Nr. 137. Berlin , Sonntag den 19. August 1866. Zweiter Jahrgang. Social-Dtmolunt. Diese Zeilung erscheint drei Mal wöchentlich und zwar: Dienstags, Donnerstags und Sonnabends Abends. Organ der social-demolratischen Partei. Redigin von I. B. b. Hosstetten und I. B. b. Schweitzer. Redaction und Expedition- Berlin , Alte Jakobstraße Nr. 67. Abonnements-Preis sür Berlin incl. Bringerlohn: vierteljährlich lb Sgr., mo- natlich 5 Sgr., einzelne Nummern 1 Sgr.; bei den Königl. preußischen Post- ämtern 15 Sgr., bei Jen preußischen Postämtern im nichtpreußischen Deutsch - land lLVs Sgr., im übrigen Teutschland 20 Sgr.(fl. 1. 10. slldd., st. 1. österr. Währ.) pro Quartal. Bestellungen werden auswärts aus allen Postämtern, in Berlin auf der Expeditioii, von jedem soliden Spediteur, von der Expreß-Compagnie, Zimmerstraße 48», sowie auch unentgeltlich von jedemrolhen Dienstmann" entgegen genommen. 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Für den Großbetrieb hat man insbeson- dere folgende Erwägungen angeführt: 1) Wer über größere Ländereien zu verfügen hat, kann die einzelnen Bodentheile mehr in Ge- mäßheit ihrer besonderen Natur verwenden und da- durch ergiebiger machen; er kann sich eintheilen, wie man zu sagen pflegt. 2) Er kann das Princip der Thcilung der Ar- beit, so weit es überhaupt in der Bovencultur an- wendbar ist, zur Verwirklichung bringen. Beson- dere Leute, z. B. für daS Fuhrwesen, das Melken und die Bereitung von Butter und Käse u. s. f. können angestellt werden, wodurch die einzelnen Zweige besser besorgt werden. 3) Man spart an Ställen, Scheunen, Werk- zeugen u. s. f. Denn es ist klar, daß z. B. die Herstellung der Stallungen für ein Gut, welches noch einmal so groß ist, wie ein anderes, durch- aus nicht noch einmal so viel kostet, wie die Her- stellung der Stallungen für das halb so große Gut. Ebenso mit den Werkzeugen, den Arbeits- thieren, dem Dünger, kurz allen Auslagen. 4) Das Gleiche findet statt in Betreff des Transportwesens. Es macht oft ebenso viele Um- stände und Auslagen, eine kleine Quantität Bodener- Zeugnisse auf den Markt zu bringen, wie eine größere. 5) Die Entdeckungen der Wissenschaft finden leichter Eingang, wo die Bodencultur im Großen als wo sie im Kleinen betrieben wird. Für den Kleinbetrieb hingegen macht man gel- tend, daß, wo das Land in kleinere Grundstücke getheilt ist, die Eigenthümer derselben sie mit grö- ßerem Fleiß bestellen, daß sie auch auf das Ein- zelne mehr achten können, so daß eine sorgfältigere und genauere Bebauung stattfindet. Man hat, wie gesagt, in der Wissenschaft viel darüber gestritten, ob die Bebauung im Großen, ob die Bebauung im Kleinen zweckmäßiger sei und es hat sich in dieser Beziehung bis jetzt noch keine Einheit der Meinung herausgestellt. Jedoch ist man überwiegend der Ansicht, daß im Ganzen der Betrieb im Großen auch bei der Bodenproduction vorzuziehen sei, wobei jedoch erhebliche Ausnahmen (z. B. in Betreff der Gartenproduction) stattfänden. Allein, m. H., die Frage steht gar nicht so, als ob wir ein- für allemal zwischen dem Betrieb im Großen und dem Betrieb im Kleinen zu wählen hätten. Insbesondere sind wir durchaus nicht so verliebt in den Großbetrieb, daß wir ihn um jeden Preis, auch da, wo er sich nicht bewähren sollte, beibehalten wollten. Man muß nemlich beachten, daß die ganze Unter- scheidung zwischen Groß- und Kleinbetrieb, wie wir, den Bourgeoisökonomcn folgend, sie aufstellten, nur unter Voraussetzung der jetzigen Productions- weise Sinn und Bedeutung hat. Sobald aber in planmäßig organisirter Weise die ganze Gesellschaft für sich selbst producirt, kann sie in der Boden- production, sowie überall, beliebig und mit allen etwa erforderlichen Unterscheidungen diejenigen Ein- theilungen und Anordnungen treffen, welche ihr ge- eignet scheinen. Die Vortheile, welche unter den jetzigen Verhältnissen der Großbetrieb bietet, und die Vortheile, welche man am Kleinbetriebe rühmt sie beide, ni. H., können, sobald die Produc- tion von einer einzigen großen, jedoch je nach Be- lieben zu gliedernden und einzutheilenden Associa- tion betrieben wird, bei vernünftiger und richtiger Einrichtung dem Einzelnen wie der Gesammtheit zu Gute kommen. Es ist also ein Mißverständniß, wenn man meint, unsere Sache sei an den Großbetrieb im Sinne der heutigen Production gebunden. Wir beanspruchen für unser System die Vortheile, welche man jenem Großbetrieb zuschreibt; aber wir weisen zugleich darauf hin, daß auch die Vor- theile, welche man dem Kleinbetrieb zumisst, in die- fem Systeme sehr wohl ihre Stelle finden können. Mit andern Worten: Wir sind nicht in die Noth- wendigkeit versetzt, unterschiedlos uns entweder für den Groß- oder den Kleinbetrieb entscheiden zu müssen, sondern wir beabsichtigen eine Einrichtung der productionellen Verhältnisse je nach der beson- deren Natur der einzelnen Zweige und Unlerzweige. Das Princip, welches der künftigen Production zu Grunde liegen wird, wird überall dasselbe sein: das Recht der Arbeit, welcher das Kapital nur Werkzeug ist; allein die Art und Weise, wie man producirt, d. h. Gebrauchswerthe schafft, wird für die äußeren Vornahmen durch die besondere Natur jedes einzelnen Productionszweiges be- stimmt sein.(Schluß folgt.) Politischer Theil. Rundschau. Berlin , 18. August. Ein neuer bedeutungsvoller Act in der Umstal- tung Deutschlands bat sich vollzogen. Der König von Preußen hat nach dem Rechte des Sie- gers das Königreich Hannover , das Kurfürstenthum Hessen , das Herzogthum Nassau , so wie die freie Stadt Frankfurt ihrer eigenen Regierungen für vec- lustig erklärt und dem preußischen Landtage einen Gesetzentwurf vorlegen lassen, nach welchem die Regierung dieser Länder zuvörderst in seine Hand gelegt wird, die definitive Regulirung, die Bezie- Hungen dieser Länder zum preußischen Staate aber einem besonderen Gesetze vorbehalten bleibt. Vor der Hand würden diese Länder also nur durch eine 1 Art Personalunion mit Preußen verbunden sein. Dieser Zustand wird jedoch nur als ein Uebergang bezeichnet, um die völlige Einverleibung mit einer schonenden Berücksichtigung berechtigter Eigenthüm- jichkeiten vorzubereiten(s. Berlin ). Die Friedens- Unterhandlungen in Prag scheinen doch nicht einen so schnellen Verlauf nehmen zu wollen, als in letzter Zeit angegeben wurde. Nach der Wiener Presse" wünscht Oesterreich nicht die Einbeziehung Italiens in die Prager Friedensverhandlungen, es will, daß der Friedensschluß mit Italien selbststän- dig geschehe, nachdem der Prager Friedensvertrag den Italienern Benetien garantirt. Und neuerdings schreibt man ihr, daß man ein Auskunstsmittel ge- funden zu haben scheine, damit die Prager Ver- Handlungen durch die Bestimmungen des preußisch- italienischen Allianzvertrages nicht allzusehr auf- gehalten würden. Man wolle sich nämlich preußi« i icherseirs damit begnügen, daß die Cession Venetiens an Italien im Principe festgestellt werde. Dies zu thun, würde die erste Aufgabe der in Paris zu- sammentretenden Conserenz sein, welche den Frie- ! den zwischen Oesterreich und Italien schließen soll. Jedoch bezweifeln wir, daß Preußen sich mit einer so unbestimmten Aufstellung bezüglich der Abtre- tung Veneticns an seinen Verbünveten abfinden lassen wird. Es geht aus diesen jetzt auftauchen- den Einwürfen und Verzettelungen der Fliedens- Verhandlungen nur hervor, daß Oesterreich, noch immer auf Verwickelungen Preußens mit Frank- reich hofsend, der Kamm wieder zu schwellen an- fängt. Und in der That hält das Reuter'sche Bureau in einem Telegramm vom 16. August aus London an seiner Behauptung fest, daß in einer französischen Note die Grenzberichtigungs- forderung aufgestellt sei, zugleich wird aber auch bestätigend hinzugefügt, daß die preußische Regie- rung in einer vom Grafen Goltz übergcbenen Note ablehnend geantwortet habe. Der Kaiser soll alsdann entgegnet haben, die öffentliche Mei- nung in Frankreich habe ihn zu der Forderung bestimmt, indeß verkenne er nicht das Gewicht der Gründe, welche Preußen zur Abweisung derselben bestimmten. Die guten Beziehungen zu Preußen würden jedenfalls erhalten werden, indem der Kaiser hoffe, daß Preußen nicht über die Main- linie hinausgehen werde. Hiermit in Ueberein- stimmung schreibt man dtrRh. Ztg.," daß die Compensationsansprüche Frankreichs vergebens von der officiösen Presse dementirt werden; sie existiren schwarz auf weiß und sind in einem diplomatischen Aktenstücke vom 7. August gestellt worden. Dem- nach verlangt es: einen Streifen von Belgien mit Philippeville und Märieville, dann Luxemburg , das Saargebiet und etwa die südlicheHälfte der Pfalz . DerHauptgrund, weshalb die Grenzberichtigungsan- sprüche von Frankreich aber zurückgestellt sind.liegt wohl mit im leidenden Zustande des Kaisers von Frankreich . Sein Uebel soll bedeutender und gefährlicher sein,