemeldet, in welcher diese die Behördenan die Vorschrift erinnert, über außerordentlicheVorgänge sofort zu berichten. Es wird darin be-sonders hervorgehoben, daß, wenn die BehördenKenntniß von außerordentlichen Vorgängen erhal-ten, z. B. von der Veranstaltung größerer politischerVersammlungen, hiervon noch eine vorgängigeAnzeige zu beschaffen ist.—[Die Conferenz wegen der Donau-Fürstenthümerj wird in Paris zusammentretennnd ausschließlich aus den Unterzeichnern deS Pa-riser Friedens, Italien einbegriffen, bestehen. DieBucharester provisorische Regierung will sich durchDelegirte in Paris vertreten lassen.—[Preußische Preß-Schicksale.s Eonfiscirtwurde- in Berlin die erste Aasgabe des illustrirlen Bei-blattS zur„Tribüne", wahrscheinlich wegen eines in dem-selben enthaltenen Rebus. Eine zweite Ausgabe, mit Weg-lassung desselben, blieb unbeanstandet.— Verurtheilt-die„Rhein. Ztg." wegen Beleidigung der VerwaltungS-behörden in Schleswig zu 25 Thlr. Geldbuße; freige-sprechen: dasselbe Blatt wegen einer angeblichen Btlei-digung de« Obertribunals. Dem Blatte sind inzwischenzwei neue Anklagen angekündigt.— Wie die„Volksztg."hört, hat der Gras WartenSleben gegen dieselbe wegendes Berichts über die Sitzung, in welcher sein Eonflictmit dem Abg. Frese vorkam, eine Klage(also wohl einePrivatinjurienklage, ohne Vermittelnng des StaaSt-An-walts) angestellt.— Verurtheilt in Königsberg der Re>dakteur der„KönigSb. Hart. Ztg." zu 10 Thlr. und Dr.Falkson zu 20 Thlr. Geldstrafe.Köln, 4. März.[Volksversammlung. fDie heutige Volksversammlung zur Begrüßung derAbgeordneten verlief ohne Störung. An derselbenbetheiligten sich fast 40()0 Personen. Die Abgeordneten Jung und Leuc hielten längere Reden.Ersterer schloß mit der Mahnung, den Verfassungs-kämpf fortzusetzen, letzterer sprach über den Be-schluß des Obertribunals vom 29. Januar. Einvon den Anwesenden gesungenes Lied bildete denSchluß.Wien, 2. März.[Ungarn. f Die Stiw'mung in Pesth ist neuerdings wieder sehr düster.Es scheint seit der Antwort des Kaisers auf dieAdresse des Landtages gewiß, daß die Ungarn keinverantwortliches Ministerium haben sollen; damitsoll das Verbleiben des Grafen Belcrcdi im Amteerkauft sein. Es wird versichert, daß Deak sofortnach Bekanntwerden der Zögerung der Regierungerklärt habe:„Wenn man Anstand nehme, diesesverantwortliche Ministerium zu bewilligen, dannmöge man nur gleich den Landtag auflösen, dennohne Ministerium seien Unterhandlungen unmög'lich." Und ein Wort Deak'S ist ein Evangelium-So wird die Lage selbst in einem Oesterreick s»freundlichen Blatte, wie die Allgemeine Zeitung, fl'*schildert. In Prag ist es von Seiten der E zechenzu stürmischen Auftritten gekommen, sowohl auf derUniversität gegen einen Professor, der gegen Czechi'sirung der Universität geschrieben, als auf demLandtage, der einen desfallsigen Antrag Riegcr'sangenommen hat.(i. Aus Westphalen.[Die Parteien.jIn unserem Vaierlande sind durch die Wechsel-seitigen Reibungen und die Unnachgiebigkeil derParteien(?) die politischen Fragen zu den ein-fachsten Principien- und Existenzfragen des Consti-tutionalismuS geworden; dadurch haben sich fämmt-liche Parteischattirungen verloren und eS stehen sichdie beiden großen Parteien, die sogenannte conser-vative und die sogenannte liberale, einander gegen-über. Die Parteibildung ist ein reines Künstpro-dukt, und es bedarf nur einer geringen Aenderungder Ansichten der Regierung— und die großenParteien werden in viele zerfallen; der Kitt, wel-cher sie zusammen hält, ist kein natürlicher. Diesenbeiden, durch politische Ansichten verbundenenParteien steht eine dritte gegenüber, deren Bandein natürliches und daher ein festes ist, nichtnur auf gleicher politischer Anschauung be-ruhend, sondern auch auf gleichen socialen In-ter essen: die Partei der Arbeiter oder die social-demokratische. Keine andere Partei ist so fest ver-bunden; kommen sociale Fragen zur Verhandlung»so werden in den beiden großen Parteien noch vielgrößere Uneinigkeiten entstehen, wie bei den reinpolitischen Fragen. Wie benehmen sich nun diebeiden Parteien der geschlossenen Phalanx der Ar-beiterpartei gegenüber? Als Lassalle seine Agitationbegann und den Arbeitern klar machte, daß siedurch Politik und sociale Interessen eine eigenePartei seien, waren die Elemente der Arbeitermeistens in der liberalen Partei zerstreut, weil derArbeiter sehr richtig einsah, daß er von dem demo-kratischen Staate mehr zu erwarten habe, als vondem aristokratischen. Lassalle öffnete den Arbeiterndie Augen über die sogenannte liberale Partei, erzeigte ihnen, wie weit der Liberalismus ging, wenndas Wort Gleichberechtigung einmal in seinenConsequenzen durchgeführt und an den socialenFragen seine Probe in der Praxis bestehen sollte.