Nr. HO. Berlin, Mittwoch den 20. Juni l86K. Zweiter Iahrgasg. Demolimt. Diese Zeitung ericheiul drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstag«, Donnerstag« nnd Sonnabend« Abends. Organ der social-demokratischcn Partei. Redigirt von I. v. d. Hofstetten und Z. v. v. Schweitzer. Redaction und Expedition: Berlin  , Alte J-kobstraße Nr. K7. Abonnement«-Preis für Berlin   incl. Bringerlohn: vierteljährlich 15 Sgr., mo< natlich 5 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Jtönigl. preußischen Post. ämtern 15 Sgr.. bei den preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch  - land I2Vs Sgr., im übrigen Deutichland 20 Sgr.(st. 1. lO. südd., st. 1. österr. Wäbr.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärt  « aus allen Postämtern, in Berlin   auf der Expedition. von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Tompagnie, Zimmerstraße 48», sowie auck unentgeltlich von jedemrothen Dienstmann" entgegen genommen. Inserate(in der Expedition aufzugeben) werden pro dreigespaltene Petit-Zeilc bei Arbeiter-Annoncen mit I Sgr., bei sonstigen Annoncen mir Ä Sgr.«vrechnei. Agentur für England, die Tolonieen und die-überseeischen Länder: Mr. Heeder, 8. Little New-Port-Street, Leicester-Square W. C.   London  . Agentur für Frankreich  : G. Ä. AJexaudre, Strassboarg, 5. Rae Brulee; Paris  , 2. Cour da Commerce Saint-Andre-des-Arts. politischer Theil. Rundschau. Berlin  , 19. Juni. Nach einer gestern Abend hier eingetroffenen Florentiner Depesche liegt der Schwerpunkt des politischen Interesses nicht mehr in Deutschland  allein, sondern auch in Italien  , welches gestern den Krieg an Oesterreich   erklärt hat. Die neuesten hier eingetroffenen Depesche» sind folgende: Florenz  , Montag 18. Juni, Vormittag«. Nach- dem Oesterreich durch Uebernahme der sogenannten Bmi- deSassistenz, die e« dem Könige von Sachsen   in Gemein« schast mit Bgvern leisten wird, den Kriegszustand zwi« scheu Oesterreich und Preußen herbeigeführt hat, ist auch von Seiten de« König  « von Italien   heute der Krieg an Oesterreich   erklärt worden. Der König Victor Ema« nuel begiebt sich übermorgen, der General Lamar« mora morgen zur Armee. Kiel  , Montag, 18. Juni, Vormittag«. Da«Hol- steinische Verordnungsblatt" enthält eine Bekanntmachung de« Oberpräsidenten v. Scheel-Plessen, d. d. Kiel  , 16. d. M., in welcher derselbe den Städten und Kom- munen, bei welchen preußische Truppen auf dem Marsche in Holstein einqnartirt waren, im Namen de« Gouver- neur« sür die gute und freundliche Aufnahme, welche dieselben überall gesunden haben, Dank ausspricht. Eine weitere Bekanntmachung de« Oberpräsidiums ver- fügt, daß alle Behörden künftig hin sich lediglich der Bezeichnung de« betreffenden Amte» unter Auslassung de« Prädikat«herzoglich" zu bedienen haben. In einer dritten Bekanntmachung erklärt der Oberprästdent wie folgt:Da« geforderte Gelöbniß ist von einigen Beamten mit dem Hinzufügen eingesandt worden, wie dasselbe in der Voraussetzung von ihnen unterzeichnet worden sei, daß es sich lediglich auf den Gehorsam in der gewissenhasten Erfüllung der Amtspflichten beziehen und dadurch der definitiven Entscheidung über die Zu« kunfl der Herzogthümcr nicht vorgegriffen werden solle. Hierdurch finde ich mich veranlaßt, Folgendes bekannt zu geben: Da« Formular, nach welchem das vorge« schriebene Gelöbniß abzuleisten ist, enthält Nicht«, wo- durch der definitiven Entscheidung über die Herzogthümer vorgegriffen wird, und verlangt neben treuer Erfüllung der Amtspflichten nur die Erfüllung der allgemeinen Bürgerpflicht des Gehorsams gegen die Regierung des Landes. Kein Beamter oder Angestellter wird darüber zweifelhast sein können, daß ihm diese Pflicht gleichwie jedem andern Bewohner de« Landes obliegt. Die Hin« zusllgung der Voraussetzung, von welcher vorerwähnter- maßen Einzelne bei Ableistung de« Gelöbnisse« auSge- gangen, muß hiernach um so mehr als bedeutungslos angesehen werden, als für die Beurlheilung einer unbe« dingt übernommenen Verpflichtung die Motive, welche sür die Uebernahme derselben maßgebend gewesen, nicht weiter in Betracht kommen. Gelöbnisse, welche mit obenerwähntem Hinzufügen bereit« eingegangen sind oder etwa sernerweitig noch eingehen sollten, werden demnach als unbedingt abgeleistet angesehen werden und wird selbstverständlich erwartet, daß sich Beikommende demge- mäß verhalten werden." Hamburg  , Montag 18. Juni. General von Man« tensfel befand sich heute Morgen mit den preußischen Truppen in Lüneburg  . Bremerhafen  , Montag 18. Juni. Die Nachricht von der Flucht de« Königs von Hannover   nach England scheint sich nicht zu bestätigen. Sie ist wohl durch die von Geestemünde   an« erfolgte Einschiffung de« Königl. Privat- und Staatsschatzes nach England veranlaßt. Eisenach  , Montag 18. Juni, Mittag«. Hierher gelangte Nachrichten lassen preußische Truppen in näch- ster Nähe von Kassel   angelangt sein, der Einmarsch in Kassel   stehe bevor. Der Kursürst von Hessen   hat. sich nach Frankfurt   a. M. begeben. Von dorther kommt die Nachricht: Italien   hat die Erklärung Oesterreichs   und Bayern  « zu Gunsten Sach- sen« gegen Preußen einschreiten zu wollen, zum Anlaß genommen, Oesterreich und Bayern   seinerseits den Krieg zu erkläre». Der italienische Gesandle am Bunde hat Frankfurt   bereit« verlassen. Oesterreich   hat in München   in Verfolg de« Frank- surter Beschlusses vom 16. d. M. das dringende Ver« langen auSgesprnchen, es möge sich ein bayerisches Eorps sofort mit der österreichischen   Armee zu einer gemein- schaftlichen Operation in Sachsen   vereinigen. Au« Stuttgart   wird von heute gemeldet: Nach Eingang des österreichischen Kriegsmanifestes ist beschlos- sen worden, sofort alle disponiblen Truppen nach Norden in Bewegung zu setzen. Der Babnhof ist militärisch be> setzt. Die Eile ist eine große. Manche Truppen rücken nur halb ausgerüstet aus. Karlsruhe  , Montag 18. Juni. Oesterreich   hat für den Beginn seiner militärischen Operationen gegen Preußen erst die Formation einer deutschen   HülfSarmee von 56,CK1(1 Mann abwarten wollen und deshalb auch fein Kricgsmanifest zurückgehalten. Baden lehnt nach wie vor jede Betheiligunz an der beginnende» seindlichen Aktion gegen Preußen ab. Alle von Stuttgart   aus ver- breiteten Nachrichten über Unordnungen in der badischen Armee sind völlig grundlos. Dessau  , Montag 18. Juni. Oldenburg   und An- halt, die der 15 Kurie angehörten, haben ihren Austritt au« dem Bunde amtlich notisizirt. Kassel  , Montag 18. Juui. Mvrgens. Die Preußen sind in Kassel  . Meißen  , Moniag 18. Juni, Vormittag«. General v. Herwarth war heute Vormittag weiter auf Dresden  marschirt; man glaubt, er werde die sächsische Hauptstadt Mittags erreichen. Bis jetzt ist von einem Zusammen- stoß mit sächsischen Truppen nichts bekannt. Aus dem rechten Elbufer ging heute eine starke preußische Division über Bischosswerda nach Dresden   vor. Frankfurt   a. M., Montag 18. Juni, Nachmitt. Die Wiedererlangung Holsteins ist da« positive Operation«- ziel der österreichischen Koalition. Es wird dabei von der Auffassung ausgegangen, daß Oesterreich ein Eigen- Ihumsrecht des deutschen Bundes auf das Herzogthum anerkannt habe. Hanau  , Montag 18. Juni. Baiern soll Oesterreich  gegenüber die Verpflichtung übernommen haben, im Ver- ein mit Hessen  « Darmstadt   und Nassau   die militairische Verbindung zwischen Kurbessen und Hannover   durch ein eigenes Korps herzustellen. Mainz   ist fast ganz von Truppen entblößt. Stade  , Montag 18. Juni. Der Obcrstlieutenant v. Eranach vom 25. Regiment ist mit einem Kommando vergangene Nacht aus Kanonenbooten nach Stade   gegan- gen, hat hier die Besatzung entwaffnet und in die Hei- math geschickt. Es wurden vorgesunden: 21 gezogene Geschütze, mehrere Mörser, viele eiserne Kanonen, meh- rere tausend Gewehre, sehr viel Pulver und bedeutend«« Material. Eisenach  , Montag 18. Juni, Abb«. Die Eisenbahn- Verbindung von hier nach Kassel   ist noch unterbrochen. Koburg  / Montag 18. Juni, Abd«. Die Baierll wollen die Eisenbahnverbindung zwischen hier und Bam- berg im geeigneten Momente unterbrechen und treffe» Vorbereitungen, um die Brücke bei Lichtenfels   zu sprengen. Bautzen  , Montag 18. Juni, Nachmitt. Preußische Truppen bewege» sich in der Richtung nach Dresden  hier durch. Nikolai, Montag 18. Juni, Nachmitt. Die Eisen- bahnbrücken bei Oswiencim sind diese Nacht von den Ocsterreichern in die Luft gesprengt worden. Der Ver- kehr zwischen Myslowitz und Oswiencim ist schon seil zwei Tagen von österreichischer Seite vollständig abge- brvchen. Was die Glaubwürdigkeit und den Character mancher in diesem Augenblicke telegraphirten oder sonst wie verbreiteten Nachrichten betrifft, giebt ein Telegramm derWeserzig." eine treffliche Charac« terislik der Situation, in welcher sich diejenigen be« finden, welche jetzt, wo hier und dort schon die Eisenbahn- und Telegraphenverbindung unterbrochen ist, die authentischen von den nicht authentischen Nachrichten unterscheiden und die große Masse der widersprechendsten Neuigkeiten sichten und ord- nungsmäßig zusamtnenstellen sollen. Das fragliche Telegramm lautet: Ein von Bremen   gekommener Kutscher de« Courier- wagen« behauptet, heute früh viele Preußen in der Rich- tunz von Harburg   nach Rotenburg   und Verden mar« schiren gesehen zu haben. Kutschernachrichteu!" Ja, die« ist die richtige Bezeichnung für eine große Anzahl der jetzt curfiren- den Nachrichten. Nur daß man es nicht einer jeden so leicht ansieht, wie jener, die sich selbst offen alS Kutschernachricht" zu erkennen giebt. Der Redac- teur ist daher schlechterdings genöthigt, die Nach- richten bunt nacheinder folge» zu lassen, wie sie eben eintreffen und vorliegen. So viel mit Sicherheil bekannt ist, steben in Sachsen   die preu- ßiscken Truppen jenseits Meißen  . Ob österreichische Truppen sich in Dresden   befinden, ist nicht bekannt. Auch von Görlitz   aus sollen die Preußen in Sach- sen bis in die Nähe von Bautzen   vorgerückt sein. Doch fehlen hierüber sichere Nachrichten. Ebenso j unbestimmt ist eS, ob der Einmarsch der Preußen in Dresden   und in Leipzig   bereits wirklick er- folgt») und der sächsische König sich noch bei Pirna  oder sonstwo in Sachsen   in der Armee befindet, oder ob er nach Prag   unter die österreichische Ar- inee sich begeben hat. Der preußische General Herwarlh von Bittenfeld hat bei seinem Einrücken in Sachsen   nachstehende Proclamation erlassen: Proclamation an da« sächsische Volk. Sachsen  ! Ich rücke in Euer Land ein; nicht aber als Euer Feind, denn ich weiß, daß Euere Sympathieeü nicht zusammenfallen mit den Bestrebungen Euerer Re- gierung. sie ist es gewesen, die nicht eher geruht hat- *) Ist theilweise durch die weiler unten folgenden > neuestenAmrlichen Nachrichten" constatirt.