Nr. Berlin , Freitag den 8. Juni 18KK. Zweiter ZahrgllG Iciiiöhrnt. Diese Zeitung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstag«, Donnerstag« und Sonnabend« Abend«. Organ der social-demolratischen Partei. Redigirt von Z. 8.» Hofstetten und I. 8. v. Schweitzer. Redaction und Expedition: Berlin , Alte Jakobstraße Nr. 67. Abonnement«- Preis für Berlin incl. Bringerlohn: vierteljährlich lb Sgr., mo- natlich ö Sgr., einzelne Nummern I Sgr.; bei den Königl. preußischen Post« ämlern IS Sgr., bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch . land IL'/e Sgr., im übrigen Deutschland M Sgr.(st. 1. 10. südd., fl. 1. Lsterr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärt « auf allen Postämtern, in Berlin auf der Expedilioii. von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Compagnie.Zimmerstraßc 48», sowie auch unentgeltlich von jedem„rothen Dienstmann" entgegen genommen. 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Es ist einfach eine Maßregel, wie sie in Zeiten be- sonderer Krisen in ähnlicher Form öfters von den Regierungen getroffen werden; eine Maßregel, welche zwar selbstverständlich an dem von uns in Grund und Boden hinein verurtheilten ökonomischen Zustande im Großen und Ganzen weder etwas ändern soll noch etwas ändern kann, die aber im Einzelnen, innerhalb dieses einmal vorhandenen ZustandeS, inmitten einer Krisis, immerhin einiges Gute stiften kann. Es ist nämlich eine merkwürdige, aber völlig festgestellte Erscheinung, daß in Zeiten ökonomischer Krisen(einerlei wodurch dieselben ihren Anstoß bc- kommen), der Credit in weit größerem Maße sich zurückzieht, als durch die Verhältnisse selbst gerechtfertigt ist; daß gewiffermaßen, wie in manchen Perioden daS übermäßige Creditgeben, so in andern Perioden das übermäßige Creditverweigern eine allgemeine ökonomische Modesache ist. Insoweit derzeit ein solches in den Verhältnissen nicht be- gründetes allzugroßes Creditverweigern eingetreten ist, kann durch eine außerordentliche Veranstaltung, welche den Credit fördert, und durch Verniehrung der Zahlungsmittel dem Uebelstande abgeholfen werden. Allein jene Bestimmung bezeichnet auch die Grenze des Leistbaren: die Krisis kann in einem einzelnen Punkte erleichtert, nicht aber in ihrer Ge- sammlheit weggeschafft werden. Eine Krisis selbst könnte wegfallen nur durch Wegfall der ihr zu Grunde liegenden Ursachen; die jetzige KrisiS also, die aus politischen Complicationen ihren Ursprung genommen, könnte nur wegfallen mit diesen Com- plicationen selbst, d. h. mit der sicheren Aussicht auf dauernden Frieden. Die jetzige Krisis haben diejenigen zu verantworten, welche um dynastischer Zwecke willen die Kriegsgefahr heraufbeschworen haben und am Vorhandensein dieser Krisis ist der Hauptsache nach mit künstlichen Mitteln nichts zu ändern. Wenn aber innerhalb deS großen Uebels, welches vorliegt, einige geringe Linderung möglich ist, so ist es allerdings auf dem von der preußischen Regierung betretenen Wege oder einem ähnlichen thunlich. Die„Volks-Ztg." hat bei Besprechung der Er- richtung der Darlehnskassen zu unserem nicht ge« ringen Erstaunen nachzuweisen versucht, daß jene Kasten nur dem Großkapital zu Gute kämen. Ei, ei! Welche Geständniffe die Opposition gegen das Ministerium Bismarck einem fortschrittlichen Blatt zu entreißen vermag! Nur etwas consequent auf diesem Boden fortgedacht und wir sind einig! Allerdings kommen auch diese Kasten schließlich dem Großkapital zu Gut; aber nur darum, weil alles und jegliches, was innerhalb deS jetzigen ProductionSzustandes geschieht, zuletzt mit innerer Nothwendigkeit dem Großkapital, welches in be- ständigem Verschlingen des Kleinkapitals begriffen ist, zu Gute kommt. Keine Regierung der Welt könnte innerhalb der jetzigen ökonomischen Verhält- niste eine den Grundlagen dieser Verhältniste sich anpassende Einrichtung treffen, ohne daß jene Wir- kung einträte. Darin aber ist die„B.-Ztg." im Unrecht, daß sie behauptet, die DarlehnScasten kämen nur dem großen Kapital zu gut. Dies ist nicht richtig. Unter den Gründen, welche die Uebermacht des großen Kapitals über daS kleine bewirken, ist auch der, daß in Zeiten der Krisen das erstere die Schlin- gen, welche es um das letztere gezogen hält, rasch j und sicher zuziehen kann. Ob es im einzelnen Fall vortheilhaft ist, dies zu thun oder nicht, kommt auf die jedesmalige Gestaltung des einzelnen Falles an. Vielfach ist Zuwarten vortheilhafter. Aber dies ändert nichts an der Wahrheit, daß gerade in Zeiten der Krisen das große Kapital seine Herr- schaft über das kleine am entscheidendsten ausübt, dasselbe daher, wo es vortheilhaft ist, in sich auf- schlingt. Gerade hieran aber wird es verhindert, wenn dem kleinen Kapital der Credit ermöglicht wird. Wenn trotzdem das Großkapital hiervon Bortheil hat, so ist dies darum der Fall, weil der ! Ausbeutungszustand länger andauern kann und ihm i die Beute schließlich ja doch zufällt. Man kann i sagen, daß hierin wenig Vortheil für das kleine 'Kapital liege. Sicherlich! Allein so ist der Cha- ' racter unseres ökonomischen Zustandes überhaupt und Alles, was zu Gunsten des kleinen Kapitals ' geschehen kann, besteht immer nur darin, dasselbe in seinem Ankämpfen gegen das große zu unter- � stützen, seine Existenz d. h. seinen Kampf zu ver- ! längern Die neuen Darlehenskassen wie alle der- i artigen Einrichtungen nützen also nicht, wie die „B.-Ztg." meint, nur dem Großkapital, sondern sie nützen auch, und zwar vorzugsweise, dem Klein- capital, nur freilich in der unter den jetzigen Ber- Hältnissen einzig möglichen, nicht sehr trostvollen Weise. Stellt man sich aber einmal auf den Stand- Punkt dieser jetzigen Verhältnisse, so muß man un- bedingt zugeben, daß die neuen Darlehenskassen im Interesse des kleinen Kapitals liegen. Daß trotz- dem auch das große Kapital Vortheil davon hat, erklärt sich daraus, daß die Zeche von einem Drit- ten bezahlt wird: von der Arbeit. Demzufolge könnte man nun glauben, daß die Arbeiter Nachtheil von jenen Kassen bätlen. Aber dies ist wiederum unrichtig. Wir brauchen nicht zu versichern, daß die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital(einerlei ob Groß- oder Klcinkapital) nicht nach unserm Geschmack ist; allein da es sich in der vorliegenden Frage anerkanntermaßen nicht um die Frage handelt, wie man den jetzigen Pro- ductionszustand im Großen und Ganzen ändern könne, sondern nur darum, wie man unter Vor- aussetzung dieses jetzigen Zustandes, innerhalb deS- selben und Angesiäits einer besonderen KrisiS, einige Linderung schaffen könne, müssen wir erklä- ren, daß es allerdings etwas gibt, was noch weit schlimmer ist, als jene Ausbeutung: nemlich da« einfache Verhungern der Arbeiter. Zwar wird man durch solche Mittel wie jene Darlehnskassen sind, sowie überhaupt durch irgend welche Mittel, vis sich auf dem Boden des Bestehenben bewegen, bei ! dauernder Krisis der Roth und dem Elend, welche ber Arbeiterbevölkerung drohen, nicht abzuhelfen vermögen. Allein es ist sicher, daß wenn man ein- mal den jetzigen Zustand voraussetzt, immer noch ein Vortheil darin liegt, daß dem kleinen Kapital beigesprungeu wird. Würde dies nicht geschehen, so würde die ökonomische Bewegung noch mehr ge- stört, soniit auch die Arbeiterklasse noch schlechter gestellt werden. Denn dies ist ja klar, daß wenn man einmal diesen jetzigen Ausbeutungszustand an- erkennt und fortdauern läßt, es immer noch besser ist, daß so und so viel Tausend Arbeiter nach wie vor vom Kapital ausgebeutet werden, wobei sie zur Roth doch immer noch leben können, als wenn sie gänzlich zu Grunde gehen. Kurz gesagt: das Nebel, welches man durch Herbeiführung der jetzigen politischen Krisis über die ökonomische Bewegung und damit vor Allem über die Arbeiterklasse, welche unter den jetzigen � Verhältnissen immer am schwersten von allen Stö- rungen der ökonomische» Bewegung betroffen wird, herbeigeführt hat— dieses Nebel ist ein ungeheures. Innerhalb dieses Uebels ist die Errichtung der Darlehnskassen eine Linderung. Diese Linderung � ist im Vergleich zu jenem Nebel ein sehr geringer , Bortheil, aber immer ein Vortheil. Dies die Wahrheit in dieser Sache! Wenn wir nun sehen, daß die Fortschrittspartei mit Heftigkeit gegen die Darlehnskassen agitirt, so müssen wir uns klar machen, daß dies lediglich aus politischen Gründen geschieht. Sie wähnt nemlich durch solche Manöver das Budgetrecht, das sie vermöge ihrer Feigheit bisher sich nicht zu sichern vermochte, erringen zu können. Wäre Aussicht, baß durch dieses und ähnliche Manöver der Bersassungsconflict in Preußen ge- löst und die Freiheit errungen werden könnte, wir würden Beifall klatschen— oder vielmehr, wir würden thatkräflig mitwirken und in den ersten Reihen der Kämpfer stehen. Denn alle anderen Erwägungen wären uns gleichgültig, wo es gälte, die Freiheit zu erringen. Allein dazu ist durch die Bourgeoisie nun und nimmermehr Hoffnung. Denn nun und nimmer- mehr wird sich dieselbe zu einem entscheidenden Schritt aufraffen, ja, es kann gefragt werden, ob nicht die richtige Zeit für ein entscheidendes Auf- treten endgültig verpaßt und daher ein solches Äuf- s treten Seitens der liberalen Bourgeoisie überhaupt ! unmöglich ist. Dies aber steht fest wie die Säulen � des HerkuleS: daß sich um die jetzigen kleinen
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2 (8.6.1866) 104
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